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„Das hat mich Olympia gekostet“

Dynamo-Legende Hans-Jürgen Kreische plauderte auf Schloss Schönfeld über Erfolge und Niederlagen in seiner Fußballerkarriere.

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© Klaus-Dieter Brühl

Von Manfred Müller

Schönfeld. München erwartet heute beim Spiel der 1860er gegen Dynamo rund 15 000 Dresdner Fußballanhänger. Mittendrin: die Fans aus Schönfeld und Umgebung. Schon am frühen Morgen fährt von hier aus ein Bus mit 62 Schlachtenbummlern an die Isar. „Wir haben als Marschverpflegung Bockwürste bestellt, und der Bäcker reicht uns extra noch frische Brötchen raus“, erzählt Dynamofan Gerald Schumann.

Am Donnerstagabend konnten sich die Anhänger der Dresdner Sportgemeinschaft schon einmal in Anhänglichkeit üben. Dynamo-Legende Hans-Jürgen Kreische war zu einer Podiumsdiskussion mit Sportreporter Gert Zimmermann ins Schönfelder Schloss gekommen. An die 50 Besucher wollten dem torgefährlichen Mittelfeldspieler aus der goldenen Generation der Mittsiebziger Jahre zuhören, und sie wurden nicht enttäuscht.

Kreische wirkt zwar immer ein wenig bärbeißig, aber auch ehrlich und pointiert. Der Ur-Dresdner ist ein Mann mit Ecken und Kanten, und das hat ihm schon während seiner aktiven Karriere zu schaffen gemacht. Kreisches Problem hieß Walter Fritzsch. Der Erfolgstrainer von Dynamo Dresden hatte eine sehr spezielle Art, seine Kicker zu erziehen. Wer aufmuckte, saß bei den nächsten Spielen auf der Ersatzbank. Ganz gleich, ob das Match dadurch verloren ging – Fritzsch rückte niemals von seinem Prinzip ab.

In der Dresdner Dynamomannschaft waren Hans-Jürgen Kreische und der lange Klaus Sammer die „speziellen Freunde“ des Trainers. Der Europapokal-Vergleich gegen Bayern München im Jahr 1973, ist Kreische überzeugt, sei nur deshalb verlorengegangen, weil der Trainer Sammer auf der Bank versauern ließ. Im Klartext: Wäre Fritzsch nicht von der Menschenführung her eine Katastrophe gewesen, hätte Dynamo international sehr viel mehr erreichen können. Und wahrscheinlich auch „Hansi“ Kreische selbst, der schon mit 29 Jahren entnervt die Fußballschuhe an den Nagel hängte.

Hans-Jürgen Kreische, der bei 50 Berufungen in die DDR-Nationalmannschaft 25 Tore erzielte, hat 1972 mit dem Team die olympische Bronzemedaille gewonnen, und war auch 1974 beim legendären 1:0-WM-Sieg gegen die Bundesrepublik dabei. „Da hätte eigentlich zuerst ich ein Tor machen müssen“, erinnert er sich. Aber am Ende habe Jürgen Sparwasser ja noch getroffen. Das Spiel sei eine Lehre für all jene Fans – auch im Osten – gewesen, die Beckenbauer & Co vergötterten, aber den DDR-Kickern nichts zutrauten.

Mit der Weltmeisterschaft ist auch die oft zitierte „Whisky-Episode“ verbunden, die in keinem Kreische-Porträt fehlen darf. Während des Fluges zu einem Spielort kam der Dresdner mit einem Herren auf dem Nebensitz ins Gespräch und man tauschte sich über die WM-Chancen der westdeutschen Mannschaft aus. Kreische war überzeugt, dass sie trotz der Niederlage gegen die DDR den Titel holen würde. Sein Sitznachbar hingegen nicht. Er bot dem Kicker eine Wette an – fünf Flaschen Whisky, wenn die Bundesrepublik Weltmeister wird. Hans-Jürgen Kreische ging nicht darauf ein, weil Whisky in der DDR kaum bezahlbar war. Ein paar Wochen später wurde er dann zu seinem Vorgesetzten gerufen, der ihm eine Kiste mit fünf Whiskyflaschen präsentierte. Dazu ein Schreiben: Der Bundesminister für Finanzen Hans Apel gratuliert ihnen zur gewonnenen Wette. „Das hat mich die Olympiateilnahme in Montreal gekostet“, glaubt Kreische. Für die DDR-Kicker galt damals ein Kontaktverbot zu Westdeutschen. Den Whisky durfte der Nationalspieler zwar behalten, aber der habe ihm keine Freude bereitet. Schließlich wurde die DDR 1976 Olympiasieger, und Kreisches Mannschaftskamerad Reinhard Häfner schoss im Finale gegen Polen das wichtige 3:1. Im Gegensatz zu anderen Dynamo-Urgesteinen hat Hans-Jürgen Kreische auch nach seiner aktiven Laufbahn eine erfolgreiche Karriere hinbekommen: Sportpädagogik-Studium, Nachwuchstrainer-Laufbahn, Gründung einer Fußballschule, Talentscout für den DFB, den HSV und RB Leipzig. „Man sollte als junger Spieler immer im Auge haben, was nach dem Fußball kommt“, sagt er. Mit seinen 69 Jahren ist der Dresdner nun wieder für Dynamo unterwegs – als „Minijobber“ bei der Talentsichtung.