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Das Multitalent

Der Ingenieur Gunter Langer ist weltweit erfolgreich. Sein Hobby ist die Kunst – und die zeigt er jetzt in Dippoldiswalde.

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© Egbert Kamprath

Von Thomas Morgenroth

Osterzgebirge. Reizend und aufreizend sind Gunter Langers Mädchen, die er in diesen Tagen im Lohgerbermuseum in Dippoldiswalde zeigt. „Wir sind die Schönsten!“ heißt die Ausstellung in der Lederkammer, und das ist kaum übertrieben. Der Bannewitzer hat hübsch anzuschauende Studentinnen aus Dresden mit und ohne Kleidung gezeichnet und gemalt. Wer die jungen Frauen sind, weiß nur Langer, er hat ihre Kürzel auf den Rückseiten der Bilder vermerkt. Ihn interessieren weniger Namen und naturgetreue Abbilder als vielmehr Gesten, Haltungen und Emotionen.

Langer schaut hinter die Fassaden, erfasst das Wesen der Menschen und setzt Stimmungen und Gefühlszustände in ausdrucksstarke Bilder um. Seine Figuren und Köpfe wirken unglaublich lebendig, weil er sie, wie es Michelangelo erstmals in seinen Fresken in der Sixtinischen Kapelle vorgemacht hat, im Endpunkt einer Bewegung festhält. Kein leichtes Unterfangen: „So einen Moment hält man nicht“, sagt Langer, das Modell muss also viel Geduld mit dem Künstler haben, der die konkrete Anschauung bevorzugt und die Nähe. „Nach Fotografien kann ich nicht zeichnen“, sagt er.

Gunter Langers teils mit Acrylfarben kolorierte Zeichnungen heißen „Tiefer Blick“, „Was willst du“, „Kesse“, aber auch „Außerirdische“ und „Maria“, ein nicht ohne Hintersinn erfundener Name für eine sinnliche Nackte mit einem Christuskreuz als Kette um ihren Hals. Andere Langersche Mädchen sind „Cool“, feiern eine „Party“ oder fixieren den Betrachter mit einem hypnotisierenden „Blick“. Gunter Langer, Jahrgang 1950, ist als Künstler Autodidakt. Handwerkliche Anregungen bekam er bei Rosso Majores im Mal- und Zeichenzirkel der TU Dresden und bei Dieter Mattheus im Malerhaus Bannewitz. Langer führt Stift und Pinsel wohl intuitiv. Wie er die fließenden Linien seiner Modelle mit nur wenigen Strichen sinnfällig aufs Papier bringt, das kann man kaum lernen. „Das liegt mir im Blut“, sagt Langer und verweist auf seine Vorfahren, zu denen Josef Hegenbarth (1884-1962) gehört, einer der bedeutendsten Dresdner Zeichner des vergangenen Jahrhunderts, berühmt vor allem als Illustrator von Märchen und Weltliteratur.

Hegenbarth scheint seine Gene an Langers Familie weitergegeben zu haben, seine jüngste Schwester zeichnet und malt, seine Töchter Anja und Katja haben Kunst in Dresden und Fotografie in Leipzig studiert. Auch er selbst, dessen Talent sich schon frühzeitig zeigte, sollte Kunstmaler werden. Das jedenfalls mahnten seine Lehrer immer wieder an. „Ich konnte das nicht mehr hören“, erinnert sich Langer, der in Clausnitz im Osterzgebirge aufgewachsen ist. Er ist Ingenieur geworden, die Kunst ist sein Hobby geblieben. Diese Konstellation hat er nie bereut: „Ich habe jetzt Ressourcen, um meine Kunst zu finanzieren, so wie ich Lust habe und damit alle Freiheiten.“ So sitzt er zum Beispiel im Theater Kastanienhof in Reichenau bei Schillers „Maria Stuart“ in den vorderen Reihen und skizziert die Schauspieler. Dann zeichnet er Landschaften der Region. Oder er lädt sich weibliche Modelle in sein Atelier ein.

An einem Verkauf seiner Arbeiten, die über eine Berliner Galerie auch in Los Angeles, Peking oder Paris gezeigt werden, hat Langer überhaupt kein Interesse. Im Gegenteil: Er setzt Preise bis zu 45 000 Euro für ein Bild fest, damit es ja keiner kauft. „Eigentlich will ich sie nicht hergeben“, sagt er. Wenn freilich dann doch mal einer so viel Geld für einen echten Langer ausgeben will, dann muss er wohl verkaufen. An Interessenten, sagt er, mangele es nicht. Obwohl er schon in der zweiten Klasse ein geschnitztes Reh, das auf dem Radio in der Stube stand, perspektivisch korrekt abzeichnen konnte, galt Langers große Liebe nicht der Kunst, sondern der Technik. Das lag am väterlichen Betrieb, einer großen Stuhlbauerei, in der es Werkstätten bis hin zu einer Schmiede gab, die dem heranwachsenden Gunter Langer weit offen standen. „Ich bastelte und baute dort Motorschlitten, Boote und Raketentriebwerke“, erinnert er sich schmunzelnd.

Schließlich studierte er Elektrotechnik in Markkleeberg und Dresden und arbeitete im VEB „Otto Buchwitz“ an Starkstromanlagen und Umspannwerken. Mit der Wende wurde der Betrieb abgewickelt. Gunter Langer, der seit 1981 in Bannewitz wohnt, gründete 1992 ein Ingenieurbüro, für das er zunächst nur eine Telefonzelle brauchte. Daraus ist die Langer EMV-Technik GmbH in Bannewitz geworden, mit 30 Mitarbeitern. EMV steht für elektromagnetische Verträglichkeit, es geht also, vereinfacht gesagt, um die gegenseitige Beeinflussung elektronischer Geräte, die als Störungen wahrgenommen werden.

„Wir sind weltweit gefragt“, sagt Langer, der sich, inzwischen Rentner, langsam aus dem Tagesgeschehen zurückzieht. Seine Tochter Katja Langer, die Fotografin, hält jetzt die Fäden in der Firma in der Hand. So hat Langer nun die Wahl, ob er morgens ins Büro oder in sein Atelier geht. Je nach Stimmung entscheidet sich Gunter Langer dann für die Technik oder für die Kunst. Schön ist für ihn beides.

Ausstellung bis 24. September im Lohgerbermuseum Dippoldiswalde, Di.-Fr., 10-17, Sa./So., 13-17 Uhr.