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Das Jugendklub-Sterben

Mit dem Grumbacher Haus verschwindet wieder ein Domizil. Scheitern die Teenager an der Selbstverwaltung?

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© Andreas Weihs

Von Annett Heyse

Wilsdruff. Gerade einmal zwei Jahre ist es her, dass Grumbachs Jugend noch mal richtig durchstartete. Im Klub an der Wilsdruffer Straße wurden die Bar neu gezimmert, die Wände gemalert, die Küche neu eingerichtet. Ganz optimistisch waren die damals 16- bis 20-Jährigen, Schwung in den Laden zu bringen. Man dachte an Discos, Party, gute Laune. Aus und vorbei. Das Klubgebäude, das der Stadt Wilsdruff gehört, wird demnächst abgerissen. Ein entsprechender Auftrag ist schon vergeben.

Damit verschwindet wieder ein Jugendhaus von der Landkarte. Gerade in Wilsdruff – mittlerweile rund 14 000 Einwohner, Tendenz steigend – ist der Abwärtstrend auffallend. Noch vor zehn Jahren gab es hier in fast jedem Ortsteil einen Jugendklub. Mitunter waren dies nur kleine Räume in einem Dorfgemeinschaftshaus. Aber die Klubs hatten trotzdem ihr Publikum. Man traf sich, schwatze, hörte laut Musik, grillte, konnte ungestört Rauchen, Alkohol trinken und Partys feiern – was man halt als Teenager so macht, wenn die Eltern nicht hingucken.

Ist der Grumbacher Klub erst abgerissen, bleibt davon nicht mehr viel übrig. Nur die Mohorner sind dann neben dem Klub in Kesselsdorf und dem in Kaufbach noch aktiv. Der Jugendklub in Wilsdruff – seit Jahren dicht. In Herzogswalde – seit Langem keine Aktivität mehr. In Limbach – längst eingeschlafen. In Kleinopitz – schon vor Monaten verlassen. Ganz typisch nennt Ronny Wenzel diese Entwicklung. Wenzel arbeitet bei Pro Jugend in Dippoldiswalde. Die Mitarbeiter des Vereins engagieren sich in der mobilen Jugendarbeit und unterstützen auch die kleinen Klubs. „Aber ganz vielen fehlt es an Nachwuchs“, nennt Wenzel einen Grund für das Dahinschwinden der Szene. Die größeren Teenager, also junge Männer und Frauen über 18, hätten doch kaum noch Zeit, sich die Leitung eines solchen Hauses auf den Tisch zu ziehen oder Veranstaltungen zu organisieren.

Denn die Klubs in den Dörfern und Kleinstädten sind sich weitestgehend selbst überlassen. Die Kommunen helfen maximal mit Zuschüssen zu Betriebskosten – in Wilsdruff sind das 10 000 Euro im Jahr – oder notwendigen Reparaturarbeiten. „Den Rest müssen die jungen Leute selbst in die Hand nehmen“, sagt Wenzel. Und das ausgerechnet in einer Lebensphase, in der für viele ein entscheidender Umbruch ansteht. Also dann, wenn es um Lehre, Studium, Beruf geht und bei manchem schon um Familie. So war es auch in Grumbach. Als sich die Grumbacher Anfang 2014 entschlossen, das Klubleben nach einer längeren Durststrecke wiederzubeleben, fand sich ein Kern von etwa zehn Leuten zusammen, die erst einmal renovierten. Das Budget – rund 800 Euro – besorgte Pro Jugend. Die Arbeit mussten die Schüler, Studenten und Lehrlinge selbst stemmen. Sie packten in und ums Haus herum an. Doch nach wenigen Monaten ging ihnen die Puste aus. Abitur, Ausbildung, eine neue Liebe, andere Hobbys und Interessen – die Gründe ähneln sich in vielen Klubs. Und sobald eine Stammbesetzung zerfalle, berichtet Wenzel, seien die Häuser schnell geschlossen.

Dass die Jugend dennoch solche Anlaufpunkte braucht, zeigt ein anderes Wilsdruffer Beispiel. In der Nossener Straße betreibt die Stiftung Leben und Arbeit einen Schüler- und Teenagertreff. Hier gibt es nicht nur warme Räume und bequeme Sofas, sondern auch Freizeitangebote, Projekte, Ferienbetreuung. Die Schüler können wochentags ab 11.30 Uhr kommen, ständig vor Ort sind Sozialpädagogen oder auch Studenten. Sie achten darauf, dass nichts aus dem Ruder läuft und halten organisatorisch sowie finanziell die Fäden in den Händen. Zudem bietet die Stiftung zweimal in der Woche einen Teenagertreff in denselben Räumen an – freitags auch bis 22 Uhr. „Damit fangen wir die unter-18-Jährigen auf“, sagt Sozialpädagogin Beate Sommer.

Aber der Sprung von da in die Selbstverwaltung eines kleinen Klubs für das Ü18-Publikum sei schon recht groß. „Organisation, Finanzen und dann auch noch die Verantwortung für alles, was im Klub passiert – wer will das ehrenamtlich machen?“, fragt Sommer. Wohl auch deshalb hat sich das Wilsdruffer Jugendleben verlagert – entweder gleich nach Dresden oder in geleitete Einrichtungen.

Das Modell ist so neu nicht. Schon vor der Wende wurden Jugendklubs von fest angestelltem Personal geführt. Das mag neben den sozialpädagogischen auch politische Hintergründe gehabt haben. Doch die Klubs waren beliebt und funktionierten. Mancher Jugendklub hat die Wende überlebt, allerdings meist nur in den größeren Städten und unter kompetenter Leitung. Pro-Jugend-Mann Wenzel: „Dort, wo freie Träger oder Vereine die Klubs leiten, funktionieren diese ganz gut, wie zum Beispiel in Reichstädt.“ Der Grumbacher Klub hatte in den vergangenen 25 Jahren nie solche Bedingungen. Und so kommt demnächst der Abrissbagger. Die Kosten liegen bei 29 000 Euro.