Merken

„Das Geld reicht nicht“

Orchesterchefin Carola Gotthardt erklärt, warum es ohne Aushilfen nicht mehr geht und warum ihre Musiker oft nicht wissen, wo sie als nächstes spielen.

Teilen
Folgen
© Sebastian Schultz

Landkreis. Sie haben getrennte Häuser, verschiedene Internetseiten und unterschiedliche Namen. Trotzdem sind die Landesbühnen und die Elbland-Philharmonie Sachsen zu einer untrennbaren Einheit geworden. Eine Einheit, die dringend mehr Geld braucht, um trotz der komplizierten Absprachen in Zukunft weiter funktionieren zu können, wie die Chefin der Elbland-Philharmonie erklärt.

Frau Gotthardt, in Sachsen gibt es das Kulturraumgesetz, welches die Finanzierung von nichtstaatlichen Kultureinrichtungen garantieren soll. Auch die Elbland-Philharmonie wird so finanziert. Ganz simpel gefragt: Reicht dieses Geld, mit 1,9 Millionen der größte Posten, derzeit wirklich aus?

Nein, es reicht nicht aus. Mit dieser Zuwendung wurde die damalige Neue Elbland-Philharmonie, die es bis 2012 gab, finanziert, aber immer untertariflich. Seit der Fusion von Elbland-Philharmonie und dem Orchester der Landesbühnen Sachsen sieht die Finanzierung der neuen Elbland-Philharmonie Sachsen so aus: Das vereinte Orchester erhält 2,6 Millionen Euro von den Landesbühnen für die Erbringung von Orchesterleistungen für das Musiktheater. Es gibt einen Leistungsvertrag darüber, wie viele Proben und Konzerte wir in welcher Besetzung erbringen müssen. Diese 2,6 Millionen werden im Grunde vom Freistaat zur Verfügung gestellt, da er Gesellschafter der Landesbühnen ist. Dann bekommen wie die 1,9 Millionen Euro aus dem Kulturraum Meißen – Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, von denen Sie gesprochen haben, dazu noch mal 0,45 Millionen hälftig vom Landkreis Meißen und die andere Hälfte vom Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, außerdem rund 51 000 Euro Sitzgemeindeanteil Riesa.

Und davon werden 72 Vollzeitmusikerstellen finanziert ...

... in die sich derzeit 84 Musiker teilen. Allerdings noch auf dem Tarifniveau von 2009, da der Haustarifvertrag Anpassungen nicht vorsieht. Aber wenn die Verträge, die 2012 geschlossen wurden, im Jahr 2018 auslaufen, steigt die Vergütung der Musiker auf das dann gültige Tarifniveau. Das wird fast 20 Prozent höher sein als derzeit.

Diese 20 Prozent bräuchten Sie dann auch mehr?

So ist es.

Rechnen Sie sich Chancen aus, dieses Geld auch zu bekommen?

Ich rechne mir Chancen aus, mehr zu bekommen – 20 Prozent, mehr wage ich aber nicht zu hoffen. Aber ich habe schon eine gewisse Hoffnung, dass allen Beteiligten – also den Begründern der Kooperation und den Trägern des geeinten Orchesters – bewusst ist, dass man es sechs Jahre nach der Fusion nicht auf einem Tarifniveau lassen kann, das fast zehn Jahre Rückstand zum Flächentarif aufweist. Das ehemalige Orchester der Landesbühnen gehörte ja sogar zu einer Einrichtung des Freistaates.

Ministerin Eva-Maria Stange sagte vor Kurzem im SZ-Interview: „Ich wünsche mir mehr Engagement für Orchester und Theater.“ Das klingt doch positiv.

Ja, und natürlich freuen wir uns über solche Äußerungen, die unsere Arbeit wertschätzen und unterstützen sollen. Die Staatsministerin meint damit in diesem Zusammenhang aber sicherlich vor allem, dass sich die Kommunen – Städte, Gemeinden und Landkreise – stärker an unserer Finanzierung und der der Landesbühnen Sachsen beteiligen sollen.

Was bedeutet das konkret?

Die Landesbühnen Sachsen bekommen 3,2 Millionen Euro aus dem gesamten sächsischen Kulturraumetat, bevor dieser Etat von insgesamt 87 Millionen Euro verteilt wird. Diese Entnahme ist in der kulturpolitischen Diskussion strittig. Einige Akteure möchten, dass der Betrag wieder in den „Gesamttopf“ kommt und anderweitig finanziert wird. Die Staatsministerin wirbt dafür, dass die Summe zumindest teilweise von den Städten, Gemeinden und Landkreisen übernommen wird, in denen die Landesbühnen auftreten.

Ist das realistisch?

Das können natürlich nur die Verantwortlichen beurteilen. Meiner Ansicht nach ist es schwierig, denn bedingt durch die Nähe zu den kulturellen Zentren in Dresden und Leipzig gab es für die Kommunen hier weniger Anlass, sich finanziell so stark für Kunst und Kultur zu engagieren wie in anderen Kulturräumen. Man hat zum Beispiel in Kulturstätten investiert, in denen wir als Orchester seit vielen Jahren auftreten – zum Beispiel der Zentralgasthof Weinböhla, das Theater Meißen oder das Schloss Großenhain. Diese Häuser haben keine eigenen Ensembles, sondern engagieren diese als Gastspiele. Wenn jetzt die Städte, Landkreise oder unser Kulturraum aufgefordert werden, sich an der Finanzierung der Landesbühnen stärker oder überhaupt zu beteiligen, befürchte ich, dass diese darauf auch perspektivisch gar nicht eingerichtet sind. Und wir haben ein wenig Angst, dass die Forderung noch lauter wird.

Warum?

Wie gesagt benötigen wir ja mehr Geld, um das Orchester wieder an eine tarifliche Bezahlung heranzuführen. Hierfür muss ich bei allen an der Kooperation Beteiligten um Verständnis und um einen finanziellen Beitrag werben – und dies noch in diesem Jahr, damit die Kooperationsverträge erneuert werden können. Wenn jetzt gefordert wird, dass sich die Landkreise oder der Kulturraum an der Finanzierung der Landesbühnen beteiligen sollen, fehlen diese Mittel möglicherweise an der Finanzierung des Orchesters. Diese Bedenken haben wir der Ministerin bei ihrem Besuch auf der Kulturraumtour mitgeteilt und ich glaube, dass sie unsere Ängste verstehen konnte.

Werden dies 72 Musikerstellen in den nächsten Jahren noch reduziert?

Eigentlich ist das nicht vorgesehen. Im Zuge der Fusionsverhandlungen der Orchester wurde die finanzierbare Größe ja mit 72 Stellen festgelegt. Natürlich wird das Orchester diese Grenze durch Altersabgänge in den nächsten zehn Jahren unterschreiten. Da muss dann wieder mal ein junger Musiker eingestellt werden. 72 ist unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten eine Stellenzahl, mit der man die Doppelbespielung mit Hilfe von Aushilfen noch organisieren kann. Wir sind ja schon heute nicht wirklich zwei spielfähige Orchester. Einige Instrumentengruppen sind nur einfach besetzt. Die Musiker rotieren in den Diensten der Doppelbespielung – das zu organisieren, ist ein hoher verwaltungstechnischer Aufwand. Wenn man die Musiker fragt, wo sie übermorgen spielen, müssen sie erst in ihren Dienstplan schauen.

Gibt es denn genug talentierte und interessierte Nachwuchsmusiker?

Ja, die gibt es. Aber wir haben ja leider einen Einstellungsstopp und die Maßgabe, Personal abzubauen, bis die 72 Stellen erreicht sind. Deshalb arbeitet das Orchester mit Aushilfen. Das sind entweder Musiker, die freiberuflich arbeiten, oder Musiker aus anderen Orchestern.

Die Aushilfen bis zu den 84 bräuchte man trotzdem immer?

Genau, und darüber hinaus. Derzeit haben wir noch Instrumentengruppen, die überbesetzt sind, und andere, die schon seit 2012 unterbesetzt sind. Es gibt zum Beispiel nur einen ersten und einen zweiten Fagottisten. Aber in nahezu jedem Konzert brauchen Sie ein erstes und zweites Fagott, sodass hier eine parallele Bespielung mit eigenem Personal schon jetzt nicht möglich ist. Aber die Arbeit mit den Orchesteraushilfen läuft bisher sehr gut.

Das Gespräch führte Dominique Bielmeier.