Meißen
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Das Kornhaus als Testballon

Die italienischen Besitzer verwirren mit Verkaufsanzeigen. Gegen einen der Eigentümer gibt es Betrugsvorwürfe.

Von Peter Anderson
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© Claudia Hübschmann

Meißen. Ein Filetstück von Meißen ist wieder auf dem Markt. Für 3,5 Millionen Euro wird auf der Plattform Immobilienscout24.de das mittelalterliche Kornhaus in Nachbarschaft der Albrechtsburg angeboten. Bislang wurde in der Stadt davon ausgegangen, dass die von vier italienischen Gesellschaftern 2009 gegründete Eigentümergesellschaft Venere Immobilien GmbH das Kornhaus zum Hotel ausbauen wolle und nach einem Betreiber sowie einer Bank suche. Die Baupläne hat der Meißner Architekt Knut Hauswald in der Schublade liegen. Sämtliche Medien von Strom, über Trinkwasser bis hin zum Abwasser sind erneuert. Doch möglicherweise haben sich die Hotel-Pläne nun zerschlagen.

Bilder aus dem Inneren deuten an, dass der bei Immobilienscout aktive Anbieter Remax Classic Berlin anscheinend einen Zugang zu dem sonst verschlossenen Gebäude erhielt. In der Anzeige heißt es: „Im exklusiven Alleinauftrag bieten wir Ihnen ein außergewöhnliches Gewerbeobjekt .... Ihren Ideen werden hier keine Grenzen gesetzt.“ Egal, ob Hotel, Gastronomie oder die Verwirklichung einer anderen Konzeption – die Stadt Meißen freue sich über neue gewerbliche Bewohner in der denkmalgeschützten Immobilie, ist weiter zu lesen.

Immobilien-Spezialisten gehen davon aus, dass es sich bei der Annonce um einen Testballon handelt. Die Besitzer wollten vermutlich herausfinden, ob sich ernst zu nehmende Kaufinteressenten melden. Für diese These spricht, dass das Denkmal Ende November 2016 beim gleichen Anbieter für eine Kaufsumme von fünf Millionen Euro auftauchte. Bereits im November 2012 hatte es ein Münchner Makler offeriert, damals für 3,2 Millionen Euro.

Wirtschaftsgebäude, Porzellan-Manufaktur und Mietshaus

Erbaut wurde das Wirtschaftsgebäude ursprünglich um das Jahr 1470. Es entstand somit in der gleichen Phase wie die Albrechtsburg unter Baumeister Arnold von Westfalen.

Als August der Starke das damals leerstehende Schlossensemble für die erste Porzellan-Manufaktur in Europa nutzte, erhielt auch das Kornhaus verschiedene Funktionen innerhalb der Porzellanproduktion. Erst 153 Jahre später wurde die Burg von einer Fabrik wieder zu einem Teil des Repräsentationsbaus.

Das Kornhaus wurde dabei im neogotischen Stil überformt. Bis heute stellt es daher einen Stilmischmasch aus teils im Original erhaltenen Schmuck- und Bauelementen aus Sandstein sowie den verschiedenen Einbauten dar, die rund um das Jahr 1880 hinzukamen.

Eine Besonderheit sind die spitz auslaufenden Kreuzgratgewölbe, welche auf schmalen Pfeilern ruhen und den einstigen Pferdestall zieren.

Bis Ende des 20. Jahrhunderts diente das Kornhaus dann aufgrund der Wohnungsnot in der DDR als Mietshaus, was erneut zu diversen Um- und Einbauten führte, welche die Mieter teilweise in Eigenregie vornahmen.

Ob die Hotelpläne für die Immobilie angesichts zurückgehender Besucherzahlen im Elbland realistisch sind, bleibt abzuwarten. Hinzu kommt, dass der Burgkeller bereits mit Kerstinghaus und eigenem Spa erheblich investiert und aufgrund dessen vier Dehoga-Sterne errungen hat.

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Alle in diesen drei Angeboten genannten Preise liegen weit über dem, was die Meißner Stadtentwicklungsgesellschaft Seeg vor mehr als zehn Jahren für das historische Bauwerk verlangte. Damals sprachen Oberbürgermeister Olaf Raschke (parteilos) und Vertreter der Seeg von einer halben Million Euro. Trotz der Bedeutung der Immobilie für die Stadtentwicklung sah der anschließend abgeschlossene Vertrag keine Rückkaufklausel vor.

Mit den engsten Kontakt zu den Besitzern des Kornhauses hat derzeit die Domplatz-Anwohnerin Jeanette Mahlow. Einer der Gesellschafter, Dr. Stefano Bersani, zeige ein gesteigertes Interesse, die Immobilie zu entwickeln, sagt die Mitarbeiterin eines großen Planungsbüros. Dazu gehöre auch, das mit seinen Wurzeln bis ins 15. Jahrhundert zurückgehende neogotische Gebäude für Veranstaltungen zu öffnen. Ob Bersani oder einer seiner Geschäftsfreunde die Anzeige bei Immobilienscout24.de geschaltet hat, kann allerdings auch Jeanette Mahlow nicht sagen. Sie wünscht sich, dass das Denkmal schnell eine sichere und positive Zukunft erhält.

Die Spur führt nach Neapel

Unterdessen tauchen Fragen auf, was die Seriosität mindestens eines Gesellschafters der Venere Immobilien GmbH betrifft. Konkret geht es um den neapolitanischen Bauunternehmer Michele Panico. Einem Bericht des italienischen Nachrichtenportals La Repubblica.it vom März 2015 zufolge wird gegen ihn und 13 weitere Verdächtige wegen Steuerbetruges in Höhe von mehreren Millionen Euro ermittelt. Im Fokus steht dabei laut La Repubblica die Firma Italcost, mit deren Hilfe Michele Panico beim Bau eines 2004 eröffneten Ikea-Einkaufszentrums falsche Rechnungen ausgestellt haben soll. Wie das in Neapel beheimatete Nachrichtenportal Il Mattino ebenfalls im März 2015 schreibt, wird Michele Panico vorgeworfen, das auf diese Weise verdiente Geld in Immobilien, Wertpapiere und Antiquitäten investiert zu haben.

Unklar ist, ob auch Michele Panicos Sohn Mario in den Fall verwickelt sein könnte. Er gehört laut der SZ vorliegenden Unterlagen vom 22. Juni 2016 zu den vier italienischen Gesellschaftern der Kornhaus-Gesellschaft Venere. Der Name Mario Panico wird in italienischen Medien ebenfalls im Zusammenhang mit dem millionenschweren Steuerbetrug erwähnt. Fraglich bleibt jedoch, ob beide Personen identisch sind. Von einem Gerichtsverfahren in dem Betrugsfall sind bislang keine Nachrichten in italienischen Medien zu finden. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Ermittlungen andauern. Für komplexe Wirtschaftsverfahren wäre dies durchaus nicht ungewöhnlich.

Die SZ fragte zu den Vorwürfen am Dienstagvormittag per Mail beim Geschäftsführer der Venere an, dem in Innsbruck arbeitenden italienischen Rechtsanwalt Dr. Cesare Geat. Von ihm wollte die Meißner Redaktion wissen, welche Absichten das Unternehmen aktuell mit dem Kornhaus verfolgt, ob es verkauft werden soll oder die Pläne zum Ausbau als Hotel bestehen bleiben. Die SZ interessierte darüber hinaus, ob Michele und Mario Panico weiterhin zu den Gesellschaftern der Venere zählen und wie die Gesellschaft zu den Ermittlungen gegen Michele Panico und womöglich einen zweiten Gesellschafter steht. Bis zum Redaktionsschluss am Mittwoch, 17.30 Uhr, lagen dazu keine schriftlichen Antworten von Dr. Geat vor. Auch eine Mail an das Unternehmen Remax Classic Berlin zu den Urhebern der Immobilienscout-Anzeige blieb ohne Resonanz.

Nach Angaben des Meißner Rathauses vom Mittwoch ist die Baugenehmigung für das Hotelprojekt Kornhaus bereits im August 2013 abgelaufen und wurde nicht erneuert. In den vergangenen beiden Jahren habe es „keinen direkten Kontakt zu den Eigentümern“ gegeben. Das Haus sei gesichert, die Gebäudehülle intakt. Der stellvertretenden Pressesprecherin des Landeskriminalamtes Sachsen Kathleen Zink zufolge liegen der Behörde keine Informationen über die Gesellschafter Michele und Mario Panico der Kornhaus-Gesellschaft Venere vor.