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Das schwierige Geschäft mit der Leidenschaft

Der boomende Erotik-Markt im Internet macht es Dresdner Einzelhändlern nicht leicht. Da müssen neue Ideen her.

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© Sven Ellger

Von Sarah Grundmann

Eine Gruppe Frauen, die in knallbunter Unterwäsche singend und tanzend herumhüpfen; verliebte Paare, die von ihren Erfahrungen mit Sexspielzeug berichten – im Fernsehen wird man heutzutage mit Werbung von Online-Anbietern für Erotikartikel förmlich überflutet. Die Einzelhändler in der Branche kämpfen gegen wachsende Konkurrenz, auch in Dresden. Doch sie finden ihre eigenen Wege, um damit umzugehen – wie Katharina Thieme.

Lila Plakate zieren die Schaufenster an ihrem Erotik-Shop an der Ecke Robert-Blum-/Antonstraße, darauf die Silhouetten von nackten Frauen und Männern. Ihre Scham bedecken sie mit Blättern. „Par la fleur“ – französisch für „durch die Blume“ – lautet der Name des Eckladens. Nicht so aufdringlich, nicht so plakativ, stilvoll, eben durch die Blume. So wollte Thieme ihr Geschäft gestalten. Als sie im vergangenen Jahr in die Fußstapfen des überraschend verstorbenen Chefs trat, musste sich deshalb einiges ändern.

Grelles Neonlicht, zugerammelte Fenster, Dunkelheit im Inneren: „Der Laden hatte das typische Schmuddel-Image früherer Sex-Shop-Zeiten“, sagt auch Mitarbeiter Rudi Richter. Also wurde in monatelanger Arbeit alles erneuert. Die meisten Arbeiten hat das vierköpfige Team selbst übernommen. 12 bis 16 Stunden Einsatz am Tag, lediglich eine Woche Urlaub im Jahr – Opfer, die auch gebracht wurden, um mehr Kunden in den Laden zu ziehen. Mit Erfolg. Neben Stammkunden seien auch viele neue Gesichter in den Shop gekommen.

„Unser Publikum ist komplett durchmischt“, sagt Richter. „Vom Studenten bis zur Rentnerin; Singles und Paare; Hetero-, Homo- und Transexuelle – sie kommen alle.“ Erst neulich habe sich eine 75-Jährige beraten lassen, die ihr erstes Sexspielzeug suchte. „Damen in dem Alter bedienen wir häufiger“, sagt Thieme. „Die Männer versterben, die Bedürfnisse bleiben.“ Ein Problem ist das für die Mitarbeiter nicht. „Wir sind tolerant, beraten jeden gleich“, sagt Richter. Sie seien Verkäufer, Seelsorger, Paarberater, Aufklärer, Mediziner und vieles mehr. Das mache auch den Vorteil gegenüber der Online-Konkurrenz aus. „Die gibt es im Internet nicht“, so der Mitarbeiter. Dabei sei es besonders bei Erotik-Artikeln wichtig, richtig beraten zu sein. Schließlich werden sie in sensiblen Körperregionen angewendet. „Wir können beispielsweise Kunden mit Silikonallergie den richtigen Artikel empfehlen“, so Richter. Und nicht nur Hautreaktionen sind ein Thema: Die Nachfrage nach veganen Artikeln steigt, Einsteiger sollten nicht zu den falschen Spielzeugen greifen..

Auch Michael Kling vom Erotic-Maxx auf der St. Petersburger Straße sieht den Vorteil von Einzelhändlern in der guten Beratung. Er betreibt sein Geschäft seit 2003 und bemerkt den boomenden Online-Markt bisher noch nicht am Umsatz. Das Unternehmen Amorelie, einer der marktführenden Online-Anbieter der deutschen Erotikbranche, räumt ein, dass der Kauf im Laden um die Ecke durchaus seine Vorteile gegenüber dem Online-Angebot hat.

„Positiv ist, dass die Kunden die Produkte vor Ort anfassen, sich von der Qualität überzeugen können und bei Kaufentschluss gleich mitnehmen können“, sagt Pressesprecherin Anne Gröschel. „Bei einigen Kunden steht auch das Einkaufserlebnis im Vordergrund, sie stöbern gern im Laden, lassen sich für den Kauf inspirieren und beraten.“ Der Vorteil eines Online-Shops sei hingegen die große Produktauswahl verschiedener Marken. „Der Kunde kann stundenlang stöbern und das sogar sonntags auf dem Sofa, denn er ist nicht an Öffnungszeiten gebunden“, so Gröschel. Eben wegen dieser Unterschiedlichkeit glaubt die Unternehmenssprecherin nicht, dass das Online-Angebot die Einzelhändler verdrängt. Ein weiterer – sehr entscheidender – Vorteil des Internets sei aber die Anonymität: „Gerade unerfahrene Nutzer möchten sich in aller Ruhe informieren und bei der Produktauswahl möglichst nicht beobachtet werden.“ Das ist auch für den Mitbewerber Eis ein wichtiger Faktor. „Der Kunde kann selbst entscheiden, wie neutral er sein Paket erhalten möchte“, so Sprecherin Sandra Morgott.

Dass es online anonymer ablaufe, verneint die „Par la fleur“-Besitzerin hingegen. „Bei uns gibt man keine Daten an, kann bar bezahlen und die Quittung im Zweifel wegwerfen“, so Thieme. Und die über 200 Facebook-Fans des Ladens zeigen, dass es nicht jedem unangenehm ist, im Erotik-Shop einzukaufen. Trotzdem hüllen sich die meisten anderen Händler aus der Branche in Schweigen. Zehn Erotik-Shops gibt es derzeit in Dresden, wie die Industrie- und Handelskammer mitteilt. Sie verteilen sich auf die Alt- und Neustadt, Hellerau, Mickten, Naußlitz und Prohlis. Und die kommen ganz ohne eine Gruppe von hüpfenden und singenden Frauen in knallbunter Unterwäsche aus.