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Das große Flattern

Schmetterlinge sind die Leidenschaft von Klaus-Rüdiger Beck. Doch viele Falter sind bedroht.

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© Wolfgang Schmidt

Von Irmela Hennig und Wolfgang Schmidt

Imker müsste man sein. Imker werden nämlich ab und an fündig in ihren Bienenstöcken und stoßen auf einen Totenkopfschwärmer. Denn der Nachtfalter ernährt sich hauptsächlich von Honig und Nektar. Da ist der Bienenstock eine beliebte Futterquelle. Allerdings überlebt der ungebetene Gast, der in seiner Mundhöhle pfeifende Geräusche erzeugen kann, nicht jeden seiner Besuche. Und dann wird er vielleicht vom Imker aufgesammelt.

Klaus-Rüdiger Beck ist kein Imker.Vielleicht hat er selbst deswegen noch keinen Totenkopfschwärmer gesehen. Ohnehin kommen diese Schmetterlinge in der Oberlausitz nicht häufig vor. Die Raupen in Grün, Braun, Gelb oder Türkisgrau sitzen mitunter am Kartoffelkraut. „Aber wer geht heute noch auf Kartoffelfelder“, sagt Klaus-Rüdiger Beck. Und ergänzt: „Wer Schmetterlinge liebt, muss auch Raupen lieben.“

Seit seinem zehnten Lebensjahr interessiert sich der Demitz-Thumitzer für Schmetterlinge. Der Kleine Fuchs und Zitronenfalter werden wohl die ersten Exemplare gewesen sein, die ihm aufgefallen sind, überlegt der 64-Jährige, der seit vergangenem Jahr Rentner ist. Doch Klaus-Rüdiger Beck gehört zu denen, für die Wortgewandte den Begriff „Unruheständler“ erfunden haben. Denn der Mann, der lange Steinbearbeitungsmaschinen bedient hat, widmet einen sehr großen Teil seiner Zeit dem Beobachten, Sammeln und Bestimmen von Schmetterlingen. An vier Büchern über die Großschmetterlinge der Oberlausitz hat er mitgewirkt. In weiteren Büchern soll es um Kleinschmetterlinge gehen. Die Vielfalt ist groß und rechtfertigt so viel Gedrucktes. Es gibt um die 1 000 Großschmetterlinge in der Region und wohl noch einmal so viele kleine Arten, die ein Laie oft nicht als Schmetterlinge wahrnimmt. Und zum Vergleich – weltweit sind bislang etwa 160 000 Arten beschrieben worden. Ein Reichtum – auch in der Oberlausitz.

Erster Fund in Zittau

Es ist ein Reichtum im Wandel. Noch ist nicht klar, ob und wie sich die Klimaveränderungen auf die Schmetterlinge zwischen Elbe und Neiße auswirken. Möglicherweise ziehen sich kälteliebende Arten in nördliche Regionen zurück. Andererseits könnten auch Arten, die warme Gebiete bevorzugen, hier auftauchen. Mit Eucarta virgo, einem Eulenfalter, wurde 1998 in Eichgraben bei Zittau eine Art gesichtet, die eigentlich in Südosteuropa heimisch ist. Der Zittauer Fund durch Max Sieber war übrigens der erste aufgezeichnete von Eucarta virgo in Deutschland – heute sieht man die Schmetterlinge in fast ganz Sachsen und auch in Brandenburg. Allerdings gibt es auch durchaus reisefreudige Schmetterlinge. Dass Oleanderschwärmer aus Afrika hier auftauchen und ihre Raupen in Oleanderbüschen zu sehen sind, ist zwar selten, aber nicht ungewöhnlich.

Namen und Fakten, Herkunftsangaben und lateinische Bezeichnungen – Klaus-Rüdiger Beck geht all das leicht von den Lippen. Seit Jahrzehnten beschäftigt er sich intensiv mit den Insekten, er studiert Fachbücher und ist Mitglied der „Fachgruppe Bautzen der Entomologen“ im Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (Bund). Weil er Genehmigungen des Landratsamtes Görlitz hat (auf das Okay aus Bautzen wartete er noch), darf er auf dem Territorium Schmetterlinge beobachten und fangen. Denn es ist wichtig zu wissen, welche Arten hier vorkommen und wo genau. Die Ergebnisse werden den Umweltämtern übermittelt und in Fachzeitschriften veröffentlicht.

Durch den Biologieunterricht hat Klaus-Rüdiger Beck einst zu den Schmetterlingen gefunden. Deren Bestand geht deutschlandweit teilweise dramatisch zurück, weil Lebensräume verändert, zerstört und vergiftet werden. Eine Ursache ist die intensive Landwirtschaft, ist sich Beck sicher. Auch der stark gestiegene Straßenverkehr seit der Wende wirke sich aus. „Zählen Sie mal die Insekten, die sie innerhalb eines Jahres mit einem Auto töten“, meint der Demitz-Thumitzer. Daran werde man aber nichts mehr ändern können.

Er selbst hat über die Jahre immer mehr verstanden, „welche Bedeutung die Insekten für unsere Natur und Umwelt und für ein funktionierendes Ökosystem haben“. Die SZ hat recherchiert, dass sich das Verschwinden nur eines Schmetterlings auf andere Tiere auswirken kann. Auf der Hawaii-Insel Laysan hat beispielsweise das Aussterben eines Eulenfalters hauptsächlich das Aussterben des Laysan-Rohrsängers, eines Vogels, verursacht.

Lichtfang in Uganda

Nicht nur für heimische Schmetterlinge interessiert sich Klaus-Rüdiger Beck. Vergangenes Jahr reiste er zusammen mit dem gebürtigen Demitz-Thumitzer Timm Karisch vom Museum für Naturkunde und Vorgeschichte Dessau für 16 Tage nach Uganda, um dort Falter zu beobachten und zu fangen. Er nahm teil an einem Workshop, verbrachte eine Woche auf 1 500 Meter Höhe direkt am Regenwald im Kibale-Nationalpark im Westen des Landes. Eine weitere Woche waren die Männer im Mpanga Wald im Südwesten, auf einer Lichtung 300 Meter tief im Regenwald. Dieses Stück Natur einmal erleben, war ein lang gehegter Wunsch von Klaus-Rüdiger Beck. Ausgerüstet mit Notstromaggregat, besonderen Leuchten und weißen Laken waren die Männer aktiv. In der Dunkelheit sammelten die Experten mit Hilfe von Lichtfang zahlreiche Falter ein. Inzwischen sind die Schmetterlinge in Deutschland und ihre Bestimmung kann unter Umständen Jahre dauern, weiß Beck. Er selbst muss um die 2 000 Exemplare begutachten.

Insgesamt hat er rund 25 000 Falter aus fast allen Erdteilen in den vergangenen Jahrzehnten gefangen, aber auch durch Schenkung, Tausch oder Kauf erworben. In Dutzenden Sammelkästen sind sie geordnet und archiviert, benannt nach ihren Entdeckern und dem Kalenderjahr. Die Sammlung will er später dem Naturkundemuseum in Dresden zur weiteren wissenschaftlichen Aufarbeitung zur Verfügung stellen.

Mehrfach haben Beck und Karisch Falter entdeckt und als Erste beschrieben; sie durften ihnen darum auch Namen geben. Mit „Achrosis sandroi“ und „Achrosis selinae“ hat Klaus-Rüdiger Beck Schmetterlinge nach seinen Enkeln Sandro und Selina benannt, die Kinder seines Sohnes Michael. Auch seinem einstigen Lehrer Josef Weber hat er einen Falter gewidmet – Mesothisa josefweberi. Nach Ehefrau Ursula, die immer Verständnis für das Hobby des Mannes hat, ist aber bislang noch kein Flügler benannt. Dafür gibt es inzwischen einen kleinen Schmetterling namens: „Cyana klausruedigerbecki“.