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Siehst gut aus, altes Haus

Quietschende Sitze im Zuschauerraum sind Geschichte. Was sich im Schauspielhaus alles geändert hat.

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© Ronald Bonß

Kay Haufe

Bevor die Tragödie von Othello am Sonnabend ihren Lauf nimmt, werden Dresdens Premierengäste wohl schon vorher zahlreiche „Ahs“ und „Ohs“ hören lassen. Kaum wiederzuerkennen ist der Zuschauerraum des Schauspielhauses. Gold glänzt, wohin das Auge blickt, sogar an den Geländern vor den Rängen. Die Jugendstil-Stuckmotive an der Decke treten wie zum Greifen nah hervor, das Parkett ist abgeschliffen, die Wände gemalert, die Türen erneuert. Nicht zuletzt sind die 794 Stühle neu gepolstert, mit altgoldenem Samt bezogen und von Tischlern aufgearbeitet. „Hier stört kein Quietschen mehr eine Vorstellung“, sagt Ludwig Coulin, der Niederlassungsleiter des Staatsbetriebes Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB).

Im Zuschauerraum glänzt wieder alles
Im Zuschauerraum glänzt wieder alles © Ronald Bonß
Die Farben wurden aufgefrischt, Stühle instandgesetzt und gepolstert und das Parkett abgeschliffen.
Die Farben wurden aufgefrischt, Stühle instandgesetzt und gepolstert und das Parkett abgeschliffen. © Ronald Bonß

Genau 18 Wochen hatten die Handwerker Zeit, um das traditionsreiche Theater, das 1913 eröffnete, auf den neuesten Stand der Technik zu bringen. Denn obwohl es bereits 1995 eine umfangreiche Sanierung gab, war vor allem die Bühnentechnik verschlissen. „Dieser Zeitdruck war enorm, zeitweise haben bis zu 200 Elektriker, Maurer, Klempner, Maler und Stahlbauer gleichzeitig auf der Bühne und im Saal gearbeitet. Es gab drei Schichten und bis auf die Minute abstimmte Ablaufpläne“, sagt Roland Oertel, Leiter Technischer Dienst und Gebäudemanagement im Staatsschauspiel. Auch jetzt sind noch letzte Handgriffe nötig, obwohl die Schauspieler bereits emsig für die Premiere proben. Das Bühnenbild für Othello steht, noch aber fehlt ein wichtiges Detail im Raum: der Vorhang. An ihm nähen die Mitarbeiter der Theaterwerkstätten Tag und Nacht, bevor er sich am Sonnabend öffnen wird. 33 mal zehn Meter Stoff sind für jeden der zwei Schals nötig. Und imprägniert werden müssen sie auch noch, Brandschutz ist wichtig. „Der entspricht jetzt im ganzen Haus den neuesten Anforderungen“, sagt Oertel. Für Löscheinsätze kann das Theater Wasser aus dem Weißeritz-Mühlgraben verwenden, der unter den Arkaden verläuft. Die Stadt hat dies ermöglicht, weil die Zisterne des Hauses zu klein war.

Was die Zuschauer nicht sehen, aber essenziell für das Theater ist, ist die neue Bühnentechnik. Von dieser schwärmt der Technische Leiter in den höchsten Tönen. Vor allem durch den neuen Schnürboden in 28 Metern Höhe sei gefahrloses Arbeiten möglich. 35 Tonnen Stahl waren nötig, um sie einzubauen, 500 Nieten mussten dafür rausgeschlagen und durch Schrauben ersetzt werden. Von dort oben können nun zwölf Punktzüge bewegt werden, die jeweils 500 Kilo tragen. Damit sei jeder Punkt der Bühne erreichbar, gesteuert per Touchscreen. „Unsere alten Züge hatten ständig Ölverlust, die Motoren waren aus der Verankerung gerissen. Ich will gar nicht mehr daran denken“, sagt Oertel. Auf der Bühne ist zudem jetzt Hebetechnik installiert, mit der ein Teil des Orchestergrabens absenkbar ist. Er wird eingesetzt, wenn größere Orchester zum Einsatz kommen, dafür gibt es vier variable Sitzreihen, die ausgebaut werden können.

Nicht zuletzt werden die Damen unter den Besuchern aufatmen, denen mit zwölf jetzt die doppelte Anzahl an Toiletten zur Verfügung steht. Ihr Standort wurde mit denen der Herrentoiletten getauscht. „Die langen Schlangen sind hoffentlich vorüber“, sagt Coulin. Auch mit Legionellen gibt es künftig keine Probleme im Schauspielhaus mehr, denn sämtliche Leitungen wurden erneuert. „Alles wurde aufgehackt und neu verputzt. Das war ein sehr staubiger Bauabschnitt“, sagt Oertel.

SIB-Niederlassungsleiter Coulin ist glücklich, dass die Sanierung in dieser kurzen Zeit gelungen ist. „Jeder Tag, an dem nicht gespielt wird, kostet uns 100 000 Euro“, sagt er. Davon sind allein 20 000 Euro für nicht verkaufte Karten, dazu kommen Gehälter und Betriebskosten. Denn an einer Vorstellung sind rund 150 Mitarbeiter beteiligt. „Außerdem wäre es natürlich ein großer Imageschaden für das Haus, den wir umgangen haben.“

Rund zehn Millionen Euro waren für die Sanierung veranschlagt, doch ausgegeben wurde eine Million mehr. „Aber nicht, weil wir nicht sparsam waren, sondern weitere Dinge wie beispielsweise die neue Wasserversorgung für die Löschanlage hinzukam“, sagt Coulin.

Der künstlerische Betriebsdirektor Jürgen Reitzler, der das Staatsschauspiel in der neuen Spielzeit als Interimsintendant leitet, hat kaum einen Blick für den neuen Zuschauerraum. Bis zur Generalprobe am Freitag arbeitet er konzentriert mit den Schauspielern, damit die Premiere gelingt.