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Das Heilige Grab steht über allem

Lebensfähig – trotz Macken. So beschreibt Margrit Kempgen die Evangelische Kulturstiftung, die sie leitet und die 20 wird.

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© Pawel Sosnowski

Von Daniela Pfeiffer

Görlitz. Evangelische Kulturstiftung? Das sind doch die mit dem Heiligen Grab. Ein bisschen wurmt es Margrit Kempgen, wenn sie sowas hört. Und das kommt oft vor. Denn als Chefin der Evangelischen Kulturstiftung will sie alle drei Elemente der Stiftung gern gleichwertig behandelt: das Heilige Grab, den Nikolaifriedhof und die Nikolaikirche. „Aber das Heilige Grab dominiert eben, es ist das Bekannteste, das ist so“, räumt sie ein. Und schließlich müssten die Einnahmen am Heiligen Grab die Defizite aus den anderen beiden Kulturgütern mit decken. Denn mit dem Geld ist das immer so eine Sache, auch nach 20 Jahren noch. Die Lage ist nicht rosig, jedoch nicht mehr so dramatisch wie am Anfang.

Damals, im Oktober 1996, als sich die Stiftung mit dem Ziel gründete, die drei Kulturgüter zu erhalten, waren 40000 D-Mark alles. In den ersten paar Jahren warf das Stiftungskapital noch Zinsen ab, von denen heute nur noch geträumt werden kann. Aber damals standen enorme Sanierungsaufgaben bevor. Heiliges Grab, Friedhof, Kirche – alle waren in einem traurigen Zustand. Das Heilige Grab – jene mehr als 500 Jahre alte, originalgetreue Nachbildung des Heiligen Grabs in Jerusalem eine der wichtigsten Görlitzer Sehenswürdigkeiten – war kein Stück saniert. Der Nikolaifriedhof war damals zugewuchert und Vandalismus hatte ihm schwer zugesetzt, die Nikolaikirche diente quasi als Baulager für die abgebaute und umzusetzende Kirche von Deutsch Ossig. Kurzum: Sanierungsstau und kaum Geld. Aber wer will sich so etwas aufhalsen? Die umliegenden Kirchgemeinden konnten sich nicht darum kümmern, sie mussten zusehen, wie sie ihre eigenen Kirchen erhalten. „Eine Stiftung war die einzige Möglichkeit, quasi ohne Alternative. Ich habe das immer mit einer Risikoschwangerschaft verglichen“, sagt Margrit Kempgen, die zwar als Mitarbeiterin der Kirchenverwaltung bei der Stiftungsgründung dabei war, aber damals noch nicht direkt involviert. „Man wusste nicht, was wird daraus, hat es aber trotzdem versucht. Wie Eltern, die sagen: Egal, was wird, wir wollen es.“

Wie risikobehaftet das Vorhaben war, wie schwer, einen Kulturbetrieb professionell zu führen, zeigte sich in den ersten Jahren. „Die waren schwierig, keiner hatte hier Erfahrungen mit Stiftungen und es gab diesen massiven Sanierungsstau“, sagt Frau Kempgen. Sie wird nicht müde zu betonen, wie kostbar da das Netzwerk war und immer noch ist, das sich über die Jahre aufgebaut hatte und auf das sich die Stiftung verlassen konnte. „Unser Überleben war nur deshalb möglich, weil weit über die Stiftung hinaus ein Wille zur Hilfe bestand“, sagt Margrit Kempgen. „Ob das Kulturamt der Stadt, das Denkmalamt, das Arbeitsamt, das immer Leute schickte oder die Deutsche Stiftung Denkmalschutz – ohne sie alle wäre es nicht möglich gewesen.“ Auch die größten Krisen – etwa als das Funktionsgebäude gebaut wurde und plötzlich das Geld alle war – habe man durch Hilfe von außen bewältigt. So flossen nach und nach doch wieder Gelder: aus Fördertöpfen wie Interreg, Altstadtmillion oder Denkmalschutz.

20 Jahre Kulturstiftung am Sonnabend

Heiliges Grab

  • 10 Uhr musikalischer Beginn
  • 10.30 Uhr Vernissage Kustoshaus: „Die Friedenskirchen in Jauer und Schweidnitz“ mit Fotos von Barbara Górniak, danach: öffentliche Führung Heiliges Grab
  • 11.30 Uhr Filmvorführung im Kustoshaus
  • 14 Uhr Geschichten aus dem Kustoshaus
  • 15 Uhr öffentliche Führung Heiliges Grab
  • 16 Uhr Abschluss

Nikolaikirche/Friedhof

  • 11 Uhr musikalischer Beginn
  • 11:30 Uhr Friedhofsführung mit Grufthaus
  • 14.30 Uhr freie Besichtigung Grufthäuser
  • 15.30 Uhr Kirchenführung (inkl. Dach)
  • 16.30 Uhr Ende des Tages mit Ausläuten der Glocke

- die Veranstaltungen finden auch bei Regenwetter statt

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Seit 2004 steht Margrit Kempgen an der Spitze der Stiftung. Sie ist Geschäftsführerin und Vorstand. Ihre Arbeitswoche hat 60 bis 70 Stunden, so manchen Abend sitzt sie bis Mitternacht im Büro auf der Schlaurother Straße. Hier in der Kirchenverwaltung ist sie geblieben, nachdem sie die Stiftung übernommen hatte. Beim Heiligen Grab sei dafür zu wenig Platz. Und so klingeln die beiden Telefone im Kempgen-Büro abwechselnd auf der Schlaurother Straße, oft noch das Handy. Vier E-Mail-Konten wollen täglich durchgesehen werden. Es ist immer etwas zu tun, so bedeutsame Kulturgüter zu verwalten, das ist kein Spaziergang.

Dass sie das alles ehrenamtlich macht, darüber will die 66-Jährige nicht allzu viele Worte verlieren. Die Arbeiten müssen gemacht werden, aber man kann sie nicht bezahlen, sagt sie. Es deswegen lassen? Oder an Rente denken? Das ist nicht Frau Kempgens Art, sie mag ihre Arbeit, macht sie mit Zielstrebigkeit und Leidenschaft. Klare Ansagen sind ihr Weg, sich durchzusetzen.

Auf den heutigen Zustand der drei Kulturgüter ist sie stolz. Alles ist inzwischen saniert, zuletzt kam 2012 noch das Kustoshaus dazu, das jetzt für Ausstellungen genutzt wird und die so wichtigen zusätzlichen Toiletten beherbergt. „Man kann zurückblickend sagen, wir sind aus dem Gefährdungszustand mühevoll herausgekommen. Wir sind jetzt lebensfähig, wenn auch mit Macken, aber so kann es sein bei schweren Geburten.“

Lohn der Arbeit ist für Margrit Kempgen, zu sehen, wie sehr Besucher von Heiligem Grab, Friedhof oder Nikolaikirche begeistert sind. „Ich bin überzeugt, dass man den Menschen mit den Kulturgütern etwas geben kann“, sagt sie. „Der Friedhof zum Beispiel: Junge Leute gehen so gern dorthin. Und ich finde, es gibt keinen schöneren Blick als an einem klaren Januarmorgen oben auf dem Friedhof zu stehen und auf die Silhouette der Stadt zu schauen.“