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Das große Glück am Sonntag

Mit Gottesdienst und Frühschoppen klingt das Friedensfest in Ostritz aus. Alle sind erleichtert – auch wenn viele nicht da waren.

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© ronaldbonss.com

Von Frank Seibel, Tobias Wolf und Thomas Christmann

Es kam, wie es kommen sollte. Als die Ostritzer sich am Sonntagvormittag zum Gottesdienst auf dem Marktplatz versammelten, war die Stadt beinahe wieder leer. Nur noch ein paar Dutzend Rechtsextreme auf dem Gelände des Hotels „Neißeblick“, die Lederwerkswiese, wo ein linkes Bündnis die Parole „Rechts rockt nicht!“ ausgegeben hatte, war komplett geräumt. Von Polizei war kaum noch etwas zu sehen. Die Absperrungen rechts und links der Bahnhofstraße wurden schon abgebaut. Am Sonntag um elf Uhr war den Besuchern des ökumenischen Gottesdienstes klar: Alle Gebete um Frieden waren erhört, alle Wünsche erfüllt worden. Nur noch ein paar sächsische Journalisten kreisten durch’s Städtchen; die 150 Medienleute von weither waren schon verschwunden.

Es war fast so, als hätte es am Sonnabend nur ein ganz normales Stadtfest gegeben – das ist allerhand angesichts der Bilder, die zuvor heraufbeschworen worden sind. Und das Schlagwort vom „Ausnahmezustand“ stimmte ja auch. Überall Polizei, und viele hundert Menschen mit unterschiedlichen Interessen: Die einen wollten Adolf Hitler feiern, die anderen ganz laut „Nazis raus“ rufen, wieder andere einfach nur zeigen, wie tolerant und weltoffen die Region und ihre Menschen sind.

Die größte Gruppe aber wollte einfach nur ihre Ruhe haben. Viele Ostritzer saßen beinahe demonstrativ gelassen in ihren Gärten, manche schauten von der Hollywood-Schaukel aus dem Hin und Her von Polizisten und Journalisten, von Linken, Rechten und „Normalbürgern“ zu. Als im Festzelt der Frühschoppen zum Friedensfest-Finale begann, stand Nicole Tschoppe mit ihrem kleinen Sohn ganz gelöst an ihrem Gartenzaun in der Bahnhofstraße und schaute zu, wie die letzten „Hamburger Gitter“ abgebaut wurden. Nur ein Beamter stand noch neben dem Info-Mobil der Polizei und kramte ein paar Geschenke für Nicole Tzschoppes Sohn hervor: Poldi-Malheftchen. „Mich haben die nicht gestört“, sagt Nicole Tzschoppe und meint die Besucher des Schild-und-Schwert-Festivals, die tätowiert und mit martialischen Sprüchen auf ihren T-Shirts zwei Tage lang an ihrem Haus vorbeigezogen sind. „Die haben immer freundlich gegrüßt.“ Und als sie ein paar von den „Rechten“ beim Penny getroffen habe, hätten sie sich ganz gut unterhalten. Die Einladung, doch mal rüber zu kommen zum Festival am Hotel „Neißeblick“ hat die junge Frau dann aber doch nicht angenommen.

Ja, das ist auch den engagierten Leuten vom Markt klar: Am Friedensfest hat nur ein kleinerer Teil der 2 400 Einwohner beteiligt, arbeitend oder feiernd. Aber sie freuen sich, dass doch ein starker Kern der Kleinstadt-Gesellschaft dieses Fest getragen hat – und dass es so viel Unterstützung aus der Region gab. Und über eines freut sich Andreas „Knacker“ Ebermann besonders. Er war einige Male mittwochs auf dem Markt, um die Leute zu informieren über das Friedensfest. „Am Freitag habe ich einige gesehen, die anfangs sehr dagegen waren und Angst hatten“, sagt er. „Und die saßen nicht nur da, weil sie neugierig waren, sondern sie haben auch geklatscht, als der Ministerpräsident gesprochen hat.“ So haben die vergangenen Wochen die Ostritzer wieder ein Stück näher zusammenrücken lassen, glaubt er.

Die Grünen-Landtagsabgeordnete Franziska Schubert hatte tags zuvor betont, dass es in der Region noch nie ein so klares Zeichen gegen Rechtsextremismus gegeben habe.

Beim Frühschoppen im Zelt ist alles schon Erinnerung: die begeisternde Rede des Ministerpräsidenten, die fetzige Musik von Yellow Cap, Jenix und anderen, die bunten Stände rund um den Marktplatz, die gute Laune, das tolle Wetter. Und der Trubel der Neonazi-Bands so weit weg, dass Journalisten als Boten angezapft wurden: Und, wie isses da unten an der Neiße …?