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„Das Gesamtpaket stimmt nicht“

Rothenburgs bekanntester Polizeiprofessor verlässt die Hochschule. Und kritisiert, dass zu wenig geforscht wird.

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© fum

Von Frank-Uwe Michel

Wahrscheinlich bis Mai ist Dieter Müller wegen einer Hüft-OP noch außer Gefecht gesetzt. Aber auch danach wird man den Professor für Verkehrsrecht an der Hochschule der sächsischen Polizei in Rothenburg nur noch selten sehen. Warum das so ist, erklärt der 59-jährige Wahl-Bautzener, der hier vor mehr als 20 Jahren sein persönliches Glück gefunden hat, im SZ-Gespräch.

Welches Verhältnis haben Sie zum aktuellen Innenminister Roland Wöller?

Persönlich gar keins. Wir haben uns noch nicht kennengelernt. Beruflich ist er momentan noch mein Dienstherr.

Sie sagen „noch“?

Ja. Ich werde Sachsen verlassen.

Hat das mit dem früheren Innenminister Markus Ulbig zu tun, mit dem Sie sich ja mehrmals überworfen haben und der Sie wegen gegenteiliger Auffassungen über die Meinungsfreiheit sogar abgemahnt hat?

Es hängt schon mit dem Innenministerium zusammen, allerdings muss man die Gründe differenziert betrachten. Man hatte mir 1994 die Zusage gegeben, nach abgeschlossener Promotion eine Professur für Verkehrsrecht zu bekommen. Daran hält man sich aber nicht. Enttäuscht bin ich auch vom Rothenburger Rektor, der sich nicht dafür eingesetzt hat.

Sie lehren aber auch jetzt schon Verkehrsrecht an der Polizeihochschule. Warum ist Ihnen eine eigene Professur so wichtig?

Ich bin nur angestellter Dozent. Eine Professur hätte viele Vorteile. Man könnte freier forschen, zusätzliches Personal gewinnen – auch wissenschaftliche Mitarbeiter, die es momentan in Rothenburg überhaupt nicht gibt. Immerhin wird nun ein Forschungsinstitut aufgebaut. Bisher haben das ein paar Lehrkräfte in Eigeninitiative getan. Drei Personen, davon sind zwei schon im Ruhestand. Überhaupt steht unter den Dozenten ein großer Umbruch an. Zwei junge, hoffnungsvolle Leute sind schon da, für Politologie und Kriminologie. Man muss aber auch die Kernbereiche stärken. Und da gehören nun einmal Verkehr und Einsatz dazu.

Ist die fehlende Professur der einzige Grund?

Der wichtigste sicherlich. Denn ich bin ein Mensch mit hohem Gerechtigkeitsempfinden und möchte kein Professor zweiter Klasse sein. Erschwerend kommt hinzu, dass ich seit vielen Jahren nicht mit dem sächsischen Innenministerium zusammenarbeiten konnte, ich durfte auf keinerlei Forschungsdaten zurückgreifen. Schließlich fehlt mir auch der Austausch mit Kollegen. In Rothenburg war ich immer Einzelkämpfer. Ich habe keine Lust mehr, weiter in meinem eigenen Saft zu schmoren.

Ist es denn schwierig, gute Leute nach Rothenburg zu holen?

Aus meiner Sicht stimmt das Gesamtpaket nicht. Die Stadt liegt nun einmal am äußersten Ende Sachsens, daran kann man nichts ändern. Deshalb sollte man versuchen, die zu besetzenden Stellen so attraktiv zu gestalten, dass man gute Leute dafür begeistern kann.

Sie persönlich würden sich nicht mehr umstimmen lassen?

Vielleicht, aber von der Hochschule hat es noch niemand versucht. Auch der neue Innenminister nicht.

Wie lange bleiben Sie noch?

Bis zum Herbst. Danach geht es entweder nach Nordrhein-Westfalen oder nach Bremen, vielleicht auch nach Bayern. Ich hoffe, dass ich dort andere, bessere Möglichkeiten bekomme.

Denken Sie, dass Sie dort wieder anecken könnten?

Ich glaube nicht. Ich bin ja kein Mensch, der den Streit sucht. Ich benenne Fehler, damit das passiert, was Wissenschaft leisten sollte – neues Wissen schaffen!

Wo sehen Sie Ihre Forschungsschwerpunkte?

Ich denke, man sollte die Zusammenarbeit der Polizei mit der Bußgeld- und der Fahrerlaubnisbehörde sowie der Staatsanwaltschaft optimieren. Unfälle entstehen zu 95 Prozent durch Fahrerfehler. Dafür gibt es Motive. Warum fährt man schneller als erlaubt, warum telefoniert man mit dem Handy oder hält den Sicherheitsabstand nicht ein? Hier kommt man nur durch Befragungen weiter. Der Polizei müssen die Fahrer keine Auskunft geben, der Fahrerlaubnisbehörde schon. Es gibt viele gesetzliche Möglichkeiten, die im Frühjahr wieder aktiver werdende Raserszene auszudünnen. Aber sie werden bisher zu wenig genutzt. Hier gibt es in der Forschung ein weites Betätigungsfeld.