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Das schiere Wunder der Existenz

Die Tanzcompany vom Theater Görlitz irritiert mit dem neue Tanzstück „iHome“.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Gabriele Gorgas

Görlitz. Wenn das Publikum nach der Premiere jubelt und applaudiert, muss das nicht zwangsläufig auch etwas über die Aufführungsqualität besagen. Man feiert die Darsteller, ist dabei gewesen, hat das Ganze als etwas Besonderes empfunden. Was einfach mal so zu akzeptieren ist. Die Premiere des neuen Tanzstücks „iHome“ von Dan Pelleg und Marko E. Weigert am Theater Görlitz weist ganz gewiss viele gute Seiten auf, aber auch reichlich viele Schwachstellen. Und diese dürften dem Premierenpublikum nicht entgangen sein.

Aufmerksamkeit erweckt zunächst das Bühnenbild von Markus Pysall. Da gibt es raumprägend einen durchsichtigen, dreh- und verschiebbaren Aufbau, der eine Art von Gebäude assoziiert. Er schafft Innen- wie auch Außenräume, dient als Projektionsfläche für Stimmungs-Verwandlungen, lässt mit seinen Ein- und Ausstiegen, Ruhepolen wie auch dem emsigen Auf und Ab ein friedliches Alltagsgeschehen erahnen. Doch draußen geht es weniger friedlich zu, entspannt sich ein erbitterter Zweikampf zur Abwehr der offenbar den inneren Frieden gefährdenden Situation.

Das sind die Themen des Abends. Wo kann man sich sicher fühlen, wo ist man zu Hause, wer ist Freund oder Feind, wem vertraue, wem misstraue ich. Und Jeremy Detscher, der als Absolvent der Palucca Hochschule für Tanz in Dresden nun Mitglied der Tanzcompany ist, beschreibt im Programmheft, wie sehr er sich im familiären Umfeld wohl und ungebunden fühle; „Home“ sei für ihn ein Gefühl von Freiheit, Unabhängigkeit und zugleich Geborgenheit.

Von all dem versucht dieser Abend zu erzählen, zeigt auch, wie brüchig und verletzlich Existenzen sein können, nutzt in der Erzählweise eigene Erfahrungen, zumal sich diese wie jede andere Company auch international zusammensetzt. Doch viel zu selten findet das Choreografen-Duo dafür auch schlüssige Bilder, mangelt es an einer wahrhaft beredten Bewegungssprache. Und so hangeln sich die Tänzer durch das (Plexi-) Glashaus, erscheinen deutlich unterfordert. Das nimmt dem Bühnengeschehen von anderthalb Stunden letztlich auch einiges an Spannung. Zumal eine besondere Art von Humor immer wieder eingestreut wird, speziell auch von Dan Pelleg, die sich aber oft als Querschläger erweist, also nicht zwingend ins Schwarze trifft.

Zu solchen Szenen gehört beispielsweise die Turban-Männertanzgruppe, die eventuell witzig sein soll, aber sie ist es mitnichten. Schon deshalb, weil die Körpersprache jegliche Prägnanz vermissen lässt. Oder es gibt die mit Fahnen schwingende Szenerie der Tänzer, die von einem „Würdenträger“ schnurstracks entnationalisiert werden. Zudem sind da auch gruselig-heimelnde Texte mit Visionen eines friedlichen Zusammenlebens, mischt sich Überdeutliches mit Unterbelichtetem.

Wenn eine mit Burka verschleierte Frau durch einen „Einflüsterer“ dazu überredet wird, alle Hüllen fallen zu lassen, mag das in der Psychologie des Vorganges zunächst nachdenklich stimmen. Doch dann hüpft dieses Wesen nackt wie auch offenbar zunehmend froh durch den Raum und eine Gruppe von Burka-Trägern männlichen und weiblichen Geschlechts lassen „Bein sehen“ und folgen ihr. Soll das nun witzig sein oder ist es einfach nur geschmacklos? Da muss man überhaupt schon einen sehr speziellen Humor besitzen. Zum Schluss qualmt das „Haus“ auf der Bühne, einige betreten es mit Atemmasken. Und die Gruppe tanzt ausgelassen im Vordergrund zum bekannten Gipsysong „Usti Baba“ der polnischen Folkgruppe Dikanda. Ein Rauchzeichen fürs Überleben, ein strauchelnder Tanz auf dem Vulkan? Wie viel Sehnsucht steckt in diesem Stück? Dan Pelleg benennt dafür in seinem „Home“-Verständnis „Menschen, die Verblüffung gegenüber dem schieren Wunder unserer Existenz empfinden und ein dicke Portion Selbstironie besitzen.“ Das Premierenpublikum jubelt und applaudiert.

„iHome“, Theater Görlitz, wieder am 18. (Studententag), 24./25. März, 19.30 Uhr, am 2. April, 15 Uhr und am 22.April, 19.30 Uhr.