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„Das ist ein Armutszeugnis“

Das Weißeritzgymnasium hat mehr Probleme als den fehlenden Direktor. Dippser Schulen kämpfen mit Stundenausfall.

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© Andreas Weihs

Von Marie-Therese Greiner-Adam

Osterzgebirge. Die Suche nach einem Schulleiter für das Weißeritzgymnasium in Freital dauert weiter an. Dort hat es in der vergangenen Zeit mehrere Wechsel gegeben – eine dauerhafte Lösung ist nicht in Aussicht. Deshalb hat die zuständige Bildungsagentur das Problem nun selbst in die Hand genommen. Jeanette Ittermann, Schulreferentin bei der Sächsischen Bildungsagentur (SBA), übernimmt die Leitung der Schule übergangsweise.

Anja Timmann ist Elternsprecherin am Gymnasium und verärgert über die sächsische Bildungspolitik: „Ich halte diese Entwicklung für ein Armutszeugnis des Kultusministeriums, das es in eineinhalb Jahren nicht geschafft hat, einen Schulleiter und einen Stellvertreter zu finden. Sicherlich liegen die Ursachen dafür in Fehlentscheidungen, die vor zehn oder mehr Jahren getroffen worden sind ohne ausreichenden Blick für die mittelfristigen Folgen“, schreibt sie in einem Brief an die Eltern der Schüler des Gymnasiums.

Die SBA will sich an „Spekulationen zu möglichen Gründen nicht beteiligen“, sagt die Pressesprecherin Petra Nikolov. Frau Ittermann sei qualifiziert und bringe „ausreichend Erfahrungen mit, um die Stelle aktuell gut auszufüllen.“

Timmann jedoch ist besorgt, dass eine abgeordnete Schulleiterin, die die Schule nicht aus freien Stücken leite, sich nicht ausreichend mit dem Gymnasium beschäftigen kann. Auch den geplanten Baumaßnahmen am Weißeritzgymnasium – der Standort Krönertstraße soll behindertengerecht ausgebaut werden – sieht Timmann mit Bauchschmerzen entgegen, solange es keine Beständigkeit in der Schulleitung gibt. Die Baumaßnahmen werden höchstwahrscheinlich Mitte August beschlossen und sollen 2018/2019 durchgeführt werden, wie das Landratsamt mitteilt.

Doch am Weißeritzgymnasium fehlt nicht nur ein dauerhafter Schulleiter, sondern es fehlen auch Lehrer. Allein im Schuljahr 2015/2016 sind 3 088 Unterrichtsstunden ausgefallen. Nikolov sagt: „Der Grundbereich am Weißeritzgymnasium Freital wurde in der Schuljahresvorbereitung vollständig abgesichert, alle notwendigen Lehrerstellen sind besetzt.“

Dass dennoch so viele Unterrichtsstunden nicht gehalten werden, liegt oftmals auch daran, dass Lehrer krankheitsbedingt ausfallen. „Eine Absicherung von Unterricht ist im Erkrankungsfall von Lehrkräften damit nur bedingt möglich“, erklärt Nikolov. Der Vorsitzende des sächsischen Schülerrates, Friedrich Roderfeld, weiß: „Insgesamt kann man sagen, dass an jeder Schule mal der Unterricht ausfällt, oft auch durch Krankheiten. Problem ist dennoch, dass dann meistens kein Ersatz vorhanden ist. Zudem arbeiten viele Lehrer schon jetzt in Vollzeit und können keine weiteren Stunden übernehmen.“

Noch mehr Unterricht fällt am Beruflichen Schulzentrum „Otto Lilienthal“ in Freital sowie den Außenstellen Dippoldiswalde und Glashütte mit 3 457 nicht gehaltenen Stunden aus, wie der Datenbank Unterrichtsausfall des Sächsischen Kultusministeriums zu entnehmen ist. An den Oberschulen im Osterzgebirge sehen die Zahlen etwas besser aus: An der Oberschule in Dippoldiswalde sind 523 Stunden ausgefallen, an der Oberschule Schmiedeberg 869, in Geising 431 Stunden und in Klingenberg 692 Stunden. Bei den Grundschulen hatte die Einrichtung in Seifersdorf mit 197 ausgefallenen Stunden einen hohen Anteil für die kleine Schule zu verzeichnen. Die größeren Schulen in Reichstädt hatte 330 Stunden und die in Obercarsdorf 398 Stunden außerplanmäßigen Ausfall im letzten Schuljahr.

Eine Kleine Anfrage der Grünen zur aktuellen Personalsituation an den allgemein- und berufsbildenden Schulen der SBA-Regionalstelle Dresden hat ergeben, dass im Schuljahr 2015/2016 an der Grundschule Glashütte der Grundbereich nur zu 99 Prozent abgedeckt wurde. Insgesamt an 18 von 90 Schulen im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge war der Grundbereich nicht vollständig gesichert.

Anja Timmann kritisiert die Personalpolitik der Bildungsagentur. Sie berichtet, dass es bei der zweiten Ausschreibung des Schulleiterpostens eine Bewerberin gegeben habe, die abgelehnt wurde, da sie nicht ausreichend qualifiziert war. Timmann hätte lieber eine motivierte Schulleitung, die sich für das Gymnasium einsetzt, Qualifikationen hin oder her. Sie ist der Meinung, die Schule bringe sich immer weniger in das Stadtleben ein. Ihre Befürchtung: „Die Schule verliert ihr Herz.“ (mit SZ/fh)