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Monument aus dem Lagerschuppen

Mit der Idee, Wagner ein Denkmal zu setzen, stieß der Bildhauer Richard Guhr auf wenig Interesse. Außer in Liebethal.

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© Marko Förster

Von Heinz Strohbach

Es war wie ein Wunder inmitten totaler Zerstörung: Unbeschadet überstand der Dresdner Rathausturm das Bombeninferno des 13. Februar 1945 und mit ihm der „Goldene Mann“ auf der Turmspitze. Doch konnte er trotz des Füllhorns der Amaltheia und seiner segnend ausgestreckten Hand den zehntausendfachen Tod nicht verhindern.

Schöpfer jener 4,90 Meter großen Figur war Professor Richard Guhr. Die 1 700 Kilogramm schwere Skulptur wurde von ihm in den Jahren 1908 bis 1910 aus Kupferblech getrieben und vergoldet.

Guhr wurde am 30. September 1873 in Schwerin geboren. Seine schöpferische Zeit verbrachte er jedoch in Dresden. Er studierte in Berlin und Dresden und begann dann seine Lehrtätigkeit an der Dresdener Akademie für Kunstgewerbe.

Hatte es bei der Auswahl des Rathausmannes mit dem Rat der Stadt keine Probleme gegeben, wurde die Verwirklichung eines Wagnerdenkmals zu einer wahren Odyssee. Seine Verehrung des Wagner’schen Opernschaffens ließ in Guhr den Gedanken eines Wagner würdigen Denkmals reifen. Bereits 1911 entstand ein Gipsmodell für eine Plastik, welche 1913, zum 100. Geburtstag des Komponisten, geweiht werden sollte. Guhr bot deshalb dem Dresdner Magistrat an, das Denkmal in weißem Marmor auszuführen und es im Großen Garten aufzustellen. Doch seinem Ansinnen wurde kaum Interesse entgegengebracht, obwohl Guhr die Ausführung auf eigene Kosten übernehmen wollte.

Der Ausbruch des 1. Weltkrieges veranlasste ihn, sein Modell zunächst im Lager unterzubringen. Er schrieb: „Mein Modell musste auf den Lagerschuppen wandern. Graf Vitzthum zuckte bedauernd die Achseln, und auch der junge Kronprinz Georg, um Hilfe angegangen, ließ es beim Interesse bewenden.“

1923 stellte der Künstler sein Modell im Dresdner Kunstverein zur Schau. Doch auch dies brachte keinen Fortschritt. Dabei war für ihn klar, dass sein Denkmal an einem Ort aufgestellt werden sollte, an dem Wagner gewirkt hatte. So kam nach den Dresdner Misserfolgen die böhmische Kurstadt Teplitz ins Gespräch. Guhr schlug vor, die Figurengruppe in Bronze auszuführen und im Kurpark aufzustellen. Doch unerfreuliche Meinungen der Behörden und aus der Bevölkerung veranlassten den Künstler, auch diesen Vorschlag zurückzunehmen.

Inzwischen hatte die Dresdner Kunstgießerei Adalbert Milde die Figurengruppe in Bronze ausgeführt. Jetzt kam Guhrs Student Sizzo Stief auf die Idee, eine Stätte aufzusuchen, an der Richard Wagner „so weidlich gelohengrint“ hatte, die Lochmühle im Liebethaler Grund bei Pirna.

In Karl Staude, dem Lochmüller, fand er einen Verehrer Wagners und einen Verbündeten. Dieser stellte ihm nicht nur einen Platz auf seinem Grundstück zur Verfügung, sondern übernahm auch noch die beträchtlichen Kosten für den Unterbau. Sogar Teile der Felswand mussten abgesprengt werden, um der 12,5 Meter hohen Figurengruppe Platz zu schaffen.

Auch die umliegenden Gemeinden halfen beim Bau. Eine Gedenktafel im Sockel erinnert an die Unterstützung durch „die werktätige Jugend“. So konnte am 21. Mai 1933 unter Fanfarenklängen der Dresdner Hoftrompeter aus der Oper Lohengrin das Denkmal eingeweiht werden. In der Festrede war die Vereinnahmung Wagners für die Nazi-Ideologie nicht zu überhören.

Das Denkmal zeigt Wagner in der Gestalt eines Gralsritters. Die linke Hand hält die Harfe als Symbol der Musik, die rechte die Schale des Heiligen Grals. Die fünf den Ritter umgebenden Gestalten verkörpern die Elemente der Wagner’schen Musik. Der Jüngling mit dem Schwert das tragische, die Jungfrau mit der sich um den Arm windenden Schlange das dämonische und das Mädchen mit dem Schatzkästlein das lyrische Element. Der Jüngling mit dem Trinkhorn steht für das dionysische und das lauschende junge Mädchen verkörpert das sphärische Element. In den Sockel eingehauen finden wir Worte aus der Oper Lohengrin: „Des Ritters drum sollt Zweifel ihr nicht hegen“.

Richard Guhr verstarb vor 60 Jahren am 27. Oktober 1956 in Höckendorf. Nur seiner Energie und Ausdauer ist es zu verdanken, dass das erste sächsische Denkmal für den großen Komponisten verwirklicht wurde, von dem Gerhard Hauptmann sagte: „Ein Werk wie der Ring (der Nibelungen, d. V.) ist vielleicht das mächtigste Kunstgebilde der letzten Jahrtausende“.