Merken

Das kriegen wir schon wieder hin

Die Wegwerfgesellschaft hat das Reparieren verlernt. Das muss nicht sein. Bastel-Läden bieten Hilfe beim Tüfteln. Das ist billiger und macht sogar Spaß, wie ein Blick in eine Dresdner Werkstatt zeigt.

Teilen
Folgen
© kairospress

Madeleine Janssen

Das Schleifgeräusch des Rades gefällt Eyk Deutschmann nicht. Er zieht die Stirn in Falten und murmelt „Oh je“. Die von Reifen und Schlauch befreite Felge hängt im Zentrierstand. Eyk Deutschmann gibt ihr mit dem Finger einen Schubs, es schleift weiter. „Das heißt, dass das Rad nicht gerade ist“, sagt Deutschmann, der in der Dresdner Werkstatt „Radschlag“ beim Reparieren von Fahrrädern hilft. Deutschmann blickt prüfend auf den Zentrierstand und sagt: „Die Speichen haben nicht genügend Spannung, um die Felge gerade zu ziehen.“ Die Kundin, eine dunkelhaarige Enddreißigerin im orangefarbenen Rock, guckt ein wenig ratlos zu. Und doch ist sie entschlossen, ihr Rad selbst zu reparieren.

Deutschmann tritt nur an ihre Seite, wenn sie nicht mehr weiterweiß oder das passende Werkzeug nicht finden kann. „Das ist die Idee am ‚Radschlag‘“, sagt Deutschmann. „Die Leute bringen ihre Räder hier in die Werkstatt, um sie dann selbst zu reparieren.“ Dass das Fahrrad bei den steigenden Benzinpreisen in den vergangenen Jahren sehr beliebt geworden ist, merkt auch Deutschmann in seiner Werkstatt: „Der Andrang ist viel größer geworden. Wenn viel los ist, haben wir am Tag 50 bis 60 Kunden.“

Es gibt viele Gründe, warum Menschen ihre Sachen selbst reparieren. Manche stellen fest, dass sie noch nie einen Schlauch bei ihrem Fahrrad gewechselt haben und das gerne können würden. Andere wollen aus Neugier auch bei den komplizierteren Reparaturen mitmachen. Oder sie scheuen sich aus Kostengründen, das Rad zum Profi zu bringen, der in seiner Werkstatt im Hinterzimmer irgendetwas bastelt und drei Tage später 150 Euro dafür haben will. Und es gibt die Idealisten: kommerzkritische Tüftler, die den Kreislauf aus Kaufen und Wegwerfen nicht unterstützen wollen.

Selbermachen ist längst nicht mehr nur was für Omas. Das kann man schon eine ganze Weile auch in Straßenbahnen, auf Parkbänken und im Café beobachten: Stricken liegt wieder im Trend. Meistens sind es Frauen, die zur Nadel greifen und fast meditativ ihre Muster knoten. So entsteht quasi nebenbei eine neue Sockenkollektion für den Familien- und Bekanntenkreis. „Technik-Nerds konkurrieren heute mit Handarbeitsfreaks“, sagt Wolfgang M. Heckl. Der Direktor des Deutschen Museums in München hat vor Kurzem ein Buch mit dem Titel „Die Kultur der Reparatur“ geschrieben, in dem er sich über den neuen Trend freut: Menschen wollen wieder wissen, wie die Dinge funktionieren, und nein, der Toaster geht bestimmt noch, man müsste nur mal . . . Heckl ermuntert seine Leser, sich gegen die eingebaute Kurzlebigkeit heutiger Waschmaschinen, Computer und Fernseher zu wehren und sich von komplexer Technik erst mal nicht abschrecken zu lassen.

Die Geschichte über das Reparieren in heutigen Zeiten ist aber auch eine über das Scheitern. Den Bastlern und Tüftlern wird es nicht leicht gemacht: Mal ist das Material widerspenstig, mal gibt es für alte Geräte keine Ersatzteile mehr, mal ist die Reparatur so zeitaufwendig, dass man es doch bleiben lässt. Trotzdem wollen einige Menschen es zumindest versuchen – wie die Kundin in Deutschmanns Fahrradwerkstatt. Manche Tüftler reparieren ihre Sachen, weil sie sich über die Verschwendung ärgern. Anderen ist das Geld für ständige Neukäufe zu schade. Wieder andere wollen die globalen Technikproduzenten austricksen. Wenn Toaster, Fernseher oder Smartphone wieder laufen, freuen die Bastler sich wie ein Kind zu Weihnachten.

Mit seinem Plädoyer für das Engagement an der eigenen Werkbank legt sich Heckl bewusst mit der Industrie an, die gerade jetzt vor Weihnachten wieder auf ein gutes Geschäft hofft. Denn: Wer sich auf die vorprogrammierten Fehler der Geräte einlässt, kauft halt ein neues, wenn das Vorgängermodell kaputtgeht. Heckl weist auf das Verlangen hin, immer das Neueste und Modernste zu kaufen. Der Museumsdirektor schlägt da quer: Er fordert eine Art Haltbarkeitssiegel für Elektrogeräte. Seine Hoffnung: Am Ende verkauft sich nicht das schickste Handy am besten, sondern das haltbarste. Den Titel hält es dann, wenn nicht nur die äußere Hülle bruchsicher ist, sondern auch die Software sich immer auf den neuesten Stand bringen lässt – und nicht schon nach zwei Jahren kaum noch Updates möglich sind.

Davon sind die Hersteller weit entfernt. Schließlich würden sie damit nicht gerade mehr Telefone verkaufen. Gleichzeitig kreieren sie zusätzliche Herausforderungen für die reparaturwilligen Smartphone-, Computer- und Tabletbesitzer, indem sie die Geräte verkleben und verschweißen, statt sie mit Schrauben zu fixieren. In Dresden hat sich die „my phone factory“ auf die Rettung defekter Smartphones spezialisiert. „Meistens ist die Scheibe kaputt. Das Telefon fliegt mal aus dem Fenster oder bei der Wanderung vom Felsen, das haben wir alles schon gehabt“, sagt der Techniker Jan Huber. Gerade die gängigsten Modelle, das Samsung S3 und das iPhone 4, seien besonders schwer zu reparieren. Die Ersatzteile bezieht die „Factory“ über die jeweiligen Hersteller. Gerüchte, das Material sei schwierig zu bekommen, kann Huber nicht bestätigen.

Wer beim Anblick seines verschweißten Smartphones oder des hochmodernen Kaffeevollautomaten noch nicht aufgegeben hat und die Geräte selbst wieder fit machen möchte, findet in Repair Cafés Unterstützung. Seit die Idee zu solchen gemütlichen Bastelwerkstätten 2009 in Amsterdam aufkam, haben auch in den meisten deutschen Großstädten Repair Cafés aufgemacht. So auch in Dresden-Löbtau. Alte Sofas und Sessel säumen den Raum, es duftet nach Kaffee und Keksen, überall haben Hobbybastler ihre aktuellen Reparaturprojekte aufgebaut.

Auf einem Tisch steht ein angestaubter schwarzer CD-Player, daneben hat Steffen Herrmann Wattestäbchen und Brennspiritus platziert. „Die Linsen des CD-Players verstauben nach ein paar Jahren“, sagt er, „dann fangen die CDs an zu springen.“ Mit einem Wattestäbchen tupft er vorsichtig auf der Linse herum: „Da ist viel Staub drauf, unwahrscheinlich, dass der wieder geht“, sagt er. Vom anderen Ende des Tisches blickt Silke Pohl hinüber: „Du musst das nur aussitzen, Steffen, irgendwann gibt es eh keine CD-Player mehr.“ Die 36-Jährige gehört zu den Organisatoren des Repair Cafés – dennoch ist sie pessimistisch und hält das Tüfteln für ein Randphänomen: „Wenn man vom Repair Café erzählt, kriegt man enorm hohe Zustimmung von Leuten – die am nächsten Tag doch wieder ein neues Smartphone kaufen.“