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Das Landwarenhaus

Vom Baby bis zum Senior gibt’s in Viola Ritzes Laden in Großpostwitz für jeden was zum Anziehen. Dennoch ist es nicht leicht, Kunden anzuziehen.

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© Uwe Soeder

Von Madeleine Siegl-Mickisch

Großpostwitz. So schnell lässt sich Viola Ritze nicht unterkriegen. „Ich spüre jetzt wieder ein bisschen Aufwind“, sagt die Händlerin. Vor anderthalb, zwei Jahren habe sie schon mal daran gedacht, ihr Geschäft im Ortszentrum von Großpostwitz zu schließen. Da hatte sie auch eine schlimme Zeit hinter sich. Mehrfach hatten Ladendiebe zugeschlagen, Jacken und Shirts gleich im Dutzend gestohlen. Das sei jedes Mal ein herber Schlag gewesen. Der Fall im November 2014 war besonders hart: Viola Ritze rannte dem Dieb hinterher, wollte ihn stoppen, als er schon im Auto saß. Doch er hielt nicht an und hätte sie beinahe überfahren. Zum Glück wurde sie nur leicht verletzt.

Viel Angst und Ärger

Trotzdem saßen Angst und Ärger tief. Als Wochen nach dem Vorfall einmal zwei junge Männer ihren Laden betraten, sei sie furchtbar erschrocken, weil sie sich plötzlich an die Situation erinnert fühlte, in der der Dieb zugeschlagen hatte. Um weiteren Diebstählen vorzubeugen, stellt sie heute keine Waren mehr vor den Laden. Dabei gehöre das eigentlich dazu, um Kunden aufmerksam zu machen, sagt Viola Ritze.

Die Laufkundschaft fehlt

Trotzdem hat sie nach dem Tief nun wieder Mut gefasst – obwohl es auch ohne solch einschneidende Erlebnisse wie vor zwei Jahren nicht leicht ist, das Geschäft aufrechtzuerhalten. „Was mir vor allem fehlt, ist die Laufkundschaft“, sagt die 51-Jährige, die einst im Kuhstall in Schichten gearbeitet hat und erst durch eine Umschulung nach der Wende zum Einzelhandel kam. Als 1993 im früheren Textil-Konsum an der B 96 die Handelskette Minitextil eine Filiale eröffnete, fand sie auch gleich eine Stelle. „Der Laden wurde sehr gut angenommen“, erinnert sie sich.

Doch 2006 war Schluss, weil das Unternehmen in Konkurs ging. Sie habe damals selbst verschiedene Ketten angeschrieben, damit das Geschäft erhalten bleibt – vergeblich. Im April 2007 machte sie sich dann selbstständig. Kunden, Familie und Bekannte hätten ihr zugeraten. Weil das aber viel mehr Verantwortung bedeutet, als Filialleiterin zu sein, habe sie vor diesem Schritt schon „bisschen Bammel“ gehabt. „Und die ersten drei, vier Jahre waren auch schwer. Man kann sich so schnell verkalkulieren.“ Schließlich müsse sie die Sachen schon ein Jahr im Voraus ordern – ohne zu wissen, ob etwa der nächste Winter sehr kalt wird oder eher nicht.

Kunden schätzen Service

Andererseits könne man sich in einem kleinen Ort auch nicht nur auf eine Schiene spezialisieren, man müsse einfach für alle etwas bieten. Und so hängen Strampler genauso auf den Kleiderständern wie BHs, Pullover, Hosen und Anoraks. Auch Bettwäsche, Tischdecken und sogar Spielzeug gehören zum Sortiment. „Wie ein kleines Landwarenhaus“, beschreibt Viola Ritze ihren Laden.

Manche Kunden würden das schätzen und extra zu ihr kommen, weil sie hier in Ruhe und ohne Musikbeschallung, aber mit persönlicher Beratung einkaufen können. Andere kämen erst, nachdem sie schon bei großen Anbietern geschaut haben, und staunen, wenn sie das Gesuchte dann bei ihr finden. „Das Gute liegt so nah, das ist mein Motto“, sagt Viola Ritze. Sie erzählt von einem Berliner Ehepaar, das jedes Jahr in der Oberlausitz Urlaub macht und dann einmal bei ihr reinschaut. „Schön, dass es Sie noch gibt“, bekommt sie dann zu hören.

Das Zehnjährige im Blick

Viola Ritze würde es freuen, wenn sich die Leute wieder mehr auf die kleinen Geschäfte besinnen würden. Leider gebe es gerade in kleineren Orten schon kaum noch welche. Dabei würde mehr Handel das Geschäft beleben. Als vor Jahren der Penny-Markt zumachte, sei sofort ein Abbruch zu spüren gewesen, später ebenso durch den Wegfall der Schlecker-Drogerie. Wenn die Leute gezwungen seien, zum Einkaufen in andere Orte zu fahren, machten sie auch seltener an ihrem Laden Halt.

Sie habe heute zwar weniger, dafür aber treuere Kunden, stellt Viola Ritze fest. Denen bestellt sie auch mal etwas, was sie nicht im Sortiment hat. Optimistisch stimmt sie, dass wieder mehr Babysachen gekauft werden. Gewandelt habe sich dagegen das Weihnachtsgeschäft. „Das ging früher schon im Oktober los, aber jetzt ist davon noch nichts zu merken. Wahrscheinlich werden heute mehr Gutscheine und Geld verschenkt“, vermutet sie. Wie lange es mit dem Laden noch weitergeht, werde sie von Jahr zu Jahr entscheiden. Ihr Zehnjähriges als Selbstständige will sie aber im nächsten April auf alle Fälle noch feiern.