Merken

Das Geld vor der Haustür

Verschenkt die Stadt jährlich Tausende Euro, weil sie anlegende Schiffe nicht zur Kasse bittet? Die Verwaltung widerspricht diesem Vorwurf.

Teilen
Folgen
© Claudia Hübschmann

Von Nina Schirmer

Meißen. Heutzutage bekommt man nichts geschenkt. Ein Spruch, der wahrscheinlich zu allen Zeiten galt. Töricht ist aber, wer das Geld, das vor der Haustür – oder im Meißner Fall an der Elbe – liegt, nicht einsammelt. Dieser Anschuldigung sieht sich derzeit die Stadtverwaltung ausgesetzt.

Der Vorwurf: Die Stadt halte ihre eigene Entgeltordnung für das Anlegen von Schiffen nicht ein. Die Verordnung verspricht der Stadt jedes Mal dann Geld, wenn in Meißen ein Schiff anlegt. Anstatt die Gebühren selbst zu kassieren, habe die Verwaltung die Kais an der Elbe jedoch an einen Privatinvestor verkauft und ließe sich dadurch jährlich schätzungsweise rund 100 000 Euro durch die Lappen gehen. Diese Nachricht kursiert derzeit in Meißen und hat im Rathaus für Unmut gesorgt. „Die Unterstellung, dass die Entgeltordnung nicht angewendet wird, stimmt nicht“, sagt Stadtsprecher Philipp Maurer. Tatsächlich ist die Angelegenheit etwas komplizierter.

Zunächst einmal haben Städte an der Elbe grundsätzlich keine Besitzansprüche auf Flussabschnitte. Denn die Elbe ist eine Bundeswasserstraße. Karsten Wild vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Dresden (WSA) erklärt: Das WSA hat die Möglichkeit, bestimmte Abschnitte des Flusses, darunter Bereiche für Anlegestellen, zu verpachten. Um einen Kai zu betreiben, brauchen die Pächter eine sogenannte strom- und schifffahrtspolizeiliche Genehmigung. „Das kann man sich wie eine Baugenehmigung vorstellen“, sagt Wild. In der Regel seien die Pächter jedoch keine Städte, sondern Privatunternehmen.

In Meißen trifft beides zu. Eine Anlegestelle gehört der Stadt, die andere der Kabinenschifffsanleger Donau-Elbe GmbH (KDE). „Anders als behauptet wird, hat die Anlegestelle der KDE der Stadt noch nie gehört“, sagt Stadtmarketingchef Christian Friedel. Vielmehr habe die KDE den Anleger 1991 von der insolventen Reederei Deilmann übernommen. Der andere Kai an der Elbe ist im Besitz der Stadt. „Hier erheben wir entsprechend unserer Entgeltordnung Gebühren für das Anlegen von Schiffen“, sagt Friedel. Zwei Stunden etwa kosten 80 Euro, Liegezeiten von acht bis 24 Stunden 310 Euro. Von Einnahmen im 100 000-Euro-Bereich könne jedoch keine Rede sein. 2014 hat die Stadt 6 700 Euro kassiert. Im vergangenen Jahr waren es nur 1 710 Euro, weil aufgrund des niedrigen Wasserpegels weniger Schiffe in Meißen angelegt haben.

Einer muss nicht bezahlen

Die Schiffe müssen also zahlen. Mit einer Ausnahme: Die Kähne der Sächsischen Dampfschiffahrt dürfen in Meißen kostenlos anlegen. Im Gegenzug übernimmt die Gesellschaft die Pflege und Wartung des Anlegers. Für die Stadt sei das eine lohnende Vereinbarung, sagt Friedel. Denn die Instandhaltung eines Kais ist keine günstige Angelegenheit. Das bestätigt auch Karsten Wild vom Schifffahrtsamt. Hinzu können Kosten von mehreren Tausend Euro kommen, wenn der Anleger beispielsweise bei Hochwasser herausgehoben werden muss. Ein finanzielles Risiko, das die Stadt nicht eingehen will. 285 Euro erhält sie stattdessen jährlich von der Sächsischen Dampfschiffahrt – als Ablöse sozusagen. „Wir wollen, dass mit den anlegenden Schiffen Touristen in die Stadt kommen“, sagt Friedel. „Da dürfen wir die Sächsische Dampfschiffahrt nicht durch zu hohe Gebühren verprellen.“ Momentan gebe es eine Win-win-Situation für beide Seiten, so der Marketingchef.

Auch andere Gemeinden an der Elbe betreiben Anlegestellen nicht selbst. Dresden etwa besitzt gar keine Kais. Die Stege am Terrassenufer gehören bis auf drei der Sächsischen Dampfschiffahrt. Auch die anderen Anlegestellen entlang der Fahrtrouten der Sächsischen Dampfschiffahrt – beispielsweise die in Pirna und Bad Schandau – sind Eigentum des Unternehmens. Andere Reedereien müssen Gebühren an die Gesellschaft zahlen, wenn sie in den Städten anlegen möchten. Der Preis sei Verhandlungssache, sagt Gerd-Rüdiger Degutsch, Leiter der Abteilung Technik.

Obwohl sich Meißen gegen den Vorwurf des Geldverschwendens wert: Oberbürgermeister Olaf Raschke (parteilos) hat die Rechnungsprüfung beauftragt, den Sachverhalt noch einmal zu prüfen.