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Das Pestalozzi wird 100

Zum großen Ehemaligentreffen kommen die Generationen zusammen. Die Schule war nicht immer ein Gymnasium.

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© sächsische zeitung

Von Laura Catoni

Als Barbara Engst das Zimmer der Klasse 8/2 betritt, staunt sie. „Bei uns sah das damals ganz anders aus. Wir hatten noch die alten Klapptische mit Tintenfass und Stiftrinne“, erzählt Barbara Engst. Sie erlebte das Gebäude am Pestalozziplatz als Schülerin und später auch als Lehrerin. Über die Jahre hat sich viel verändert. Der Pausengong ertönt allerdings genauso wie damals – mittlerweile seit 100 Jahren.

Das Gebäude der Pestalozzi-Schule war um 1920 ein beliebtes Postkartenmotiv. Foto: Archiv Holger Naumann
Das Gebäude der Pestalozzi-Schule war um 1920 ein beliebtes Postkartenmotiv. Foto: Archiv Holger Naumann

Diesen Samstag kommen Schüler und Lehrer von damals und heute beim großen Ehemaligentreffen zusammen, darunter Barbara Engst. Ihre Schulzeit liegt lange zurück. Von 1947 bis 1950 besuchte sie die Schule, die von Lehrern und Schülern oft nur Pesta genannt wird. Anders als heute, musste Engst damals am Sonnabend in die Schule. „Dann brachte meine Mitschülerin von ihrem Bauernhof immer frische Milch mit“, erzählt die 73-Jährige. Manches ist allerdings gleich geblieben. Früher mussten die Schüler die ganze Pause lang im Kreis laufen. „Kaum zu glauben, aber manche machen das heute noch“, erzählt Anett Kersten, Geschichtslehrerin am Pesta.

Nach ihrer Zeit als Schülerin an der Pesta verschlug es Barbara Engst wieder an die Schule zurück, dieses Mal als Lehrerin. Im Alter von 18 Jahren stand sie das erste Mal vor ihrer eigenen Schulklasse. Der Anfang war zwar nicht einfach. Engst war jedoch Lehrerin mit Leib und Seele, 44 Jahre lang. Die Schüler achteten sie – trotz ihrer kleinen Statur. „Wenn du die Jungs und Mädchen respektierst, dann beruht das auf Gegenseitigkeit“, erklärt Engst. Mit vielen Schülern und Mitschülern von damals ist sie bis heute in Kontakt. „Es entstanden tiefe Freundschaften“, sagt die Dresdnerin. Eine ihrer Schülerinnen von damals ist heute ihre Kosmetikerin.

Festschrift mit Schulgeschichten

Barbara Engst ist nicht die einzige Pestalozzi-Zeitzeugin. Viele ehemalige Schüler und Lehrer haben ihre eigene Geschichte zu erzählen. Lehrerin Anett Kersten hat diese in einer Festschrift zusammengefasst. Darin findet der Leser Geschichten wie die eines Paares, das im Pestalozzi-Gymnasium zusammenfand und nun goldene Hochzeit feiert. „Das Recherchieren war manchmal sehr harte Arbeit“, erzählt die 41-Jährige. Die Schüler – egal welchen Alters – haben Kersten jedoch tatkräftig unterstützt. So entstand beispielsweise ein Zeitstrahl für die Festschrift mit Zeichnungen von Elft- und Fünftklässlern. Interessierte können die Festschrift in der Schule erwerben.

Für das Ehemaligentreffen am Sonnabend erwartet die Pesta 1  000 Besucher, sagt die stellvertretende Schulleiterin und Lehrerin Steffi Hultsch. Sie ist seit über 30 Jahren an der Schule und hat deren Wandel miterlebt. Zu DDR-Zeiten war das Pestalozzi noch geteilt in zwei Schulen für Schüler unterschiedlichen Alters. „Damals durften die Älteren nie den Haupteingang nutzen“ Als diese dann beim letzten Ehemaligentreffen 2012 zurückkamen, war der Gang durch die große Eingangstür ihr erster Impuls, erzählt die 60-Jährige und lacht.

Im vergangenen Jahrhundert erlebte die Schule viele Umbrüche. Das unter dem damaligen Stadtbaurat Hans Erlwein erbaute Gebäude war zunächst eine Volksschule, an der noch strikte Geschlechtertrennung galt. In den Jahren ab 1925 gingen nur noch privilegierte Schüler ein und aus, nachdem die Schule als „höhere Abteilung der Volksschulen“ auserkoren wurde, erzählt Steffi Hultsch. Während der Nazizeit wurde die Volksschule in Adolf-Hitler-Schule umbenannt. Die Schüler mussten jedoch weichen, als das Gebäude im Zweiten Weltkrieg als Lazarett diente. Anders als der große Rest von Dresden, blieb das Gebäude vom Krieg verschont. So nutzte es die Rote Armee nach ihrem Einmarsch als Stadtkommandantur.

Pestalozzis Ideen leben weiter

Erst im Jahr 1946 begann der Schulalltag wieder, und rund 15 Jahre später bekam das Gebäude den Namen des Reformpädagogen Johann Heinrich Pestalozzi. Bis 1992 war es eine sogenannte Musterschule mit Kindergarten, Grund- und Oberschule unter einem Dach. Erst danach wagte man den Schritt zum Gymnasium.

Auch wenn die schulpolitischen Vorgaben wenig Freiraum lassen – die Lehrer versuchen auch heute noch, Pestalozzis Idee des fächerübergreifenden Lernens in den Schulalltag einzubringen. „Die Schüler sollen nicht nur mit Verstand, sondern auch mit Hand und Herz lernen“, sagt Lehrerin Anett Kersten. So können diese unabhängig von ihrem Stundenplan ihre handwerklichen Talente in Arbeitsgemeinschaften üben. Außerdem legen die Lehrer Wert darauf, die Schüler nicht nur zu bilden, sondern auch zu erziehen, indem sie ihnen Werte und Normen vermitteln, erklärt Mathe- und Physiklehrerin Steffi Hultsch.