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Das Ende der Hausschuhwerke

Ein Großteil der Industriebrache soll in diesem Jahr verschwinden. Für die weitere Nutzung des Areals gibt es mehrere Varianten.

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© André Braun

Von Cathrin Reichelt

Hartha. Das Dach ist an vielen Stellen eingebrochen, die Fensterscheiben sind zerschlagen und im Inneren des Gebäudes wachsen Bäume. Aber nicht nur das. Die ehemaligen Hausschuhwerke werden auch als Mülldeponie missbraucht. Damit ist bald Schluss. Denn die Industriebrache soll in diesem Jahr abgerissen werden. Ein Gutachten des Bauplanungsbüros Reichenbach hatte bereits vor längerer Zeit ergeben, dass der finanzielle Aufwand für eine Sanierung und Instandsetzung des Gebäudes unwirtschaftlich ist.

Das Haus wird auch als illegale Mülldeponie missbraucht.
Das Haus wird auch als illegale Mülldeponie missbraucht. © André Braun

Jetzt hat die Stadt Hartha die Zusage für das für den Abriss nötige Fördergeld erhalten. Rund 400 000 Euro werden notwendig sein, um den Gebäudekomplex abzutragen und die Abbruchmaterialien zu entsorgen. 90 Prozent des Betrages stellt die Sächsische Aufbaubank zur Verfügung.

Derzeit werden die Arbeiten ausgeschrieben. Wann mit dem Abriss begonnen wird, steht noch nicht genau fest. Er werde sich aber über einen längeren Zeitraum hinziehen, erklärt Bauamtsleiter Ronald Fischer. Anschließend soll die Fläche vorerst mit Schotter befestigt werden. „Eine konkrete Nutzung ist noch nicht vorgesehen. Von Parkplätzen bis zu einer Bebauung ist alles möglich“, so Fischer.

Mit dem Abriss der Hausschuhwerke an der Sonnenstraße geht in Hartha nach 157  Jahren endgültig die Ära einer Branche zu Ende. Am 16. Juli 1860 hatte Hutmachermeister Julius Fein an der Albertstraße  27 (Karl-Marx-Straße) ein Geschäft für Filz- und Schuhwaren eröffnet. Das entwickelte sich schnell. Zur Übergabe an seine Söhne Arthur und Oskar im Jahr 1888 hatte die Firma bereits 70 Mitarbeiter. Für die Vergrößerung des Unternehmens zog es 22  Jahre später an die Dresdener Straße  107 um, auf dem ein 10 000 Quadratmeter großes Fabrikgebäude gebaut worden war.

In den 1920er-Jahren wurden die Produktionsanlagen erweitert und es kam ein weiteres Firmengrundstück an der Sonnenstraße dazu. Die Wirtschaftskrise in den 1930er-Jahren war der Grund für den Verkauf des Unternehmens an Hermann Müller. Er produzierte seit 1875 ebenfalls Schuhe in Hartha. Durch die ständige Erweiterung der Produktionsstätten hatte die Firma 1938 bereits 1 100 Mitarbeiter. Diese Zahl reduzierte sich durch die Mangelwirtschaft während des Zweiten Weltkrieges um 1945 auf 400 Mitarbeiter.

Letzter Versuch startet 2007

Im Jahr 1952 wurde der Betrieb in Volkseigentum überführt und erhielt die Bezeichnung Hausschuhwerke Hartha Stadt VEB, ab 1. Januar 1955 hieß er VEB Hausschuhwerke Hartha. Nach zehn Jahren erfolgte der Zusammenschluss mit anderen Fabriken zum VEB Vereinigte Hausschuhwerke. „Intra“ wurde das Firmenlogo. Zu Spitzenzeiten wurden in dem Unternehmen täglich bis zu 75 000 Paar Schuhe produziert – acht Eisenbahnwaggons voll.

Sechsmal gab es in den Jahren nach der Wende einen Neustart. Im September 2007 übernahm die Intra Beteiligungsgesellschaft und Co.KG die Produktion, in der anfangs sieben Mitarbeiter tätig waren. Drei Jahre später stellten 20 Mitarbeiter täglich etwa 445 Paar Hausschuhe für deutschlandweit 1 000 Kunden her.

Anfang 2012 gingen die Lichter in den Harthaer Hallen aus. Die Produktion von Intra wurde nach Frankenberg in die Gebha Produktion verlegt. Der Fabrikverkauf wurde von der Fischer Markenschuh GmbH übernommen und erfolgte noch zwei Jahre lang am alten Standort, bis im März 2014 der Umzug in den ehemaligen Schleckerladen an der Straße des Friedens erfolgte. Bis heute werden dort Kinder-, Damen und Hausschuhe angeboten.

Vor rund zwei Jahren hat die Firma MBW Metallveredlung ein zweites Gelände von Intra auf der gegenüberliegenden Straßenseite erworben und das dortige Gebäude abgerissen. Die 5 500 Quadratmeter große Fläche wird für die mögliche Erweiterung des Unternehmens vorgehalten. Die Firma Pierburg nutzt inzwischen einen großen Teil der Freifläche neben den Hausschuhwerken als Parkplatz für ihre Mitarbeiter.

In einer der Hallen hatten sich die Kartsportler ihr Domizil eingerichtet. Die Bahn wurde nicht nur von Kartsportbegeisterten aus der näheren Umgebung besucht. Die kamen auch aus Dresden und Chemnitz nach Hartha. Die Bahn wurde auch talentierten Kartsportlern als Trainingsstätte zur Verfügung gestellt. Aber über die Jahre verschlechterte sich der Zustand des Gebäudes. Wegen der Einsturzgefahr mussten die Kartsportler im Herbst 2015 ebenso ausziehen wie der Jugendklub.