Merken

Das Gedächtnis der Stadt

Die städtische Kunstsammlung hat eine besondere Bedeutung für Radebeul. Zum 25-jährigen Jubiläum wird das sichtbar.

Teilen
Folgen
© Norbert Millauer

Nina Schirmer

Radebeul. Den weißen Rauschebart hatte er schon 1988. Damals saß Klaus Liebscher seinem Künstlerfreund Gunter Herrmann Porträt. Jetzt, 29 Jahre später, hängt dieses Bild in der Stadtgalerie in Altkötzschenbroda und symbolisiert in zweierlei Hinsicht, was die städtische Kunstsammlung so besonders macht: Das Bild zeigt einen Radebeuler und es wurde geschaffen von einem Radebeuler Künstler. Wie die vielen anderen Stücke der Sammlung ist dieses Werk damit Teil des kulturellen Gedächtnisses der Stadt.

Weit über 2 000 Exponate aus drei Jahrhunderten gehören zur Sammlung. Darunter viele Konvolute, zum Beispiel Mappen von Künstlern mit mehreren Arbeiten, die nicht einzeln mitgezählt sind. Dass die Kunstsammlung der Lößnitzstadt heute in diesem Umfang existiert, ist keine Selbstverständlichkeit. Die Kunstszene war hier zwar schon immer groß. Die Nähe zu Dresden und der dortigen Kunsthochschule bedingten das. Viele Maler zog es nach Radebeul, weil sie hier die Natur vor der Tür hatten. Ihr Werke landeten deshalb aber nicht automatisch in einer systematischen Sammlung. Dahinter steckt Arbeit.

Die macht sich vor allem Stadtgaleristin Karin Baum. Seit 1992 kümmert sie sich um die Sammlung. Jetzt einen Teil davon für die Jubiläumsausstellung auszuwählen, war nicht leicht. „Ich war selber erschrocken, was sich alles angesammelt hat“, sagt sie. Erschrocken aber im positiven Sinne. Denn die Breite der Sammlung reicht von den vielen Stadt- und Landschaftsansichten, über Tierzeichnungen und Akten bis zur Darstellung geschichtlicher Ereignisse oder einfach des Alltags einer Zeit.

Alle Werke zu sammeln, die in Radebeul geschaffen wurden, ist freilich nicht möglich. Braucht man auch nicht, findet Karin Baum. Aber Ausschnitte zu haben, das findet die Galeristin wichtig.

Mit einem Budget von 2 000 Euro im Jahr kann auch gar nicht alles gekauft werden. Die Sammlung ist auf Schenkungen angewiesen. Und dafür braucht es Vertrauen. Die Künstler oder ihre Hinterbliebenen müssen wissen, dass die Arbeiten in guten Händen sind. 2009 wurden für die Sammlung eigene Depoträume geschaffen. Die Räume sind klimatisiert, um beste Bedingungen für die Lagerung der Kunstwerke zu haben.

Zu den ältesten Stücken gehört ein Stich eines Löwens aus den 1880er-Jahren. Signiert ist das Bild mit den Buchstaben I.E.R.F. Wer sich hinter dem Kürzel verbirgt, weiß selbst Karin Baum nicht, die sonst so gut wie über jeden Künstler aus der Sammlung Bescheid weiß. Das Löwenbildnis ist von der Hoflößnitz in die Sammlung gekommen. Mit der Umwandlung des städtischen Museums in die Stiftung Weingutmuseum Hoflößnitz gingen 1997 alle Werke, die nicht den Weinbau thematisieren in die städtische Kunstsammlung ein.

In der Jubiläumsausstellung ist auch der allererste Ankauf zu sehen: das Gemälde „Meine Umgebung“ aus dem Nachlass des Radebeuler Malers und Grafikers Heinz Drache. Ein Bild, das mit dem Klischee der Lößnitzidylle bricht. Es entstand 1959 und zeigt Mietshäuser, Schuppen, Fabrikgebäude und Schornsteine eines Radebeuler Industriegebiets.

Im nächsten Jahr geht Karin Baum in den Ruhestand. Dann braucht die Stadt einen Nachfolger, der sich mit gleicher Leidenschaft für den Erhalt der Kunstsammlung einschätzt. Das wird nicht leicht. Für die Zukunft hat die Galeristin einen Traum: ein Schaudepot, in dem jeder die Kunstschätze der Stadt bewundern kann.

Die Ausstellung zum 25-jährigen Jubiläum der städtischen Kunstsammlung wird am heutigen Freitag um 19.30 Uhr in der Stadtgalerie eröffnet.