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Das Hausarzt-Roulette in Radeburg

Immer wieder gehen Mediziner in Rente. Bei den Patienten löst das Ängste aus. Doch das Versorgungszentrum stockt auf.

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© Arvid Müller

Von Ulrike Keller

Radeburg. Es sind Nachrichten, wie sie Wilhelm Kube gern vermeldet. Zum 1. Januar hat das Medizinische Versorgungszentrum Radeburg, kurz MVZ, weitere Verstärkung für das Ärzteteam gewinnen können. Mit Dr. Michael Klon unterstützt ein junger Assistenzarzt zur Weiterbildung die Fachärztin für Innere Medizin Dr. Karin Neubert. Damit ist auch der Weggang von Dr. Maria Berndt im letzten Herbst ausgeglichen.

Sie hatte sich bereiterklärt, nach Großenhain zu gehen und dort in Vollzeit als Hausärztin die bislang ungenügende Versorgung zu verbessern. Das hatte einige ihrer Patienten in Radeburg stark beunruhigt, denen der Weg nach Großenhain zu weit war. Sie befürchteten, nun erst einmal ohne Hausarzt da zu stehen.

Besonders unglücklich äußerte sich gegenüber der Sächsischen Zeitung ein Ehepaar Mitte 70, das mit Maria Berndt die dritte Hausärztin in drei Jahren verlor. Zunächst waren die Eheleute Patienten von Dr. Dagmar Meyer gewesen und mit dieser in das MVZ Radeburg gewechselt. Nachdem sie in Rente ging, wurden sie vorübergehend von Karin Neubert mit betreut. Bis ein halbes Jahr später Maria Berndt zum Ärzteteam dazu stieß. Die nun nach nur zwei Jahren die Einrichtung schon wieder verließ.

„Wir sind eigentlich sehr zufrieden im MVZ“, sagen die Eheleute. „Die Schwestern kennen einen und sind so nett, dass es einfach angenehm ist. Aber ein bisschen mehr Kontinuität würden wir uns sehr wünschen.“ Dazu erklärt Geschäftsführer Wilhelm Kube: „Dr. Berndt und die Geschäftsleitung des MVZ bedauern die Unannehmlichkeiten für ihre Patienten in Radeburg, bitten jedoch um Verständnis für die Menschen in Großenhain, die über eine nicht ausreichende Versorgung klagten.“

Die Angst des Senioren-Ehepaars erwies sich als unbegründet. Als die 74-jährige Frau im Herbst dringend einen Hausarzt benötigte, wurde sie reibungslos von Dr. Anja Wehlan aufgenommen. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin arbeitet bereits seit Anfang 2015 im MVZ Radeburg. Den Eindruck des Ehepaars, es herrsche eine rege Personal-Fluktuation, möchte Wilhelm Kube daher gern gerade rücken. „Es liegt unseres Erachtens keine häufige Fluktuation vor, da lediglich Ärzte hinzugekommen sind“, sagt er. Mit den hausärztlichen Kollegen im MVZ Radeburg sei eine stabile und ausreichende Versorgung sichergestellt.

Zudem geht er davon aus, dass ein Arztwechsel innerhalb eines MVZ für einen Patienten fachlich und qualitativ gesehen keinen Nachteil darstellt. Der Grund sei, dass für einen Arztkollegen im MVZ sofort alle Daten einsehbar sind. Hingegen müsse bei einem Arztwechsel außerhalb der Einrichtung der neue Mediziner erst die Patientenakten vom bisherigen Doktor anfordern. Generell bezeichnet Wilhelm Kube das Angebot der hausärztlichen Versorgung in Radeburg als gut bis sehr gut.

Diese Einschätzung teilt Bürgermeisterin Michaela Ritter (parteilos). Sie äußert sich glücklich, dass für Allgemeinmediziner Dietmar Stephan eine Nachfolge gefunden ist und dass Internistin Christine Walden eine Praxis eröffnet hat. „Wir haben in Radeburg ein sehr gutes Netz an niedergelassenen Allgemeinmedizinern“, sagt sie. Vor zwei, drei Jahren sei die Situation vorübergehend etwas problematisch gewesen. In dieser Zeit habe aber das MVZ die Spitzen abgefangen. „Was fehlt, sind ein Augen- und ein HNO-Arzt“, räumt Michaela Ritter ein. „Aber wir wollen uns nicht beschweren.“

Allerdings sieht MVZ-Geschäftsführer Wilhelm Kube generell in naher Zukunft auf viele Patienten einen Hausarztwechsel zukommen. „Durch den hohen Altersdurchschnitt an niedergelassenen Ärzten, die sich nach der Wiedervereinigung in den neuen Bundesländern selbstständig gemacht haben, wird in den nächsten Jahren eine Vielzahl an Nachfolgern gesucht“, sagt er. Gerade in den ländlichen Gebieten sei die Suche nach einem Arzt, der die Praxis fortführt, jedoch schwierig, weil viele junge Ärzte heutzutage andere Prioritäten setzen.

Nach der Erfahrung des Radeburger MVZ-Geschäftsführers bevorzugen junge Mediziner sehr häufig größere Städte und zudem ein Angestelltenverhältnis, wie es etwa im MVZ gegeben ist.