Merken

Das Ladensterben geht weiter

Studien und Zahlen bestätigen das, was jeder beobachten kann. Die Stadt Zittau und IHK versuchen, die Entwicklung zu stoppen.

Teilen
Folgen
© Bernd Gärtner

Von Mario Heinke

Matthias Hähnel hat seinen Laden in der Rosa-Luxemburg-Straße 13 ausgeräumt und zugeschlossen. Das Schild im Schaufenster verrät, dass ein Immobilienbüro einen Nachmieter sucht. Die lange Geschichte der Stempelfabrikation Zittau begann 1928 und ist nun ein für alle Mal zu Ende. Der Stempelmachermeister hat das traditionsreiche Handwerk aufgegeben. „Wachsende Konkurrenz aus dem Internet, ständig steigende Kosten und sinkende Umsätze ließen mir keine Wahl“, sagt Hähnel.

Ein längerer Krankenhausaufenthalt brachte das Fass zum Überlaufen und führte zur endgültigen Geschäftsaufgabe, weil Hähnel, der das Geschäft seit 1999 allein betrieb, in der Zeit gar keine Umsätze erzielen konnte.

Leerstand erhöht sich

Glaubt man den jüngsten Prognosen des Kölner Institutes für Handelsforschung (IFH) droht in den nächsten Jahren in Sachsen jedem zehnten Geschäft das Aus. Betroffen von dem Niedergang sind vor allem ländliche Regionen, Kleinstädte und Mittelzentren, wie Zittau eines ist. Die Forscher sprechen aus, was jeder aufmerksame Zittauer seit Jahren beobachten kann. Tatsächlich hält das Ladensterben an. Darüber können auch zahlreiche Neueröffnungen in den vergangenen Monaten im Zittauer Stadtzentrum nicht hinwegtäuschen. Gab es im März 2014 bereits 132 leer stehende Gewerbeeinheiten im historischen Stadtkern, erhöhte sich der Leerstand bis Juni 2015 auf 140, so die Zittauer Stadtentwicklungsgesellschaft.

Der Onlinehandel wächst indes weiter und trägt entscheidend dazu bei, dass die Umsätze im stationären Einzelhandel stag-nieren oder schrumpfen, das haben die Handelsforscher ausgemacht. Die Kauflust der Deutschen im Netz ist ungebrochen und ein Ende nicht in Sicht. Seit 2010 wächst der deutsche Online-Handel um mindestens vier Milliarden Euro pro Jahr. Das verschärft die Lage des stationären Einzelhandels zusätzlich. Die Händler versuchen zunehmend mit eigenen Onlineshops ein Stück vom Online-Kuchen abzubekommen.

Als sogenannte Multi-Channel-Händler, die ihre Sortimente sowohl stationär als auch online verkaufen, konnten sie mit einem Anteil von 30,7 Prozent an den Onlineumsätzen weiter leicht Boden gut machen. Glaubt man den jüngsten Prognosen der Kölner werden den Klein- und Mittelzentren in Sachsen durch die Onlinekonkurrenz bis 2020 noch 25 Prozent des Umsatzes verloren gehen. Zusammen mit der Entvölkerung des Landkreises verschärft das den Wettbewerb zwischen den Einkaufsstandorten weiter.

Städte wie Zittau und Görlitz könnten sich behaupten, wenn es gelingt, stärker auf die Kunden aus Polen und Tschechien einzugehen“, sagt Eberhard Lucas vom Sächsischen Handelsverband. Matthias Schwarzbach, Geschäftsstellenleiter der IHK in Zittau sieht das ebenso: „Wenn Umsätze, die durch den Onlinehandel wegfallen, kompensiert werden sollen, brauchen die Händler in Zittau das volle Einzugsgebiet über die Grenze hinaus.“

Innenstadt als Einkaufsstandort und Touristenziel

Er hat deshalb Ende Oktober fünf tschechische Medienvertreter aus Liberec eingeladen, die den ortsansässigen Gewerbetreibenden erklären werden, wie man im Nachbarland wirbt. In der Außendarstellung von Zittau müsse es zudem gelingen, Handel und Tourismus nicht länger als getrennte Welten zu betrachten, so Schwarzbach. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag habe sich jetzt mit dem „Digitalen Einfluss auf Innenstädte“ beschäftigt und kommt unter anderem zu dem Ergebnis, dass die Innenstadt als Einkaufsstandort und Touristenziel gleichermaßen an Bedeutung gewinnt und gemeinsam vermarktet werden müsse. Durch verstärkte Kooperationen mit innerstädtischen Akteuren versuchen Kammern, Verbände und Verwaltungen der Steigerung des Online-Umsatzes zulasten der Klein- und Mittelzentren entgegenzuwirken.

Fehlende Einkaufsangebote schmälern die Attraktivität des Standortes und halten potenzielle Kunden aus dem Einzugsgebiet davon ab, das Zentrum aufzusuchen. Das beschäftigt Zittaus Wirtschaftsförderin Gloria Heymann seit einigen Jahren. „Viele leer stehende Läden sind von ihrer Größe her nicht wirtschaftlich zu betreiben oder haben großen Sanierungsbedarf“, so die Wirtschaftsförderin. Die Sanierung des Marktplatzes sei ein wichtiger Schritt zur Belebung, denn nur wo die Menschen sich wohlfühlen, bummeln sie auch gern durch Geschäfte oder setzen sich in ein Café.

Mit der Organisation temporärer Höhepunkte könne Leben in die Stadt gebracht werden. „Gemeinsam mit der Werbegemeinschaft und anderen Vereinen arbeiten Kulturreferat, Wirtschaftsförderung und Stadtmarketing dabei Hand in Hand“, so Frau Heymann. Auch die Beteiligung am sachsenweiten Citywettbewerb „Ab in die Mitte“ bringt immer wieder neue Ideen zur Steigerung der Attraktivität der Innenstadt hervor.