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Das Heinzelmännchen

Der Tharandter Manuel Haase putzt in Haushalten und Betrieben. Oft unbemerkt – oder unbeachtet.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Thomas Morgenroth

Tharandt. Wieselflink fährt Manuel Haase mit einem gelben Lappen über die verchromte Spültischarmatur, tilgt Seifenreste und Schmutz im Waschbecken, feuchtet den Spiegel darüber an und reibt ihn mit Papier blank. Dann widmet er sich den Duschkabinen, jeder Handgriff sitzt. Chemie kommt nur sparsam zum Einsatz. Schließlich nimmt der junge Mann Mob und Eimer und wischt den Fußboden, der aus rutschfesten Fliesen besteht. „So ganz sauber wird das alles nicht mehr“, meint er und runzelt beinahe sorgenvoll die Stirn.

Manuel Haase putzt dreimal in der Woche den Sanitärbereich der Lufttechnik GmbH. Waschbecken, Fliesen, Spiegel – alles soll hinterher glänzen, auch wenn das nur von kurzer Dauer ist.
Manuel Haase putzt dreimal in der Woche den Sanitärbereich der Lufttechnik GmbH. Waschbecken, Fliesen, Spiegel – alles soll hinterher glänzen, auch wenn das nur von kurzer Dauer ist. © Karl-Ludwig Oberthür

Das Ergebnis seiner Putzerei im Waschraum der LWN Lufttechnik GmbH im Gewerbegebiet Hühndorfer Höhe in Wilsdruff ist zwar solide, aber nicht perfekt. Was nicht an Haases Arbeit liegt. „Die schwarzen Flecken in der Keramik zum Beispiel sind regelrecht reingefressen“, sagt er. „Da kann ich reiben wie und womit ich will, die gehen nicht mehr weg.“

Seit anderthalb Jahren kommt der Tharandter dreimal pro Woche in das fünfzehn Jahre alte Produktions- und Verwaltungsgebäude und sorgt dort für Sauberkeit. Montag und Mittwoch macht er nur den gröbsten Dreck weg, insbesondere in den Waschräumen. Die „große Runde“, wie er es nennt, dreht Haase am Freitag, da widmet er sich auch der Kantine und den Büros im Obergeschoss. Macht er alles allein, braucht er gut drei Stunden dafür.

„Ich bin das Heinzelmännchen“, sagt Haase und lacht. Mancher bemerkt es und grüßt, wenn auch mürrisch, nachdem er mit seinen Arbeitsschuhen deutlich sichtbare Tapsen auf die frisch gereinigten Fliesen gemacht hat.

Der nächste Monteur, der sich die Hände wäscht, ignoriert ihn geflissentlich, als wäre er nur ein Einrichtungsgegenstand. „Das ist überall so“, sagt Haase. „Die einen schätzen unsere Arbeit und nehmen uns als wichtige Dienstleister wahr, den anderen sind wir eher lästig, die sind froh, wenn wir wieder weg sind.“

Was Manuel Haase jedoch den Spaß an seiner Arbeit nicht verdirbt. Zumal er jetzt endlich in einem Unternehmen angestellt ist, in dem er sich rundum wohlfühlt. Der 33-jährige Junggeselle gehört seit drei Jahren zum vierköpfigen Team des 2011 gegründeten Tharandter Hausmeisterservices Nikita. Inhaber und Chef ist Thomas Köhler, den Manuel Haase, der aus Radebeul stammt, schon seit 2005 durch die gemeinsame Ausbildung kennt.

Haase hat in seiner zwölfjährigen Berufslaufbahn schon einige negative Erfahrungen machen müssen, wie er erzählt. Angefangen von Arbeitskleidung, die verschlissen war und nicht passte, bis hin zu Überstunden, die nicht bezahlt wurden. „In der letzten Firma, in der ich war, bevor ich bei Nikita anfing, kam ich mir vor wie ein Roboter“, sagt er. „Da musste ich immer nachts arbeiten, konnte aber tagsüber nicht schlafen, da habe ich nur noch funktioniert, da war ich am Ende mit meinen Kräften.“ In der Herzklinik in Dresden hingegen kam er letztlich mit der Situation nicht klar, mit den Patienten, mit dem allgegenwärtigen Tod: „Das habe ich psychisch einfach nicht verkraftet.“

Haase, der in Dresden Glas- und Gebäudereiniger gelernt hat, war aber auch schon im Dresdner Zwinger zugange, putzte im Mathematisch-Physikalischen Salon die Vitrinen innen und außen – und pumpte dort zuvor als Lehrling nach dem Hochwasser 2002 die Keller aus. Auf der Prager Straße reinigte er die Fenster der Hotels und war in Kindergärten in Chemnitz und Leipzig die gute Sauberfee. Haase aber blieb nie lange in einem Unternehmen, meistens hörte er auf, „weil das Arbeitsklima nicht stimmte“, wie er sagt.

Bei Nikita hingegen fühlt sich Manuel Haase „wie in einer Familie“ – und wieder wohl in seinem Beruf: „Das ist es, was ich kann, und ich freue mich, wenn die Kunden zufrieden sind.“ Seine Arbeitsaufgaben sind vielfältiger geworden, sie reichen vom Fensterputzen über den Winterdienst bis zur Gartenpflege. Auftraggeber sind private Haushalte, Firmen, Pflegeheime oder auch Kindergärten, wie der in Tharandt.

Das Gefährlichste an seinem Job, sagt Manuel Haase, sei die Reinigung von Fenstern, insbesondere von Oberlichtern: „Man kann sich nicht überall angurten.“ Dabei ist ihm bisher nichts passiert, dafür aber ist er auf dem Arbeitsweg schon mehrfach in riskante Situationen geraten. Im vergangenen Winter krachte es dann richtig. Um zu einem Grundstück zu kommen, wo er Schnee schippen und die Wege streuen wollte, schlitterte Haase um drei Uhr morgens in Dresden mit dem Firmenfahrzeug über vereiste Straßen – und krachte schließlich in einen Smart am Straßenrand. Zum Glück wurde keiner verletzt.

Es war nicht das erste Mal, dass er während seines Dienstes mit der Polizei zu tun hatte. „Wer nachts unterwegs ist, wird öfter kontrolliert“, ist Haases Erfahrung. Da hat er schon so ziemlich alles durch, bis hin zu Alkohol- und Drogentests. „Waren natürlich alle negativ“, sagt er.

Einmal, als er noch keinen Führerschein hatte, erregte er die Aufmerksamkeit der Ordnungshüter, als er fünf Uhr morgens mit dem Fahrrad am Polizeirevier in Freital vorbeifuhr – links am Lenker einen Eimer, rechts die Fensterputzstange. Das aber, erinnert sich Haase, hat die Polizisten nicht weiter interessiert. Sie fanden vielmehr den Inhalt seines Rucksacks bemerkenswert – er war voller Schlüssel zu all den Objekten, die er reinigen wollte. „Das haben sie mir erst nicht geglaubt, sie hielten mich für einen Einbrecher.“

Mit dem Fahrrad ist Manuel Haase nun nur noch in seiner Freizeit unterwegs. Bis Wilsdruff zum Beispiel wäre es auch ein bisschen weit. In der Lufttechnik sind jetzt die Böden im Umkleidebereich dran, Haase hebt kurz die Sauberlaufmatte an, um zu zeigen, welchen Grauschleier er zu bekämpfen hat. Dreimal in der Woche rückt er ihm zu Leibe. Manuel Haase schlägt eine Schlacht gegen den Dreck, die wohl nie enden wird und keinen Sieger kennt – höchstens für ein paar Stunden.