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„Das neue Zentrum ist ein Fehler“

Immobilienexperte Andreas Klang über die Pläne am Sächsischen Wolf und leere Läden an der Dresdner Straße.

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© Andreas Weihs

Andrea Schawe

Herr Klang, viele Läden in Potschappel stehen leer. Die Lage an der Dresdner Straße sei kaum vermietbar, heißt es. Teilen Sie als Immobilienmakler in Freital diese Einstellung?

Ja, auf den ersten Blick haben wir es an der Dresdner Straße mit hohen Leerständen zu tun. Dies liegt zum einen an der Anzahl der Einwohner und deren Struktur, dem damit verbundenen fehlenden Nachfrageverhalten und dem Konsumverhalten an sich, an einem hohen Durchgangsverkehr und einem veränderten Einkaufsverhalten. Darüber hinaus stehen wegen der Gebäudestrukturen oftmals nur geringe Flächengrößen zur Verfügung, die nicht mehr der heutigen Repräsentativität und Warenpräsentation im Einzelhandel entsprechen. Filialisten, die für eine Belebung sorgen könnten und eine gewisse Frequenz bringen, haben Anforderungen an eine Flächenproduktivität und Umsatz, die viele der vorhandenen Leerstände nicht bieten. Die Dresdner Straße hat ihre Bedeutung als Geschäftsstraße verloren.

Dabei müsste die Nachfrage vorhanden sein. Freital hat 40 000 Einwohner.

… aber kein funktionierendes Stadtzentrum, in dem es sich lohnt, nicht nur Waren des täglichen Bedarfs einzukaufen, sondern in welchem man auch andere Sortimente finden kann. Städte dieser Größe haben heute überwiegend Center, die 5 000 bis 20 000 Quadratmeter Verkaufsfläche bieten. Der Freitaler fährt dazu nach Dresden. Gründe für das Fehlen liegen in der Stadtstruktur und dem noch unvollendeten Zusammenwachsen der Ortsteile.

Wie kann man das als kleiner Händler kompensieren?

Die Kleinteiligkeit kann, wenn Sie gut geführt wird, Individualität und das besondere Angebot liefern. Ihr Vorteil liegt auch in der Beratung, die Filialisten und Shopping Malls nicht bieten. Ein wirklich gutes Beispiel in Freital ist die Papeterie von Annett Knauer mit individuellen Service- und Beratungsleistungen. Ein städtisch begleiteter Prozess kann ein Geschäftsstraßenmanagement sein. Ein gemeinsamer Auftritt stärkt die Wahrnehmung, sorgt für Impulse, bedeutet aber auch, neben dem Tagesgeschäft gemeinsam Zeit zu investieren.

Ein Investor, der in Freital viele Häuser an der Dresdner Straße besitzt, lässt leerstehende Gewerberäume zu Wohnungen umbauen. Ist das ein Trend?

Ich würde hier nicht das Wort Trend verwenden. Ich denke, dahinter stehen kalkulatorische Betrachtungen. Die Ladengeschäfte standen lange Zeit leer und er musste die Nebenkosten für diese Flächen zahlen. Die Mieten, die in diesen Bereichen der Dresdner Straße für Ladengeschäfte zu erzielen sind und waren, liegen um die fünf Euro netto. Für Wohnungen sind in Freital-Potschappel und Deuben in saniertem Zustand bis zu 6,50 Euro zu erzielen. Die Nachfrage nach Wohnraum ist aufgrund der hohen Preise und des fehlenden Angebotes in der benachbarten Landeshauptstadt nach wie vor vorhanden. So liegt die Entscheidung nahe, Gewerberäume in Wohnraum umzuwandeln.

Was halten Sie davon?

Ob dies aus städtebaulicher Sicht die richtige Entscheidung ist, vermag ich zu bezweifeln. Grundsätzlich sinkt damit die Attraktivität der Innenstädte noch weiter gegenüber den Einkaufszentren. Die Innenstädte verkommen zu reinen Schlafstädten. Das kann in meinen Augen nicht der richtige Weg sein. Hier ist in meinen Augen die Verwaltung gefragt, sich auch Gedanken über eine Verkürzung der Funktion Geschäftsstraße zu machen, um den verbliebenen Einzelhandel zu konzentrieren, zu stärken, um zwar kleinere dafür aber vitale Handelszonen zu etablieren, Nutzungskonflikte zu minimieren und andere Bereiche einer Neuorientierung zu zuführen.

Das müssen Sie näher erklären.

Hier gibt es eine Vielzahl von Ideen und interessanten Ansätzen in anderen Städten und Ländern, von denen wir lernen können. Kopenhagen ist dreimal in Folge zur lebenswertesten Stadt dieses Planeten gewählt worden. Für Ihren Stadtumbau haben Sie über 40 Jahre gebraucht, aber sie haben die Notwendigkeit erkannt und es angepackt. Wie formulierte es der renommierte Stadtplaner Jahn Gehl so schön: Es gibt einen sehr simplen Anhaltspunkt für die Attraktivität einer Innenstadt. Schauen Sie, wie viele Kinder und alte Menschen auf den Straßen und Plätzen unterwegs sind. Das ist ein ziemlich zuverlässiger Indikator.

Was kann in Freital getan werden?

Seien wir mutig auch bei den Ideen der Ansiedlung. Präsentieren wir uns als Partner der TU Dresden und zwar den wirtschaftlichen Gebieten, auf denen Freital seit vielen Jahren Kompetenz aufgebaut und zu bieten hat: nämlich der Metall- und Montanindustrie. Die TU Dresden platzt aus allen Nähten und benötigt Flächen für Ihre Einrichtungen. Freital hat Brachen, auf denen die Uni bauen könnte. Wenn die Universität sich ansiedelt, kommen Studenten, Professoren; Menschen mit kreativen Ideen und Ansätzen. Für die Wiederbelebung von Gewerbe- und Einzelhandelsflächen könnte ein aktives Gewerbe- und Geschäftsstraßenmanagement für neue Netzwerke, Ideen und mehr Wahrnehmung sorgen. Leerstehende Flächen könnten zunächst auch preiswert für Zwischennutzungen und für das Ausprobieren neuer Konzepte zur Verfügung gestellt werden. Wenn sich daraus eine Nachfrage ergibt, profitieren nicht nur die Neuen sondern auch die noch vorhandenen Händler.

Freital könnte sich so entwickeln?

Natürlich, es ist ein Zusammenspiel aus Ansiedlung, geschaffener Infrastruktur und Gentrifizierung. Den Ansiedlungen von Forschungseinrichtungen und Gewerbetreibenden sowie mittelständischen Unternehmen folgen Arbeitsplätze und die dazugehörigen Menschen. Der dann folgenden Gentrifizierung folgt automatisch eine Qualifizierung der Innenstädte. Mit der Gentrifizierung erhöht sich die Kaufkraft. Damit einhergehend lohnt es sich wieder, sich in der Innenstadt anzusiedeln, Gleichzeitig darf man nicht vergessen, für die abwandernden Bevölkerungsschichten bezahlbaren sozialen Wohnraum zu schaffen und anzubieten.

Die Stadt will am Sächsischen Wolf Freitals neues Zentrum aufbauen.

Freital hat kein gewachsenes Zentrum, sondern viele kleine Stadtteilzentren. Hier wurde und wird immer noch künstlich versucht, ein Zentrum zu schaffen. Dies halte ich für einen Fehler. Wie ich bei einem Menschen dessen Stärken stärken muss und nicht versuchen sollte, seine Schwächen zu beseitigen, so gilt dies in meinen Augen auch bei der Stadtentwicklung. Die Vielfalt an Stadtteilen mit ihren eigenen Qualitäten und Wohnangeboten ist eine Stärke Freitals.

Was wäre ihr Vorschlag?

Auch hier halte ich es mit Jahn Gehl: weniger Einkaufszentren, weniger Straße, weniger Parkplätze. Wir sollten Häuser und Städte für Menschen planen. Man muss deshalb die Versorgung in den Stadtteilen stärken. Wenn man aber am neuen Zentrum festhält, wird dessen Qualität auch von einer Integration in das Umfeld bestimmt. Es darf kein autarker Einzelhandelsstandort werden, der wieder nur vom Pkw-Nutzer angefahren wird. Er muss Beziehungen zu den angrenzenden Stadträumen aufnehmen, den Grünzug der Weißeritz einbeziehen, die Wegebeziehungen zum Busbahnhof und anderen aber auch andere Frequenzbringer integrieren, die für eine Belebung sorgen. Dazu gehören auch eine Freiflächengestaltung oder Spiel- und Freizeitangebote. Letztere haben jedoch den Makel, dass sie keine Rendite abwerfen. Deswegen muss die Stadtplanung hier um ein ausgewogenes Maß zwischen privaten und öffentlichen Interessen kämpfen.