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Das Rätseln über einen Nazi-Gruß

Nicolas Anelka feierte ein Tor mit der berühmten Geste eines Komikers. Das Problem: Der sogenannte „Quenelle“ gilt in Frankreich als verdeckter Nazi-Gruß. Doch warum sollte er ein solches Symbol verwenden?

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© dpa

Paris/London. Frankreichs Fußball-“Enfant terrible“ Nicolas Anelka sorgt wieder einmal für großen Ärger. Beim 3:3 bei West Ham United feierte der Profi von West Bromwich Albion am Samstag in der englischen Premier League seinen ersten von insgesamt zwei Treffern mit dem „Quenelle“-Gruß des umstrittenen Komikers Dieudonné. Der angebliche umgekehrte Nazi-Gruß - die linke Hand auf dem rechten durchgestreckten Arm - löste vor allem in Frankreich einen Sturm der Entrüstung aus. Aber auch in England wuchs am Sonntag die Empörung. Die Zeitung „Sun“ meldete, der Verband FA werde Anelka anklagen. „Wir werden den Vorfall untersuchen“, bestätigte ein FA-Sprecher.

Die französische Sportministerin Valérie Fourneyron sprach am Samstagabend auf Twitter von einer „schockierenden, ekelerregenden Provokation“. Auf einem Fußballplatz hätten Anstiftung zum Hass und Antisemitismus nichts zu suchen. Der Europäische Jüdische Kongress (CJE) forderte die Premier League auf, Anelka zu sperren. Viele in Frankreich sehen in der von Dieudonné viel benutzten Geste einen verdeckten Nazigruß, andere betrachten sie dagegen lediglich als „ein Zeichen gegen das System“.

Widmung für einen Freund

Anelka entgegnete unterdessen auf Twitter: „Diese Geste war bloß eine spezielle Widmung für meinen Freund, den Humoristen Dieudonné.“ Bei West Bromwich Albion steht man hinter dem Stürmer. Der Club versicherte, es habe sich um keinen antisemitischen Akt gehandelt. Trainer Keith Downing bezeichnete die Empörung als „wirklichen Unsinn“. „Ich kenne diesen Gruß, aber es hat nichts damit zu tun, was nun behauptet wird“, beteuerte der Coach.

In Sachen Affären ist Anelka allerdings kein Unbekannter. Beim Debakel der „Bleus“ bei der WM 2010 in Südafrika war der Stürmer vorzeitig nach Hause geschickt worden, weil er Trainer Raymond Domenech in der Halbzeit des Spiels gegen Mexiko (0:2) wüst beschimpft hatte. Nach der WM war Anelka - der auch andere Skandale verursachte - vom Verband für 18 Länderspiele gesperrt worden.

Auch Dieudonné ist kein unbeschriebenes Blatt. Erst am Freitag hatte Innenminister Manuel Valls mitgeteilt, er wolle Mittel und Wege finden, um die als rassistisch angeprangerten Auftritte des 47-Jährigen verbieten zu lassen. In seinem Theater im Süden von Paris sowie in Liedern und Youtube-Filmen bestreitet Dieudonné oft den Holocaust und beleidigt französische Juden. Bei der Europawahl 2009 nahm er als Kandidat einer „antizionistischen Liste“ teil.

Dieudonné wurde in Frankreich mehrfach zu Geldstrafen verurteilt. Nichtsdestotrotz posierten neben ihm für Fotos französische Sportgrößen wie der Olympiasieger im Judo-Schwergewicht, Teddy Riner, oder NBA-Basketball-Superstar Tony Parker. Auch der frühere Kieler Handballstar Nikola Karabatic und Tennislegende Yannick Noah ließen sich mit dem Komiker fotografieren. Der Humorist hat im Internetportal Youtube rund 200.000 Follower.

Sein Anwalt Sanjay Mirabeau versicherte in der Zeitung „Le Parisien“ erneut, der „Quenelle“ sei „kein Nazigruß“. Diese Beteuerung dürfte die Wogen aber kaum glätten. „Die Geste ist ganz klar antisemitisch“, sagte Minister Valls. Und Cindy Leoni von der französischen Organisation „SOS Racisme“ forderte den Verein West Bromwich Albion auf, schnelle Maßnahmen gegen Anelka zu ergreifen. (dpa)