Merken

Das knallt

Mehr Lärm und Steinschläge: Bernstadt ist sauer über die neue Splittdecke der S 129. Der Kreis hält dagegen.

Teilen
Folgen
© Bernd Gärtner

Von Susanne Sodan

Egal auf welcher Seite des Tisches die Stadträte sitzen, egal welcher Fraktion und welchem Ortsteil sie angehören – dieses Schimpfen ist mal einhellig. Grund für den Ärger: Mit dem neuen Belag auf der S 129, der Ortsdurchfahrt von Kemnitz, kann sich keiner anfreunden. Im August war die Straßenmeisterei angerückt, hatte den alten Belag ganz leicht abgefräst, anschließend eine Bitumenemulsion und Edelsplitt aufgebracht. Die Aufregung darüber hält bis heute an.

Erstens herrscht Unverständnis, warum das „Straßen-Peeling“ ausgerechnet auf dieser Strecke – reichlich zwei Kilometer – angewandt wurde. Es gebe andere Bereiche der Straße, die eher eine Überarbeitung gebraucht hätten. Zum Beispiel in Bernstädter Richtung beim Gasthaus Lindl. Zweitens gebe es Beschwerden von Kemnitzer Anwohnern, durch die rauere Oberfläche der Straße sei auch der Lautstärkepegel gestiegen. Drittens habe sich durch losen Splitt schon so manches Auto einen Steinschlag im Lack eingefangen. „Ich habe auch schon ein paar Steinschläge im Auto“, sagte Bernstadts Bürgermeister Markus Weise (Kemnitzer Liste) im Stadtrat.

Thomas Birke ist Kemnitzer, Inhaber der Total-Tankstelle in Löbau und großer Autofreund. Privat fährt er einen Mercedes-Youngtimer. „Ich bin sehr vorsichtig gefahren, als die Straße bearbeitet wurde“, erzählt Thomas Birke. „Die Schweller unten am Auto sehen mittlerweile trotzdem aus, als wären sie sandgestrahlt.“ Im August, direkt nach dem „Straßen-Peeling“, lag noch viel loser Splitt auf der Fahrbahn. Der ist inzwischen größtenteils weggekehrt worden. „Gerade in diesem Zwischenzeitraum, als der Splitt noch lag, sind viele Schäden entstanden“, sagt Bernstadts Bauamtsleiter Marko Fröhlich. Thomas Birke umgeht, wenn möglich, bis heute die Splittstrecke, wenn er mit seinem Mercedes unterwegs ist. „Da nehme ich lieber den Umweg über Sohland in Kauf“, sagt er. Er wundert sich darüber, warum gerade dieses Verfahren angewandt wurde. „Soweit mir bekannt ist, wird das in erster Linie zu Reparaturzwecken auf kurzen Abschnitten genutzt.“

Der Landkreis aber steht zu seiner Maßnahme. Die Art der Instandsetzung sei aus mehreren Gründen sinnvoll gewesen für die Staatsstraße 129, teilt Landkreis-Sprecherin Julia Bjar mit. Vorab seien Schäden auf der Strecke festgestellt worden: Offenporigkeit, dünnere Stellen und einige Risse in der Asphaltdeckschicht, leichte Unebenheiten. Weil aber auf der anderen Seite zum Beispiel die Tragfähigkeit des Oberbaus noch gut vorhanden ist, sei die Straße prädestiniert für diese Art der Instandsetzung, teilt Julia Bjar mit. Die Methode sei ein seit Jahrzehnten anerkanntes Verfahren. Eines, um leichtere Schäden in den Griff zu bekommen, bevor sie größer werden. In der Tat führe die Aufrauung der Oberfläche zunächst zu etwas höheren Abrollgeräuschen, „die jedoch nicht als unzumutbar einzuschätzen sind“, heißt es von Landkreis-Seite. Außerdem werden sich die Geräusche in Laufe der kommenden Monate verringern, erklärt Julia Bjar.

Allgemein ist für eine Staatsstraße der Freistaat und damit das Landesamt für Straßenbau und Verkehr (Lasuv) zuständig. Der Landkreis Görlitz hat aber eine Unterhaltungs- und Instandsetzungspflicht, erklärt Frau Bjar. Darum ging es in erster Linie bei der S 129-Maßnahme im August: Denn wäre im Winter Wasser in die ersten Schadstellen der Straße eingedrungen, wäre es durch Frost zu stärkeren Schäden gekommen – dann wäre die Lärmbelästigung am Ende deutlich höher, erklärt Julia Bjar. Rund 125 000 Euro aus Landesmitteln hat die August-Maßnahme gekostet.

Der Stadt Bernstadt wäre ein anderes Vorgehen lieber gewesen: Geld zur Seite legen, bis genügend da ist für eine grundlegende Sanierung der S 129 in Kemnitz. Im Stadtrat stellte Dirk Neumann (Kemnitzer Liste) die Frage: Es wurde doch Asphalt abgefräst, warum konnte man nicht gleich eine übliche neue Asphaltschicht aufbringen? So einfach wäre das nicht möglich gewesen, sagt Marco Fröhlich. „Da hätte man deutlich tiefer abfräsen müssen“, erklärt er. Dann hätte man mindestens die Deckschicht wieder aufbauen, Zufahrten an neue Höhen angleichen müssen – ein Vorgehen, wie es in den vergangenen Wochen in Altbernsdorf zu beobachten war.

Ändern lässt sich jetzt nichts mehr an der Sache. Zwei Sorgen treiben Marko Fröhlich dennoch um: dass in Kemnitz nach dieser Präventiv-Maßnahme nun vielleicht über Jahre nichts mehr passiert auf den Straßen. Zumindest keine Sanierung. Die zweite Sorge: dass die Maschinen mit Fräse und Edelsplitt womöglich noch einmal wiederkommen – für den zweiten Teil der S 129 in Kemnitz, „Über eine Fortführung des Verfahrens wird im Frühjahr 2018 entschieden“, teilt Julia Bjar mit.

In Kemnitz war das „Straßen-Peeling“ neu. In der Nachbargemeinde Rosenbach hat man damit schon Erfahrung. In der Vergangenheit ist das Verfahren bereits an verschiedenen Stellen angewandt worden. Wahre Begeisterung dafür kann aber auch der dortige Bürgermeister Roland Höhne (CDU) nicht aufbringen. „Aber wir sind es fast schon gewöhnt.“ Den Schock für die Kemnitzer kann er nachvollziehen. „Die Kemnitzer Straße hatte einen deutlich besseren Zustand als zum Beispiel unsere Dorfstraße.“ Das ist die S 143, für die sich Höhne auch eine Sanierung wünschen würde. „Was mich aber diesmal wirklich geärgert hat, ist, dass es dieses Jahr null Informationen vor dieser Maßnahme gab.“