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„Das ist schlicht Betrug am Kunden“

In vielen Lidl-Filialen gibt es jetzt statt Bäckerbrot Ware vom Discounter. Ein Fachmann sagt, warum er das für falsch hält.

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© Uwe Soeder

Von Jana Ulbrich

Frühmorgens beim Discounter Lidl: Es duftet verführerisch nach frisch Gebackenem. In allen 13 Lidl-Filialen im Kreis Bautzen gibt es inzwischen auch die eigene Backwarenabteilung – in fünf Filialen dafür keinen eingemieteten Bäcker mehr. Aber was ist wirklich dran am „frisch“ Gebackenen? Und vor allem: Was ist drin? Die SZ hat ein Roggenmischbrot gekauft und einen Fachmann gefragt. Das Urteil von André Bernatzky (41), dem Schulleiter der Akademie Deutsches Bäckerhandwerk in Dresden, fällt eindeutig aus.

Herr Bernatzky, woran erkennt man ein gutes Brot?

Ein gutes Brot braucht zuerst mal nicht mehr als vier Zutaten: Mehl, am besten aus der Region, Wasser, Salz und eventuell Hefe. Jeder gute Bäcker macht Natursauerteig. Ein gutes Brot braucht Zeit. Der Teig muss reifen. Nur so bildet sich der Geschmack. Das ist wie beim guten Käse oder Wein.

Bäcker oder Discounter - der Vergleich

Roggenmischbrot Lidl

Preis: 1,89 Euro/Kilo.

Das ist drin: Natursauerteig (Wasser, Roggenmehl), Roggenmehl, Weizenmehl, Wasser, Salz, Hefe, Verdickungsmittel: Guarkernmehl, Emulgator: Mono- und Diglyceride von Speisefetten, Weizenquellmehl, Säureregulator: Natriumacetate.

Das Urteil des Prüfers: Zu flach, nicht ganz durchgebacken, ein bisschen säuerlich, zu salzig: kein gutes Handwerk.

Roggenmischbrot Bäckerei Rieß

Preis: 2,70 Euro/Kilo

Das ist drin: Natursauerteig (60Prozent Roggenmehl, 40Prozent Weizenmehl, Wasser, Salz, Hefe)

Das Urteil des Prüfers: Das Brot sieht gut aus. Es riecht gut. Die Krume ist feinporig und elastisch. Die Kruste ist genau richtig – nicht zu dick und nicht zu dünn. Das Brot lässt sich gut kauen, es hat einen milden Charakter und ist geschmacklich ausgewogen: ein perfektes Handwerksbrot.

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Das frisch gebackene Roggenmischbrot aus dem Lidl-Regal besteht auch aus Natursauerteig. So steht es jedenfalls auf der Zutatenliste.

Aber sehen Sie sich die Zutatenliste mal genauer an. Und woher kommt denn der Teig? Und was heißt frisch gebacken? Die halbfertigen Teiglinge werden doch in den Filialen nur aufgebacken.

Laut Lidl-Pressestelle kommen die Zutaten von verschiedenen Lieferanten aus Deutschland, zum Teil auch aus Frankreich, Österreich, den Niederlanden und Belgien. Die Backwaren werden tiefgekühlt zu den Logistikzentren gebracht und von dort aus dann weiter an die Filialen geliefert.

Für mich hat das nichts mehr mit „frisch gebacken“ zu tun. Und was das für ein ungeheurer Energieaufwand ist: backen, einfrieren, über Hunderte Kilometer transportieren, gefroren halten, aufbacken. Da lob ich mir doch den Bäcker, der das Mehl aus der Region nimmt, einen Teig knetet, den Teig in den Ofen schiebt und das fertige Brot direkt in den Laden bringt. Das braucht dann auch keine Zusatzstoffe.

Warum braucht sie das Discounterbrot?

Das Verdickungsmittel hat den Effekt, dass der Teig fester wird und dadurch besser durch die Produktionsanlage laufen kann. Die Emulgatoren verhindern, dass der Teig an der Maschine klebt und nach dem Backen locker ist. Sie ersetzen sozusagen die Zeit, die der Handwerksmeister seinem Teig gibt. Das macht das Produkt am Ende auch billiger.

Und der Säureregulator?

Der ärgert mich am meisten. Der sorgt für längere Haltbarkeit, zählt aber nicht unter die Konservierungsstoffe. In der Werbung steht dann: Ohne Konservierungsstoffe. Das ist schlicht Betrug am Kunden.

Vielen Kunden schmeckt es trotzdem.

Naja, es schmeckt ja auch immer gleich. Beim Handwerksbrot ist das anders. Da hat jeder sein individuelles Händchen. Unterschiedliche Temperaturen, unterschiedliche Reifezeiten, unterschiedliches Mehl, eine unterschiedliche Art zu backen – das bringt immer andere Aromen. Im Brotregister der Deutschen Handwerksbäcker werden aktuell über 3 200 verschiedene Brotsorten geführt. Das ist Weltrekord!

Aber der Preis beim Discounter ist gegenüber einem Bäckerbrot doch unschlagbar – im Durchschnitt um ein Drittel niedriger.

Ja, das funktioniert natürlich bei diesen Mengen und diesem maschinellen Produktionsprozess. Ein Bäckermeister vor Ort kann da mit seiner Kalkulation nicht mithalten. Das industriell hergestellte Brot hat in unserer Region inzwischen einen Marktanteil von über 50 Prozent. Das ist aber nicht nur dem Preis geschuldet. Es ist eben auch einfach bequem: Wenn man einmal im Supermarkt ist, nimmt man auch gleich noch das Brot mit und spart sich den Extra-Weg zum Bäcker. So denken leider viele Kunden. Ich werbe hingegen für das einheimische Bäckerbrot.

Warum?

Weil es tatsächlich frisch gebacken ist mit allem Wissen und Können eines gut ausgebildeten Handwerksmeisters. Ein Bäcker ist stolz auf sein Brot. Da können Sie sicher sein, dass Sie etwas wirklich Gutes kaufen. Wichtig ist für mich auch, dass Bäckerbrot ein regionales Produkt ist, gebacken mit Mehl aus der Region. Jeder Kunde kann das für sich entscheiden.

Das Gespräch führte Jana Ulbrich.