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„Das ist wie auf der Autobahn“

Die Bewohner der Curiesiedlung in Kamenz sind genervt. Viele Autofahrer nutzen das Wohngebiet, um die Baustelle zu umfahren. Einige nehmen keine Rücksicht.

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© Matthias Schumann

Von Nicole Preuß

Familie Volland kann jetzt im Urlaub schon fast die Uhr danach stellen. Halb sechs beginnt der Verkehrslärm vor ihrem Haus in der Joliot-Curie-Siedlung in Kamenz, mittags wird es dann für ein paar Stunden ruhiger und nachmittags gegen halb vier geht es dann wieder los. Autos, Motorräder, Busse und sogar Laster schieben sich dann durch das Wohngebiet. „Das ist dann wie auf der Autobahn“, sagt Steffen Volland überspitzt.

Die Pendler nutzen das Wohngebiet, um die Baustelle auf der Königsbrücker Straße zu umfahren. Die wichtige Einfallsstraße am Hutberg in die Stadt ist schon seit einigen Wochen voll gesperrt, weil die Leitungen und die Straßendecke erneuert werden. Ende Oktober soll die Königsbrücker erst wieder freigegeben werden und bis dahin führt die offizielle Umleitung weiter über Bernsdorf. Es ist deshalb kein Wunder, dass sich viele ortskundige Pendler kürzere Strecke suchen. Eine davon ist die Curie-Siedlung. Dabei sind die Straßen dort nur für Anlieger freigegeben.

Dazu kommt: Viele Autofahrer sind nach der Beobachtung der Anwohner zu schnell unterwegs. Die Siedlung ist eine Tempo-30-Zone. Die Autofahrer müssten deshalb auch die Vorfahrtsregel „rechts-vor-links“ beachten. Doch darauf will sich im Viertel niemand mehr verlassen. „Die Nachbarn trauen sich schon gar nicht mehr so richtig, aus der schmalen Straße zu fahren, weil sie nie wissen und durch die Kurve auch schwer sehen können, ob nicht doch einer von links kommt, der nicht anhält“, sagt Anja Volland.

Irgendwann passiert mal was

Die Söhne der Familie, neun und sechs Jahre alt, spielen mit den anderen Kindern der Siedlung auch gern mal auf dem öffentlichen Spielplatz an der Straße. „Doch da haben auch schon Bremsen gequietscht, weil plötzlich ein Ball auf die Straße gerollt ist“, sagt Anja Volland. „Irgendwann passiert hier mal was und so weit soll es lieber nicht kommen.“

Die Polizei könnte kontrollieren, ob auch wirklich nur Anlieger die Wege nutzen. Doch das ist nicht so einfach. Denn der Anliegerbegriff ist weit dehnbar. Anlieger sind nicht nur die Anwohner, sondern auch alle, die irgendetwas in der Siedlung zu tun haben. Mancher angehaltene Autofahrer ist da im Ausredenerfinden auch recht erfinderisch. „Kontrollen der Missachtung und vor allem deren Ahndung sind schwierig“, sagt Siegmar Günther aus dem Kamenzer Polizeirevier daher. Dazu kommt, dass zurzeit auch drei Linien des Busverkehrs über die Curie-Siedlung umgeleitet werden. Da fällt es schwer, den Pendlern zu erklären, warum gerade sie nicht durch das Wohngebiet fahren dürfen.

Anwohner in Liebenau klagen auch

Die Alternativen der Autofahrer sind zudem rar. Die lange Umleitung über Bernsdorf ist für viele kein Thema und die Verbindung über Liebenau mit dem unübersichtlichen Bahntunnel wird zurzeit auch schon sehr intensiv genutzt. „Die Anwohner von Bernbruch und Liebenau beklagen ebenfalls die Erhöhung der Verkehrsdichte durch den Umleitungsverkehr“, sagt Siegmar Günther von der Polizei.

Das Tempo haben die Behörden dank der Hinweise der Anwohner zumindest in der Curiesiedlung im Blick. Die Stadt hat das Landratsamt gebeten, regelmäßig zu kontrollieren und tatsächlich blitzte die Behörde erst am Mittwochmorgen zwischen 5.55 Uhr und 9.25 Uhr. 89 Fahrzeuge erfasste das Gerät in dieser Zeit, viele kamen in der sogenannten Rushhour. Und jedes fünfte Fahrzeug war zu schnell. „Der schnellste Fahrzeugführer fuhr 55 Kilometer pro Stunde. Alle anderen waren im Verwarnungsbereich“, hat Stadtsprecher Thomas Käppler recherchiert.

Über Schwellen nachgedacht

Die Situation war in der Siedlung schon immer schwierig, auch nach der Aufstellung der Anliegerschilder vor sieben Jahren. 52 Anwohner unterschrieben erst im vergangenen Jahr eine Petition, um den Durchgangsverkehr endgültig zu verbannen. Das sind im Prinzip alle Familien, die an der Straße im Wohngebiet wohnen. Die Stadt dachte bereits über Schwellen nach, die in die Straße eingebaut werden könnten. Doch die bringen auch Probleme mit sich. So kann es sein, dass zwischen den Schwellen trotzdem gerast wird.

Die Stadt ist der Auffassung, dass Geschwindigkeitskontrollen die beste Möglichkeit sind, um die Situation zu verbessern. Den Anwohnern reicht das nicht. Sie wollen, dass deutlich weniger Autos durch das Wohngebiet fahren, und verweisen auf die Möglichkeit, „Anwohner frei“-Schilder aufzustellen. Das ließe sich besser kontrollieren. Eine gute Variante für den Anfang wäre aber erst einmal ein Schild, das auf den Spielplatz hinweist. „Ob es was bringt, wird man sehen“, sagt Anja Volland.