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Das etwas andere Dorf

In Panitz hat sich in 25 Jahren die Einwohnerzahl verdoppelt. Jeder vierte Bewohner ist 18 Jahre und jünger.

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Von Jürgen Müller

Kennen Sie Panitz? Wer von Riesa in Richtung Autobahn fährt, der passiert kurz vor Stauchitz das Dorf. Besser gesagt, er lässt es rechts liegen. Dabei würde es sich lohnen, mal kurz abzubiegen von der Bundesstraße und sich das „Schönste Dorf des Landkreises Meißen“ anzusehen. Zugegeben, auf den Titel müssen die Panitzer jetzt nicht besonders stolz sein. Die Zahl der Mitbewerber hielt sich - freundlich formuliert - in Grenzen. In ganz engen Grenzen. Es gab nämlich keine. Und dennoch hat sich Panitz den Titel verdient. Denn dieses Dorf ist so ganz anders als viele Dörfer im Landkreis.

Lisbeth Schmidt ist die jüngste Einwoh- nerin.
Lisbeth Schmidt ist die jüngste Einwoh- nerin.
In Panitz wachsen sogar Zitronen wie hier bei Kniesels.
In Panitz wachsen sogar Zitronen wie hier bei Kniesels.
Stammen aus Stauchitz und zogen aus Leipzig zurück in die Gemeinde: Patricia und Andreas Schmidt. Über Jahre sanierten sie einen über 200 Jahre alten Bauernhof, auf dem sie mit drei Kindern leben.Fotos: Jürgen Müller
Stammen aus Stauchitz und zogen aus Leipzig zurück in die Gemeinde: Patricia und Andreas Schmidt. Über Jahre sanierten sie einen über 200 Jahre alten Bauernhof, auf dem sie mit drei Kindern leben.Fotos: Jürgen Müller

Die idyllische Lage ist es nicht, was das Dorf so besonders macht, auch nicht der ertragreiche Boden der Lommatzscher Pflege. „Es ist das Miteinander hier im Ort. Neue Mitbürger werden freundlich aufgenommen, jeder hilft jedem“, sagt Winfried Weller, der vor über 20 Jahren auch mal ein Zugezogener war. Längst sind er und seine Familie in Panitz heimisch geworden.

Oder Karl-Heinz Kniesel. 1977 zog er nach Panitz, auf das Grundstück der Schwiegereltern. Schon zu DDR-Zeiten war er selbstständig, führt jetzt eine Heizungsbaufirma. In der sind auch seine beiden Söhne und eine Schwiegertochter beschäftigt. Sie gingen eben nicht wie so viele in den Westen, sondern blieben hier, weil sie eine Arbeit haben. Fünf Familien wohnen heute in dem Wohnhaus. Auch ein ehemaliger Stall wurde ausgebaut, das Gebäude bietet Platz für weitere vier Familien. Und selbst im neu gebauten Firmengebäude wohnt im Dachgeschoss eine Familie mit vier Kindern.

Viele junge Frauen

„Die Jungen wohnen hier und sind teilweise zurückgekehrt“, sagt Winfried Weller. So wie Patricia und Andreas Schmidt. Sie stammen aus Stauchitz, wohnten in Leipzig, haben 2007 ein altes Fachwerkhaus gekauft, jahrelang saniert und ausgebaut. Hier leben sie mit ihren drei Kindern Benno (11), Emilia (7) und Lisbeth. Sie ist gerade mal vier Wochen alt, damit die jüngste Einwohnerin von Panitz. „Wir haben hier eine Idylle, viel Ruhe und viel Platz für die Kinder zum Spielen“, schwärmt Andreas Schmidt. Und auch die Infrastruktur stimmt. Nur einen Steinwurf entfernt liegt Stauchitz. Dort gibt es Kindertagesstätte, Grundschule, Oberschule, Arzt, Einkaufsmöglichkeiten. Während viele Dörfer vergreisen, die Einwohner wegziehen oder sterben, gibt es in Panitz eine gegenteilige Entwicklung. Seit 1990 hat sich die Einwohnerzahl verdoppelt. 96 Frauen, Männer, Jugendliche und Kinder wohnen dort. Jeder vierte Einwohner ist jünger als 18 Jahre. Und in der Gruppe der 20- bis 29-Jährigen gibt es ausschließlich junge Frauen. Ein Grund für den Einwohnerzuwachs ist der Bau eines Mehrfamilienhauses mitten im Ort. 25 Neu-Panitzer wohnen jetzt dort.

Nach der Wende hat sich Panitz von einem Ort mit überwiegend landwirtschaftlichen Betrieben zu einem Dorf mit Wohnbebauung, Handwerk, Gewerbe und Dienstleistungen entwickelt. So wurden hier eine Haustechnikfirma, ein Waschsalon, eine Versicherungsvertretung und eine Sanitär- und Heizungsfirma durch Einwohner des Dorfes angesiedelt. Die umfangreichen landwirtschaftlichen Nutzflächen wurden an die Agrargenossenschaft des Nachbardorfes verpachtet.

Auch begünstigt durch die beiden Heizungsbaufirmen im Ort nutzen viele Häuser alternative Energiequellen, wie Warmwassergewinnung über Sonnenkollektoren oder Photovoltaikanlagen. Auch in die alten Häuser wurden energieeffiziente Heizanlagen eingebaut. Viele neue Häuser wurden als Niedrigenergiehäuser errichtet, wobei das erste Niedrigenergiehaus bereits im Jahr 1994 errichtet wurde. Es ist das von Familie Weller. „Es entspricht auch heute noch den Anforderungen der Wärmeschutzverordnung“, sagt Winfried Weller. Nachbarschaftshilfe werde in dem Dorf groß geschrieben. „Ob es nun darum geht, ältere Einwohner zum Arzt oder zum Einkaufen zu fahren oder einen Babysitter zu stellen oder das Haus und den Garten des Nachbarn im Urlaub zu versorgen, immer findet sich eine Lösung“, sagt er.

Traditionen werden im Dorf noch gepflegt. Hierzu zählen zum Beispiel das Osterfeuer und das Rankewinden. Bei Jubiläen und großen Festlichkeiten, wie Hochzeit, Silberhochzeit wird für das Haus der Jubilare eine Ranke von den Frauen des Dorfes gebunden.

Um die Einwohner über die Aktivitäten im Ort zu informieren, gibt es sogar einen eigenen Schaukasten. „Neubürger werden von Anfang an zu allen Aktivitäten eingeladen und können sich so schnell in das dörfliche Leben integrieren. Jeder darf, keiner muss, doch wer nicht will, wird deswegen nicht ausgegrenzt“, sagt Weller.

„Panitz zeigt, dass es sich lohnt, auf dem Dorf zu leben“, sagt der Stauchitzer Bürgermeister Frank Seifert (parteilos). Hier ist die Welt noch in Ordnung. Mitten im Ort grasen glückliche Kühe auf frischen, grasgrünen Wiesen. Die Wohngrundstücke sind äußerst gepflegt, doch nicht nur hier legen die Panitzer Hand an. Auf Initiative der Einwohner wurde an zentraler Stelle der Dorfplatz mit einer Pumpe und einer alten Weide von der Gemeinde neu gestaltet. Die Pflege dieses Dorfplatzes haben die Einwohner selbst übernommen und führen regelmäßige Arbeitseinsätze durch.

Sorgenkind Alte Mühle

Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Die Panitzer haben ihr Sorgenkind. Es ist die Alte Mühle, die seit Jahren dem Verfall preisgegeben ist. Dabei könnte das historische, denkmalgeschützte und ortsprägende Gebäude zukünftiger kultureller Mittelpunkt des Dorfes werden. Ein Nutzungskonzept gibt es zwar, doch es umzusetzen, scheitert an den Eigentumsverhältnissen.

Das „Schönste Dorf des Landkreises Meißen“ will mehr. Panitz möchte nun auch schönstes Dorf Sachsens werden, hat sich beim 9. Landeswettbewerb beworben. Diesmal ist die Konkurrenz deutlich größer, es gibt 17 Mitbewerber. Panitz ist das mit Abstand kleinste Dorf auf der Liste. „Wir haben keine Feuerwehr, keinen Chor, keinen Karnevalsverein. Es ist wie ein Spiel Landesliga gegen Bundesliga. Wir haben kaum eine Chance, aber die wollen wir nutzen“, sagt Winfried Weller.