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Das Fußball-Urgestein

Christian Müller wird am Sonntag 75. Er war Gründungspräsident des GFV 90. Und trainiert immer noch die Bambinis.

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© Anne Hübschmann

Von Thomas Riemer

Großenhain. „Christian ist da!“ Wenn Großenhainer Nachwuchs-Fußballer derzeit draußen trainieren, dann meist auf dem Kunstrasenplatz im Sportpark Husarenviertel. Der ist hell erleuchtet. Dank Flutlicht können hier bei entsprechendem Wetter auch die jüngsten Kicker des Großenhainer Fußballvereins dem runden Leder beim Training nachjagen. Ganz im Verborgenen, in einer dunklen Nische jenseits des Begrenzungszaunes ein kleiner roter Pkw. Wieder einmal ist Christian Müller, das Urgestein des Großenhainer Fußballvereins, stiller Beobachter. Kaum eine Trainingseinheit der Teams verpasst er. Das Gros der Spieler auf dem Platz kennt er seit deren Kindheit – denn seit vielen Jahren ist er schlechthin der Scout des Vereins. Noch heute fährt Müller in den Mittagsstunden an Schulen und Kindereinrichtungen vorbei, um vielleicht dieses oder jenes Talent und dessen Eltern fürs Kicken zu begeistern.

Andreas Vogel, Präsident Großenhainer Fußballverein
Andreas Vogel, Präsident Großenhainer Fußballverein © Klaus-Dieter Brühl

Morgen wird Christian Müller ausnahmsweise mal nicht auf dem Fußballplatz zu finden sein. Schließlich will der frühere Stadtrat seinen 75. Geburtstag mit Freunden und Weggefährten feiern. Davon gibt es Unzählige. Denn der Jubilar hat eine eindrucksvolle fußballerische Karriere, freilich nicht im Profisport, hinter sich. Immerhin: Als Spieler schaffte er es bis in die 2. DDR-Liga, hielt als Keeper von 1970 bis 1975 den Kasten bei der damaligen TSG Gröditz möglichst rein. In Großenhain war die BSG Landtechnik seine langjährige sportliche Heimat. Als Übungsleiter führte Müller das Männerteam bis in die Bezirksklasse.

Viele Jahre in den 1990ern war er dann sogar Präsident. Denn Christian Müller gehörte am 22. Juli 1990 zu den Gründern des neuen Großenhainer Fußballvereins. Es war der längst fällige Zusammenschluss der Betriebssportgemeinschaften Landtechnik und Fortschritt. Die „Jahnwiese“ wie er liebevoll die Heimstätte des GFV 90 im Stadtpark bezeichnet, wurde sein heimliches Wohnzimmer. Hier knüpfte er die Fußballfäden der Röderstadt, organisierte die Nachwuchsarbeit. Wenn andere längst daheim die Beine lang machten, zog er die Trainingssachen an, um die A-Jugend und die „Bambinis“ selbst anzuleiten.

Natürlich vor allem mit den Stimmen der Großenhainer Sportler wurde Christian Müller 1994 in den Stadtrat gewählt. Für die Freie Wählergemeinschaft Großenhainer Sport. Als „Alleinkämpfer“ zwischen den Kollegen aus CDU, PDS (heute Die Linke), SPD, FDP war er mit seiner Stimme immer mal das Zünglein an der Waage. Er half, den Neubau des heutigen Sozialgebäudes auf der Jahnkampfbahn durchzuboxen. Erst als GFV-Präsident, später als Geschäftsführer. Dass er vehement gegen den Neubau eines Kunstrasenplatzes und die städtischen Bestrebungen der dortigen neuen Heimat für den GFV war, daraus machte er bei jeder sich bietenden Gelegenheit kein Hehl. „Der Fußball gehört in den Stadtpark auf die Jahnwiese“, so sein Credo. Dass der Hartplatz neben der „Jahnwiese“ Hartplatz blieb, störte ihn weniger. Im Gegenteil: Auf dem schwierigen Geläuf, so seine Auffassung, lernen die jungen Kicker, sich durchzubeißen. Auch deshalb machte er sich in jüngerer Vergangenheit stark für einen zusätzlichen Kleinfeldplatz im Stadtpark – und setzte sich durch. Inzwischen hat Christian Müller auch seinen Frieden mit dem Kunstrasenplatz gemacht. Das, so der heutige GFV-Präsident Andreas Vogel, sei ein langwieriger Prozess gewesen, verbunden mit vielen Diskussionen. Letztlich habe die Akzeptanz die Oberhand gewonnen, das städtische Angebot für den Neubau an der heutigen Stelle anzunehmen. Auch bei Christian Müller.

Vor 15 Jahren zog er sich aus Leitungsfunktionen beim GFV zurück – nicht aber als Übungsleiter und Nachwuchsförderer. „Nach dieser Saison höre ich aber damit auf.“ Wie oft die aktuellen GFV-Vorstandsmitglieder und Freunde Müllers diesen Satz in den vergangenen Jahren aus seinem Mund gehört haben! Bis heute ist es zum Glück bei der „Drohung“ geblieben. Nach wie vor trainiert Christian Müller die Jüngsten beim GFV, gemeinsam mit Steffen Kührt. Gerade erst haben seine Kicker beim Hallenturnier in der Rödertalhalle einen beachtlichen 3. Platz erkämpft – und der Coach und Ehrenpräsident mittendrin.

„Christian ohne Fußball – das geht überhaupt nicht“, sagt Andreas Vogel, seit vier Jahren GFV-Präsident und nach Wolfgang Wilhelm und Gert Nitzsche Müllers Nachfolger. „Der kennt den Verein wie kein anderer.“ 80 Prozent der Spieler der heutigen Landesliga-Mannschaft, schätzt Vogel, seien durch Müller überhaupt zum Fußball und zum GFV gekommen. Er selbst habe in seiner Zeit als Vize- und als Präsident unbändig von den Erfahrungen des Ehrenpräsidenten gezehrt. „Christian ist eine Großenhainer Fußball-Legende“, sagt Andreas Vogel.

Unbemerkt, doch stets dabei

Zurecht erhielt Christian Müller zahlreiche Ehrungen. Er war Sachsens „Sport-Ass“, wurde mit der Kleinen Preuskermedaille und vielen weiteren Auszeichnungen bedacht. Wirklich wichtig war ihm das aber nicht.

Viel lieber steigt er auch heute noch in sein Auto, um den Nachwuchs beim Training zu beobachten. Im Verborgenen, aus dem Fahrzeug heraus, hinter den Zuschauerbarrieren. Oder – wie gerade erst wieder in den Ferien – von den Traversen der Rödertalhalle beim Trainingscamp des GFV. Unbemerkt – und doch stets gegenwärtig.