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Das lange Warten auf Facharzttermine

Theoretisch soll jeder Patient innerhalb von vier Wochen behandelt werden. Die Praxis aber sieht im Landkreis Bautzen ganz anders aus.

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© dpa/Patrick Pleul

Von Jana Ulbrich

Bautzen. Der Selbstversuch ist nicht gestellt: Auf meinem Tisch liegen in der ersten Januar-Woche zwei Überweisungen vom Hausarzt und ein gelber Notizzettel, auf dem „Frauenarzt!“ steht. „Da haben Sie Glück“, sagt die Sprechstundenhilfe in der gynäkologischen Praxis. Den Termin für die halbjährliche Vorbeuge-Untersuchung könne sie mir schon in sieben Wochen anbieten. Für den 28. Februar habe gerade jemand abgesagt. Normalerweise, sagt sie, sei die Praxis bei der Terminvergabe schon weit im März angelangt.

Für eine MRT-Untersuchung der Halswirbelsäule telefoniere ich mit allen vier Radiologie-Praxen im Umkreis von 50 Kilometern. Den frühesten Termin bekomme ich ebenfalls erst in sieben Wochen – obwohl auf der Überweisung ein „B!“ steht, das dringend bedeutet. Am längsten muss ich auf die Darmspiegelung warten, die der Hausarzt ebenfalls für notwendig hält. Den Termin beim Internisten bekomme ich am 4. April – in einem Vierteljahr.

Der Sohn einer Kollegin muss zum Augenarzt. In der Praxis ihrer Augenärztin erfährt die Kollegin vom Anrufbeantworter, dass ab 10. Februar überhaupt erst wieder neue Termine vergeben werden. Sie ruft in mehreren Praxen in der Umgebung an, den Termin für ihren Sohn erhält sie schließlich am 16. März.

An Vermittlungsservice wenden

Dabei soll doch schon seit einem Jahr alles viel schneller gehen. Seit Januar 2016 sind die Kassenärztlichen Vereinigungen bundesweit verpflichtet, gesetzlich Versicherten in dringenden Fällen einen Facharzt-Termin innerhalb von vier Wochen zu vermitteln. Wer eine Überweisung mit dem Vermerk „B“ für „dringend“ in den Händen hält und innerhalb von vier Wochen keinen Termin bekommt, kann sich an den Vermittlungsservice wenden.

Auch die Kassenärztliche Vereinigung in Sachsen (KVS) hat einen solchen Service eingerichtet. Der aber wird kaum genutzt, bestätigt KVS-Sprecher Ingo Mohn. Ob überhaupt und wie erfolgreich die kassenärztliche Terminvermittlung funktioniert, ist nicht bekannt. Die wenigen Patienten, die den Service bisher in Anspruch genommen haben, würden nicht unbedingt eine Rückmeldung abgeben, heißt es. Auch die Frage, wie lang Wartezeiten auf bestimmte fachärztliche Untersuchungen im Durchschnitt sind, kann bei der KVS nicht beantwortet werden.

Keine Beschwerden bei der AOK

Auch bei der AOK plus, Sachsens mitgliederstärkster Krankenkasse, liegen dazu keine Angaben vor. Man gehe aber davon aus, dass die Terminvergabe generell funktioniert, sagt AOK-Sprecherin Hannelore Strobel. „Uns liegen keine Beschwerden von Versicherten vor, dass sie keinen Zugang zu einem Facharzt erhalten, obwohl eine Überweisung vorliegt“, gibt sich die AOK zufrieden.

Auch bei der Kassenärztlichen Vereinigung sieht man keinen Grund zur Sorge.

Größere Probleme auf bestimmten Fachgebieten seien nicht bekannt, sagt Sprecher Ingo Mohn. Und falls doch, dann rät er, nicht nur bei einem bestimmten Arzt der Wahl, sondern in mehreren Praxen um einen Termin zu ersuchen – wenn möglich auch nicht am Telefon, sondern gleich persönlich mit der entsprechenden Überweisung in der Hand.

Landkreis gilt ausreichend versorgt

Dem Vorwurf, es gäbe in der Region generell zu wenige Fachärzte, widerspricht die KVS. Laut Gesetz ist die Anzahl der Niederlassungen in einem Einzugsgebiet auf die Einwohnerzahlen berechnet und begrenzt. Demnach gilt der Landkreis Bautzen mit Fachärzten als ausreichend versorgt. Nur eine halbe Augenarztstelle könnte im Moment noch besetzt werden. In allen anderen Bereichen würden weitere Fachärzte keine kassenärztliche Zulassung bekommen. „Wir müssen uns an die gesetzlichen Regelungen halten – ob uns das gefällt oder nicht“, sagt Ingo Mohn.

Dabei wird seit Jahren schon darüber diskutiert, inwieweit diese Zulassungsverordnung überhaupt noch zeitgemäß und mit den regionalen und demografischen Bedingungen vereinbar ist. Seit zehn Jahren geht in die Berechnungen ein sogenannter Demografie-Faktor ein, der den Altersdurchschnitt einer Region berücksichtigen soll. Aber selbst damit, muss Ingo Mohn zugeben, wird man dem tatsächlichen Bedarf nicht gerecht.

Bleibt unzufriedenen Patienten der Termin-Service der KVS. Demnach bekommen Ärzte übrigens ein höheres Honorar, wenn sie vermittelte Patienten schneller behandeln. (mit dpa)Auf ein Wort

Service-Telefon Terminvermittlung: 0341-23493733