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Leidenschaft fürs Osterei

Friederike Zobel aus Kamenz ist Stammgast beim Ostereiermarkt in Bautzen. Vor allem sorbische Motive gestaltet sie sehr gern.

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© Andreas Kirschke

Von Andreas Kirschke

Muster für Muster fügt Friederike Zobel auf das weiße Osterei. Mit der Taubenfeder tupft sie Dreiecke, Rauten und Krähenfüße auf. Mit der Stecknadel-Kuppe entstehen Punkte und Striche. „Je kleiner die Muster sind, umso zarter müssen die Federn sein. Ich selbst bevorzuge feine, zierliche Muster. Am liebsten verziere ich Hühnereier und Wachteleier“, sagt die 62-jährige Kamenzerin. Spezialisiert hat sie sich auf die Bossiertechnik und auf die Wachstechnik. Seit 1990 verziert Friederike Zobel Ostereier ganzjährig als Gewerbe.

Diese Kollektion zeigt Ostereier – entstanden in Bossiertechnik. Typisch für Friederike Zobel sind Muster wie Dreieck und Krähenfuß sowie Motive wie Hahn und Taube.
Diese Kollektion zeigt Ostereier – entstanden in Bossiertechnik. Typisch für Friederike Zobel sind Muster wie Dreieck und Krähenfuß sowie Motive wie Hahn und Taube. © Andreas Kirschke

Immer wieder verwendet Friederike Zobel sorbische Motive. 2014 gestaltete sie Eier mit der Osterwasser schöpfenden Družka (Brautjungfer). „Es ist der Übergang von der rein ornamentalen Verzierung hin zur figürlichen Gestaltung. Hier muss ich zuvor genau überlegen, in welcher Reihenfolge die Farben mit Wachs festzuhalten sind“, sagt die Kamenzerin. Inschriften wie „Viel Glück“ verziert sie mitunter in Deutsch, in Sorbisch, in Französisch und sogar in Spanisch aufs Ei. Jedes kleine Kunstwerk ist einzigartig. Jedes fertige Ei ist ein Unikat. Und ein Geschenk der Natur.

Der Fantasie freien Lauf lassen

Als 14-Jährige entdeckte Friederike ihre Liebe zum Verzieren. Damals bekam sie zum Geburtstag das Buch „Sorbische Ostereier. Eine Anleitung für Zirkel und Einzelschaffende des bildnerischen Volksschaffens“ geschenkt. „Spontan probierte ich mich aus“, erinnert sie sich. Bei Nachbarin Maria Sauer hatte sie das Ostereier-Verzieren gesehen. Deren Familie pflegte Jahr für Jahr die Tradition mit der Wachsbatiktechnik. In der Schule waren Zeichnen, Musik und Mathematik Friederike Zobels Lieblingsfächer. „Ich bin Autodidakt. Ich eigne mir die Fähigkeiten immer im Selbststudium an“, sagt die Kamenzerin. Ihre geschickten Hände flochten Grasmatten für Großmutters Frühbeete zum Abdecken. Friederike Zobel verzierte auch Holzfiguren, flocht Körbe und Borten, bemalte Schränke und bastelte mit Stroh. „Ich wollte meiner Fantasie freien Lauf lassen. Leider werden Kinder heute oft frühzeitig eingeengt. Die Erwachsenen geben ihnen die Fantasie meist vor. Dabei soll doch jeder seinen eigenen Weg finden, seine eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten entdecken.“

Hobby zum Beruf gemacht

In Deutschbaselitz ging Friederike Zobel zur Schule. Die Verhältnisse waren eng und bescheiden. Zwei Klassen in einem Raum. Ab Klasse 4 lernte Friederike Zobel in Kamenz. Danach studierte sie Mineralogie. An der Bergakademie Freiberg lernte sie ihren Mann Eberhard kennen. Mit ihrem Mann kam Friederike Zobel nach dem Studium nach Gommern bei Magdeburg ins Forschungsinstitut für Erdöl und Erdgas. Hier befassten sie sich mit Grundlagenforschung im Rahmen der Erdöl- und Erdgas-Erkundung. „Es war wichtige Zuarbeit für die Industrie“, sagt Friederike Zobel und lacht: „Streng geheim war es obendrein noch!“ Nach der Geburt ihrer Kinder Sebastian (41), Veronika (39), Ernestine (36) und Peter (32) hörte Friederike Zobel mit ihrem Beruf auf. Fortan arbeitete sie zu Hause. Ihr Mann Eberhard war dann im Braunkohlenkombinat Welzow als Geologe tätig, und Friederike Zobel entdeckte ihre Liebe zum Ostereier-Verzieren wieder.

Bis 1990 verkaufte sie ihre Eier oft im Kunstgewerbe-Geschäft in Kamenz unweit des heutigen Elementariums. Immer mehr fragten Freunde, Bekannte, Verwandte und Interessierte nach. „So entschied ich mich 1990 für die Selbstständigkeit. Ganzjährig wollte ich jetzt Ostereier als Gewerbe verzieren.“ Inzwischen zeigt sie ihre Kunst beim Ostereiermarkt in Bautzen sowie in der Woche vor Ostern in Bautzen, Kamenz und Rammenau. Mancher lernte bei ihr bereits das Verzieren. „Der Jüngste war erst anderthalb Jahre alt. Der Älteste 93“, sagt die Kamenzerin. „Ich bemühe mich, immer wieder die Technik weiterzuentwickeln.“ Zum Schmelzen des Wachses für die Bossiertechnik (dem Auftragen von farbigem Wachs auf naturfarbene Eier) dachte sie sich ein Schmelzteil aus Keramik aus, mit dem man vier Farben gleichzeitig aufschmelzen kann.

Die ganze Familie macht mit

Ihr Ehemann Eberhard unterstützt sie nach Kräften. Meist leitet er bei den Märkten den Nachwuchs an. Er übernimmt das Färben der Eier, das Entfernen des Wachses bei der Wachstechnik und Erläutern. „Für die Kinder-Beschäftigung auf den Ostereier-Märkten brauchen wir jedes Jahr mindestens 1 000 ausgeblasene Hühnereier“, sagt Eberhard Zobel. „Allein beim Bautzener Markt sind es bis zu 500.“

Tochter Veronika (39) verziert heute vor allem mit der Kratztechnik. Sie möchte jetzt gern in Kindergärten und Schulen das Verzieren von sorbischen Ostereiern anleiten, um die Tradition ebenfalls weiterzugeben. Ihre Kinder Hannes (10) und Angelina (5) verzieren ebenfalls.

Auch Friederike Zobels andere Kinder Ernestine mit den Enkeln Jacqueline (16), Constantin (14) und Valentin (9) sowie Sebastian mit Tochter Luise (5) verzieren heute fleißig Ostereier. „In unserer Familie hat es bislang jeder gelernt“, sagt Friederike Zobel stolz. „Ich finde es wunderbar, wie jeder mitmacht.“ Im Hausflur steht zur Osterzeit Jahr für Jahr ein bis zu fünf Meter hoher Birkenbaum. Daran hängen dann sage und schreibe 200 (!) Ostereier. „Jeder in der Familie und jeder Besuch kann sich daran erfreuen.“

Der Sorbische Ostereiermarkt ist Sonnabend und Sonntag von 10 bis 18 Uhr im Haus der Sorben in Bautzen geöffnet.