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„Das prächtige Lichtspieltheater öffnet seine Pforten“

Die Kinoplakate wurden früher von Hand gemalt. Im Capitol war dafür Fritz Zocher verantwortlich.

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© Stadtmuseum

Von Siegfried Wallat und Volker Thomas

Riesa. Es ist nun doch schon in die Jahre gekommen, unser Filmtheater Capitol. Im Dezember 1927 war das Haus fertig, und am 1. Weihnachtsfeiertag, nachmittags um vier Uhr, fand die Eröffnungsfeier statt. Das Riesaer Tageblatt widmete diesem Ereignis eine ganze Seite und jubelte: „Nunmehr hat das prächtige Lichtspieltheater ‚Capitol‘ seine Pforten geöffnet… Es ist ein Verdienst der Frau Anna Zach und des Herrn Carl Schreiber, den Erbauern des ‚Capitol‘, daß sie nicht nur dem Geschmack des Publikums Rechnung tragen, sondern ihre Aufgabe auch darin suchen, durch sorgfältige Auswahl der Filme den Geschmack des großen Publikums auf eine höhere Stufe zu heben.“

Kinoplakatmaler Fritz Zocher
Kinoplakatmaler Fritz Zocher © Stadtmuseum

Viel Lob erhielten auch die bauliche Gestaltung und besonders die Inneneinrichtung: „Das neuerrichtete Capitol … verbindet eine ruhige Vornehmheit mit einer bequemen Behaglichkeit. Alles Schreiende und Aufdringliche ist vermieden worden. Aus allem, was hier geschaffen worden ist, kann man ersehen, daß in Riesa ein Lichtspieltheater entstanden ist, daß sich manchem großstädtischen Lichtspielpalaste unbedenklich zur Seite stellen kann.“

Zur Eröffnungsfeier waren Vertreter der Behörden, der am Bau beteiligten Firmen und Handwerksmeister und – wie man damals sagte – eine starke Lichtspieltheatergemeinde erschienen. Das Vestibül war prächtig geschmückt und das „vorzügliche Hausorchester“ spielte einen Eröffnungsmarsch. Die Begrüßungsansprache hielt der Leipziger Schriftsteller Walter Steinbauer. Auch er war des Lobes voll über das Geschaffene: „Die Stadt Riesa ist um eine Sehenswürdigkeit reicher. Die vornehme Note, die der Theaterraum selbst hat, die wundervolle Farben- und Lichtharmonie, die hier erzielt werden konnte, die ideale Lösung des bei allen Lichtspielhäusern schwierigen Beleuchtungsproblems, nicht zuletzt aber auch der ausgezeichnete technische Apparat: Das alles stempelt dieses Theater zu einem Meisterwerk der Baukunst und Technik.“ Er bescheinigte dem Handwerk der Stadt Riesa „ein selten gutes Niveau“, Geschick und guten Geschmack.

Das Eröffnungsprogramm bestand aus der „Emelka-Wochenschau“ und dem Hegewald-Großfilm „Der Orlow“. Über Jahrzehnte wurden nun die Programme des Theaters in der hiesigen Presse veröffentlicht und so für die neuesten Filme geworben. Ein großes, abends beleuchtetes Filmplakat über dem Eingang des Kinos zeigte zudem, was aktuell gespielt wurde. Zuschauer sollten angelockt werden. Angefertigt wurden diese Kunstwerke, man kann sie ruhig so bezeichnen, von sogenannten Kinomalern. In Riesa war es seit 1950 Fritz Zocher. Der 1911 in Riesa geborene Künstler lernte zunächst von 1926 bis 1930 Dekorationsmaler, arbeitete auch in diesem Beruf, bis in Brandenburg die Stelle eines Kinomalers frei wurde.

Es zog ihn aber in seine Geburtsstadt. Hier gestaltete er die Kinoplakate für die Lichtspielhäuser Capitol, UT und Volkslichtspiele Gröba. Der Kunstmaler Wolfgang Bochnia kannte Fritz Zocher und schätzt sein künstlerisches Talent. Zocher malte in einer Werkstatt im Capitol. In der Regel waren die Plakate sechs Meter lang und zwei Meter hoch. Er hatte selbst einmal ausgerechnet, dass die von ihm in 30 Jahren handgemalten Kinoplakate eine Strecke von Riesa bis nach Meißen ergeben würde. Gemalt wurde auf dünnem Packpapier, das er auf Holztafeln aufzog. Wurde die Schicht zu dick, entfernte er die ganze Wulst von Papier. Damit war dann auch seine gesamte künstlerische Arbeit vernichtet. Fritz Zocher verwendete für die Werbungen Plakatfarben.

Nach dem Krieg gab es diese jedoch nicht. Er nahm als Grundlage Tafelleim und mischte ihn mit pulverisierter Malerfarbe. Mit richtigen wetterfesten Plakatfarben sei es später natürlich nicht so umständlich gewesen, sagte er einmal. Die Spuren des Riesaer Künstlers sind leider verwischt. Ende des Jahres 1999 verstarb Fritz Zocher im Alter von 88 Jahren.

Bei Zitaten wurden die Regeln der zeitgenössischen Orthografie beibehalten.