Merken

Das Heilwasser vom Sonnenstein

Eine Firma füllt in Pirna edles, teures Nass ab. Der Ort, wo das Wasser in Steinzeugflaschen kommt, ist sehr speziell.

Teilen
Folgen
NEU!
© Daniel Schäfer

Von Thomas Möckel

Pirna. Es ist schon eine Weile her, Mai 2005, als Klaus Eckhard der Sächsischen Zeitung einen ganz speziellen Plan für das Sonnensteiner Schlosspark-Areal in Pirna verkündete. Eckhard, damals Geschäftsführer der SMW Vermögenstreuhand GmbH aus Dresden, wollte Mineralwasser aus der Tiefe fördern. Der Firma gehörten einmal unter anderem das Schloss Sonnenstein sowie mehrere Gebäude der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt. Schon in den 1990er Jahren hatte Eckhard das Gelände untersuchen lassen, Experten stießen auf ein Netz rechtsdrehender Wasseradern, was extrem selten sei. Allerdings blieb es vorerst bei der bloßen Ankündigung, die Idee lag lange auf dem Trockenen. Er jetzt, 13 Jahre später, kann das Nass sprudeln.

Als Manufaktur wiedererstanden: Die frühere Anstalts-Friedhofshalle.
Als Manufaktur wiedererstanden: Die frühere Anstalts-Friedhofshalle. © Daniel Schäfer
In dieser Anlage kommt das Wasser mit natürlichem Druck in die Flasche.
In dieser Anlage kommt das Wasser mit natürlichem Druck in die Flasche. © Daniel Schäfer
Das edle Getränk ist in Steingut verpackt.
Das edle Getränk ist in Steingut verpackt.

Eckhard, inzwischen auch Geschäftsführer der Sonnenstein GmbH, eröffnete am Donnerstag die Quellwassermanufaktur „Sonnenstein Quelle“ im Schlosspark. Im Haus Schlosspark 7 füllt das Unternehmen in Handarbeit Quellwasser aus der Tiefe ab, der Brunnen ist 40 Meter vom Haus entfernt, 70 Meter geht es da nach unten. Das Landratsamt hat der Manufaktur schon vor geraumer Zeit gestattet, das Nass zutage zu fördern. Das Wasser strömt durch Edelstahlrohre, alles verschweißt, keine Schraubverbindungen, keine rechten Winkel, damit, sagt Eckhard, die besondere kristalline Struktur nicht durch allzu scharfe Kurven zerstört wird. Final münden die Leitungen in der Manufaktur, die nicht gerade üppig Platz bietet.

Es gibt einen Raum für die Abfüllanlage, einen, um die Flaschen zu etikettieren und zu verpacken, daneben einen kleinen Werksverkauf, ein wenig Nebengelass. Derzeit existiert es nur eine Abfüllstrecke, eine zweite soll aber folgen. Eilig hat es Eckhard damit aber nicht. Und auch das Personal ist noch sehr übersichtlich.

Momentan gibt es einen Mitarbeiter, Produktionsleiter Christian Liepke, Diplom-Brauer, gelernt bei Radeberger, zuletzt mehrere Jahre in China tätig. Sein Tagwerk folgt derzeit dem immer gleichen Ablauf: Morgens und nach Arbeitsende dämpft er die Rohre mit 80 Grad heißem Dampf, damit alles keimfrei ist. Dazwischen wird vier, fünf Stunden abgefüllt, maximal 600 bis 800 Flaschen schafft er am Tag, weil alles sehr gemächlich geht: Das Wasser läuft nur mit dem eigenen Druck aus der Tiefe in die Flaschen, Pumpen gibt es keine. Verwahrt wird das wässrige Gut in Tonflaschen, weil sie das Wasser vor Licht und Wärme schützen. Bevor eine Charge in den Verkauf kommt, lässt Liepke Proben davon in einem Dresdner Labor mikrobiologisch untersuchen. Erst wenn das Okay von den Experten kommt, darf das Wasser die Manufaktur verlassen. Zwei weitere Mitarbeiter, sagt der Produktionsleiter, sucht das Unternehmen derzeit noch, wenn die zweite Abfüllstrecke da ist, könnten es einmal so acht Beschäftigte sein. Die Voraussetzung: Sie müssen genauso behutsam mit dem Wasser umgehen wie Liepke –  aus einem ganz besonderen Grund.

Glaubt man den Fachleuten, handelt es sich bei dem Nass aus der Sonnensteiner Tiefe um ein ziemlich einzigartiges Wasser. Es ist, sagt Geologe Paul Jakubczyk, ein sogenanntes „ursprüngliches Wasser“, im Englischen „primary water“. Laut des Spezialisten entsteht es in einem eigenen Tiefenwasserkreislauf, bis zu 250 Kilometer unter der Erdoberfläche, von wo aus es durch Gesteinsschichten nach oben steigt und gefiltert wird. Dieses Wasser, sagt Jakubczyk, sei noch nie mit der Erdoberfläche und dem herkömmlichen Wasserkreislauf in Berührung gekommen, daher sei es besonders rein und frei von Schadstoffen. Und solch edles Untergrund- hat seinen Preis.

Die 0,7-Liter-Flasche kostet 6,50 Euro, wer im Werksverkauf eine Flasche erwirbt, bekommt 20, wer aus Pirna und Umgebung kommt, 25 Prozent Rabatt. Doch in Kürze soll sich auch die Allgemeinheit kostenlos an dem Wässerchen laben können. Vor dem Haus, sagt Eckhard, wird überschüssiges Wasser in einen Brunnen gepumpt, an dem sich Durstige bedienen können, allerdings, so Eckhards Bitte, nicht gleich literweise. Generell, sagt er, gehe es ihm eher darum, die alten Sonnensteiner Heilquellen wiederzubeleben, es gehe gar nicht so vordergründig ums große Geschäft.

Aber es gab Zeiten, da hatte Eckhard auf dem Sonnenstein geschäftlich verdammt viel vor. Mit der SMW Vermögenstreuhand wollte er aus dem Schloss zunächst ein Nobelhotel machen, es gab 2001 sogar schon eine symbolische Grundsteinlegung. Später sollte ein Sanatorium für gestresste Mütter einziehen. Die frühere Anstaltskirche und andere Heilstätten-Gebäuden waren einmal als Kulturstätten im Gespräch, es gab sogar mal einen Gesandten, der die Häuser auf ihre Kulturtauglichkeit prüfte. Und aus dem ehemaligen Verwaltungsgebäude des VEB Strömungsmaschinen sollte einmal ein Altenheim werden. Nichts davon wurde je realisiert, inzwischen hat sich Eckhard von einem Großteil der Immobilien getrennt. Immerhin ist es ihm mit der Manufaktur gelungen, ein besonderes Kleinod im Schlosspark zu erhalten.

Denn das Gebäude ist ein ganz spezielles: 1890 errichtet, fungierte es zu Heilstätten-Zeiten als Friedhofshalle. Patienten, die starben, kamen zunächst dorthin, ehe man sie auf dem Anstaltsfriedhof beisetzte. Neben den Andachtsraum gab es ein Sektions- und Mikroskopierzimmer, später ein kleines Labor. In den Nachkriegsjahren befand sich in dem Haus eine Entlausungsstation für die Kriegsheimkehrer. Zu DDR-Zeiten nutze es ein Betrieb als Chemikalienlager. Seit 1991 stand die Totenhalle allerdings leer und verfiel zusehends. Weil das Dach einstürzte, ordnete das Rathaus im April 2016 eine Notsicherung an. 2017 begann der Eigentümer mit der Sanierung. Rund 1,5 Millionen Euro, sagt Eckhard, habe er insgesamt in die Manufaktur investiert.