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Das gerettete Sorgenkind

Das Eingangsgebäude zur Weberstraße war lange ein Problemfall. Doch mit ein paar architektonischen Kniffen finden sich jetzt ganz schnell Mieter.

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© Nikolai Schmidt

Von Ingo Kramer

Görlitz. Philipp Metz hatte ein Problem: Licht. Sein Eckhaus an der Weberstraße erschien ihm wegen der vielen dunklen Räume lange Zeit unvermietbar. Der Bremer, der als Selbstständiger in der Logistikberatung tätig ist, hat sich deshalb lange nicht an die Sanierung des Eckhauses Weberstraße 11/Jakob-Böhme-Straße 2 herangetraut. Stattdessen hat er zuerst die Jakob-Böhme-Straße 5 und dann die Nummer 4 saniert.

November 2011: Das Dach war völlig kaputt. Mit Fördermitteln wird es ersetzt. Nur ein kleiner Teil (rechts im Bild) und der Schornstein können erhalten werden.
November 2011: Das Dach war völlig kaputt. Mit Fördermitteln wird es ersetzt. Nur ein kleiner Teil (rechts im Bild) und der Schornstein können erhalten werden. © Nikolai Schmidt
Dezember 2014: Das Eckhaus hat ein neues Dach, ist aber ansonsten noch unsaniert. Der Eigentümer hat stattdessen zuerst das Nachbarhaus (rechts) saniert.
Dezember 2014: Das Eckhaus hat ein neues Dach, ist aber ansonsten noch unsaniert. Der Eigentümer hat stattdessen zuerst das Nachbarhaus (rechts) saniert. © Pawel Sosnowski
Februar 2016: Die Außensanierung ist abgeschlossen, innen dauern die Bauarbeiten voraussichtlich noch bis Mai. Ins Parterre zieht ein Restaurant.
Februar 2016: Die Außensanierung ist abgeschlossen, innen dauern die Bauarbeiten voraussichtlich noch bis Mai. Ins Parterre zieht ein Restaurant. © Nikolai Schmidt
An der Rückseite gibt es nun viele moderne Elemente wie Terrassen, Balkone und Glasfronten.
An der Rückseite gibt es nun viele moderne Elemente wie Terrassen, Balkone und Glasfronten. © Nikolai Schmidt

Gelöst hat Metz das Problem nun mit dem Görlitzer Architekten Wolfgang Kück, der aus Bremen stammt und seit Jahrzehnten mit Metz befreundet ist. „Wir wollten nicht einfach ein altes Haus fertigstellen, sondern zeigen, dass auch in zuvor verkorksten Grundrissen attraktives, modernes Wohnen möglich ist“, sagt der 61-Jährige. Die jetzige Sanierung sei wohl der gravierendste Umbau in der Geschichte des Hauses, die bis ins 13. oder 14. Jahrhundert zurückreicht. Über Fensterbänder, Gauben, gläserne Terrassentüren und andere Fassadenöffnungen hat Kück Licht hereingeholt. Und er nutzte noch einen zweiten Kniff: In den Wohnungen mussten einige Zwischenwände verschwinden, damit das Licht wirklich überall hingelangen kann.

Das Ergebnis ist für Görlitzer Verhältnisse ungewöhnlich: Entstanden sind sechs Zwei- bis Dreiraum-Wohnungen, die zwischen 60 und 200 Quadratmeter messen. „Das ist natürlich nicht gerade das, was sich Familien mit Kindern wünschen“, schränkt Kück ein. Aber Vier- bis Fünfraumwohnungen hätten eben mehr Wände gebraucht – und damit zwangsläufig auch dunklere Zimmer beinhaltet. Klassische Seniorenwohnungen sucht man hier ebenfalls vergeblich. Stattdessen sind moderne Loftwohnungen entstanden, die eher Paare als Familien anziehen. Paare, die es sich leisten können, großzügig und schick zu wohnen. „Ja, für Görlitz liegen die Wohnungen im oberen Preissegment“, sagt Kück. Ob das nun sechs, sieben oder gar acht Euro pro Quadratmeter sind, will er nicht verraten. Allerdings: „Bis auf eine kleine sind schon alle Wohnungen vermietet, ohne dass wir Werbung gemacht hätten.“ Zuzügler sind ebenso dabei wie alteingesessene Görlitzer. Manche Mieter sind pensioniert, doch es sind auch Berufstätige darunter. „Solche Häuser sprechen sich schnell herum“, sagt der Architekt.

Sogar für das Erdgeschoss ist der Vertrag unterschrieben: Hier eröffnet im Mai oder Juni ein Speise-Restaurant. Pächter und Stil des Lokals sind noch geheim. Fest steht jedoch, dass es 150 Quadratmeter groß sein wird, mit Küche und Nebenräumen sogar 200. Es hat große Fenster zur Weber- und zur Jakob-Böhme-Straße, und bei schönem Wetter soll es auch ein paar Tische draußen auf dem Bürgersteig geben. Im Innenhof dagegen nicht. Das wäre zu laut für die Mieter der Wohnungen. „Stattdessen bekommt der Koch im Hof sein Kräuterbeet“, sagt Kück. Fettabscheider, Abstell- und Technikräume dagegen werden im Keller untergebracht.

Mittlerweile ist die äußere Hülle fertiggestellt, der Innenausbau läuft und soll von oben nach unten fertiggestellt werden. „Die Dachgeschosswohnung übergeben wir als erste am 1. März“, sagt Kück. Sie kann sich sehen lassen. Die künftigen Mieter gelangen direkt aus dem Fahrstuhl in ihre riesige Wohnküche. Der Raum misst nach Aussage von Kück rund 110 (!) Quadratmeter und hat einen Ausgang zur 20-Quadratmeter-Dachterrasse, die gen Osten und Süden ausgerichtet ist. Im hinteren Teil des Raumes bleiben die alten Dachbalken sichtbar, in der Mitte der uralte Treppenaufgang, der aber künftig nicht mehr nutzbar sein wird, weil er zu niedrig ist. Stattdessen führt eine neue Treppe an der Außenseite nach unten. Auch ein gemauerter Kamin steht in dem Raum. In die andere Richtung gibt es noch ein Schlaf-, ein Arbeits- und ein Badezimmer, dazu ein Gästebad und sogar einen Saunaraum.

Etwas kleiner, aber auch mit Kaminofen und Sauna ausgestattet sind einige der darunterliegenden Wohnungen. Die kleineren müssen allerdings ohne Balkone auskommen, haben dafür aber teilweise sogar edle Stuckdecken. Über den Hauseingang Jakob-Böhme-Straße sind alle Wohnungen rollstuhlgerecht erreichbar. Das einzige, was aus Platzgründen nicht möglich war, ist ein Hinterausgang zum Hof. Den hat nur das Restaurant. Wollen die Mieter Müll wegbringen oder Kaminholz holen, müssen sie auf den Bürgersteig gehen und über diesen zum Hof. Doch bei all den anderen Vorzügen ist das zu verschmerzen.

Ursprünglich sollte das Eckhaus eine Pelletheizung bekommen. „Das war aber technisch schwierig umzusetzen, deshalb ist es nun eine Gasheizung geworden“, sagt Kück. Zudem erzeugt ein kleines Blockheizkraftwerk künftig Strom und Wärme. Wahrscheinlich wird die kleine Nahversorgungseinrichtung sogar für das Nachbarhaus Jakob-Böhme-Straße 4 mit reichen.

Nach Aussage von Kück war es nicht schwierig, Genehmigungen für all die modernen Elemente zu bekommen: „Wir haben immer Lösungen gefunden.“ So seien zwar einerseits an der Rückseite große Öffnungen entstanden, andererseits aber hat die Frontseite ihre historische Fassade zurückerhalten: „Wir haben die Schaufenster nicht dringelassen, sondern mit viel Aufwand das historische Bild wiederhergestellt.“ So seien Pfeiler wieder eingebaut und dafür Stahlträger entfernt worden. Eine bemalte Decke haben die Handwerker ausgebaut. Sie wird jetzt im Heißluftverfahren vom Schwamm befreit und nachher in einem Raum des künftigen Restaurants eingebaut. „Bis zur Eröffnung im Mai oder Juni werden wir mit allem fertig sein“, ist der Architekt überzeugt.