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Das Leid mit dem Amtsleiter

Pulsnitz sucht schon wieder nach einem Chef fürs Bauressort. Bürgermeisterin Barbara Lüke erläutert die Anforderungen.

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© Archivfoto: Matthias Schumann

Pulsnitz. Innerhalb von fünf Jahren wird in Pulsnitz zum fünften Mal der Leitungsposten für den Fachbereich Bürger und Bauen ausgeschrieben. Das Bauressort, das Meldewesen und das Ordnungsamt gehören u. a. zu dem wichtigen Bereich im Rathaus. Und mancher Bürger fragt sich mittlerweile: Was ist denn los in der Verwaltung? Denn, dass der Schleudersitz „Bürger und Bauen“ ohne Auswirkung auf den laufenden Betrieb bleibt, das glaubt niemand. Zuletzt musste die Auslegung des Bebauungsplans für den neuen Rewemarkt wegen Unzulänglichkeiten noch einmal ausgelegt werden. Da war der amtierende Leiter Björn Koffinke bereits krank. Nun steht fest, dass er nicht an seinen Schreibtisch zurückkehren wird. Erst im Winter des Vorjahres hatte er den übernommen. Der damalige Bürgermeister Peter Graff hatte seiner Zuversicht Ausdruck gegeben, dass nun Kontinuität im Ressort einziehen wird und auch Koffinke selbst wünschte sich eine langfristige Perspektive. Allerdings hatte es unter Stadträten durchaus auch Fragen gegeben, ob der studierte Forstwirtschaftler der Aufgabenflut gewachsen ist. Die mitschwingende Sorge wurde damals zerstreut.

Björn Koffinke war der vierte Amtsleiter, nachdem der langjährige Chef Ralf Kanitz 2012 in den Ruhestand ging. Seine Nachfolgerin blieb aber nur ein Jahr, um dann einem anderen Angebot zu folgen. Seitdem hatte die Stadt kein glückliches Händchen. Ein Jahr lang war der Posten ganz unbesetzt, begleitet von weiteren Personalschwierigkeiten. Das kürzeste Intermezzo gab Anfang 2016 eine Fachfrau aus Bautzen, die schon nach vier Wochen das Handtuch warf. Eine Folge dieser Misere sind aus Personalmangel stapelweise liegengebliebene Vorgänge. Für seine Kündigung gab Björn Koffinke gesundheitliche Gründe an. Aber es mag auch etwas dran sein, dass sich der Aufgabenumfang anders als erwartet darstellte und zum ‚Rückzug beitrug. Woran liegt es, dass die Stadt keine geeigneten Fachleute für den Posten findet? Seit einem Jahr amtiert Barbara Lüke als Bürgermeisterin in Pulsnitz. Sie muss das Erbe nun ordnen und glaubt die Ursache für das reihenweise Scheitern der Fachbereichsleiter zu kennen. Die SZ hat sie zum Thema befragt:

Frau Lüke, wie haben Sie die Kündigung aufgenommen?

Es war schon ein Schock, erneut einen Fachbereichsleiter suchen zu müssen. Die Situation ist nicht gut. Aber wir haben auch ein klares Ziel, was jetzt zu tun ist.

Sie haben den Leiterposten erneut ausgeschrieben. Warum sollte es diesmal besser funktionieren?

Es liegt nicht am Zuschnitt des Amtes in unserem Rathaus, dass es immer wieder zu einem Wechsel kam. In der Vergangenheit wurde meines Erachtens das falsche Profil für den künftigen Leiter gesucht, die falschen Kenntnisse vorausgesetzt. Der Fokus lag auf dem Baufachmann. Wir brauchen aber in dem Bereich Bürger und Bauen einen Orchesterführer mit breit angelegter Verwaltungserfahrung. Der muss die Arbeitsabläufe steuern können. Er muss dafür sorgen können, dass Akten so geführt werden, dass in bestimmten Bereichen auch Vorgänge aus einer Zeit vor 100 Jahren sofort griffbereit sind. Dass Aufgaben wirklich abgearbeitet werden, bis sie erledigt sind und die Mitarbeiter nicht dauernd etwas Neues anfangen müssen. Oder, dass regelmäßig wiederkehrende Aufgaben im Blick bleiben – Brandschutz- und TÜV-Kontrollen zum Beispiel Hauptursache der heutigen Probleme sind vorhandene Strukturen in den Verwaltungsabläufen, die sich seit den 1990er Jahren nicht geändert haben. Uns fällt in diesem Zusammenhang auch der Generationswechsel im Amt auf die Füße: Die älteren Kollegen konnten sich erinnern oder wussten genau, wo etwas liegt. Das kompensierte vieles. Wir brauchen an der Spitze des Amtes nun eine Frau oder einen Mann mit den Fähigkeiten, die Basisabläufe zu koordinieren, mit Gespür, wo’s klemmt. Dann sparen wir Zeit für die wichtigen Dinge, wie Bauanträge der Bürger.

Wie kompensieren Sie derzeit den fehlenden Bereichschef?

Wir haben direkt zugeordnete Aufgaben auf die beiden Bereichsstellvertreter und mich aufgeteilt. Natürlich ist es schwer abzufedern, wenn ein Fachbereichsleiter fehlt und Mengen von Unterlagen aufzuarbeiten sind. Ich bin jetzt ein Jahr im Amt und mache derzeit 80 Prozent Innendienst, um die Ablauforganisation der Verwaltung zusammen mit meinen Kollegen so in Gang zu bringen, dass sie den heutigen Anforderungen entspricht. Ich betone – das gilt nicht für den Finanzbereich, den Frau Füssel zu verantworten hat. Um Neues anzustoßen, muss aber erst die Verwaltung laufen. Ich kann erst dann mit gutem Gewissen viele Außentermine wahrnehmen, wenn ich weiß, dass das, was ich anstoße auch umgesetzt werden kann.

Was sind das für offene Vorgänge?

Es sind stapelweise Unterlagen mit handgeschriebenen Zetteln dran, manchmal schwer leserlich und teilweise weit zurückliegend von den jeweiligen Amtsleitern. Ich kann ihnen ein paar Beispiele nennen. Hier habe ich das Thema Lärmkartierung mit einem Zettel aus dem Jahr 2015, ums Diensthabenden-System im Rathaus geht es in einem Vorgang aus dem Jahr 2013. Das müssen wir unbedingt wieder einführen. Auf einem anderen Stapel liegen Unterlagen zum Radweg an der S 104. Manches hat sich inzwischen ganz erledigt. Es wird nicht einfach, so einen langjährigen Rückstand aufzuarbeiten.

Es gab auch Hinweise, dass im Bauressort zu wenig Baufachleute beschäftigt wären und zu viele Seiteneinsteiger...

Das sehe ich nicht so. Wir sind keine Baugenehmigungsbehörde. Wir brauchen vor allem Verwaltungsfachleute, um die Fülle der reinen Verwaltungsarbeiten erledigen zu können, die natürlich Baubezug haben. Zum Beispiel für das Liegenschaftsamt, die ganze Fördermittelabrechnung. Bis auf den Amtsleiter sind wir seit dem Vormonat auch wieder voll besetzt im Bereich Bauen.

Wie viele Bewerbungen haben Sie?

Es ist schon etwas da, genauer will ich während des Verfahrens nicht werden. Die Bewerbungsfrist läuft noch bis zum 20. Juni. Allerdings sind Verwaltungsfachwirte nicht so leicht zu finden. Überall findet jetzt der Generationswechsel statt. Um das zu kompensieren, werden in Sachsen viel zu wenige Fachleute ausgebildet.

Vielleicht liegen die Probleme ja in der Rathaus-Struktur. Die Arbeit wieder auf drei Ämter zu verteilen, würde die Aufgaben übersichtlicher machen...

Mir scheint, dass bei einer eingespielten Verwaltung die aktuelle Organisation machbar ist. Daher würde ich sie in der jetzigen Situation nicht umstellen. Wir brauchen eine Führungskraft mit Grundwissen. Keinen Hauptamtsleiter, keinen Bauingenieur. Wir werden uns die Lebensläufe der Bewerber deshalb sehr genau anschauen.

Gespräch: Reiner Hanke