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Das Elektro-Herz von Daimler

Aus Sachsen kommen künftig Lithium-Ionen-Batterien für alle Elektrofahrzeuge von Mercedes-Benz und Smart. Dafür baut der Autobauer eine zweite 500 Millionen Euro teure Fabrik.

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© Matthias Schumann

Von Nora Miethke

Thomas Weber, Entwicklungsvorstand der Daimler AG, saß längst schon wieder im Flugzeug Richtung Stuttgart, da standen die Mitarbeiter der Tochterfirma Deutsche Accumotive Montagmittag immer noch geduldig in langer Schlange an, um einen Blick in das EQ-Showcar werfen zu dürfen.

Das seriennahe Elektrofahrzeug auf SUV-Basis, das seine Weltpremiere erst vor drei Wochen auf dem Pariser Autosalon feierte, steht sinnbildlich für die neue strategische Ausrichtung auf vernetztes, autonomes Fahren mit elektrischem Antrieb. In dieser Strategie spielt die Daimler-Tochter Deutsche Accumotive mit ihrer Batterieproduktion in Kamenz eine Schlüsselrolle. Um das zu unterstreichen, brachte Weber das Showcar für seinen zweiten öffentlichen Auftritt nach Paris mit zum Spatenstich für das zweite Batteriewerk in Kamenz. „Wir sind sehr stolz darauf, es heute hier zu haben“, freute sich Frank Blome, Geschäftsführer der Deutschen Accumotive GmbH in Kamenz.

Künftig werden in der Oberlausitz Lithium-Ionen-Batterien für alle elektrifizierten Fahrzeuge der Marken Mercedes-Benz und Smart gefertigt – von Plug-in-Hybrid bis zu den reinen Elektromodellen. Kamenz werde damit zum Kompetenzzentrum der globalen Batterieproduktion, betonte Markus Schäfer, Mitglied des Bereichsvorstands Mercedes-Benz Cars. Der Autobauer investiert nach eigenen Angaben eine Milliarde Euro in den Aufbau einer weltweiten Batterieproduktion. Die Hälfte davon fließt in den Ausbau des sächsischen Standorts. Die Produktions- und Logistikfläche vervierfacht sich auf rund 80 000 Quadratmeter. Die Zahl der Beschäftigten soll sich bis 2020 auf dann 700 verdoppeln. „Wenn der Bau der Fabrik 2018 abgeschlossen ist, dann wird auch der angekündigte Personalaufbau erfolgt sein“, sagt Schäfers. Er geht davon aus, dass es „ausreichend qualifizierte Arbeitskräfte in der Region“ gibt. Daimler hat erst vor einem Jahr seine Zellfertigung bei der ebenfalls in Kamenz ansässigen Tochterfirma Litec wegen Überkapazitäten am Markt geschlossen. Viele Mitarbeiter wechselten daraufhin zu Accumotive.

Grüne Produktionstechnologien

Mit den Zellen lässt sich kein Geld verdienen, deshalb kaufen die deutschen Autohersteller diese Bauteile ein. Die kompletten Batterien hingegen will Daimler nicht aus der Hand geben. Denn die Batterie ist das Herzstück des Elektroautos, das nun doch zum Massenauto werden soll, auch wenn man daran nicht recht glauben will angesichts der äußerst wenigen Stromer, die derzeit auf deutschen Straßen zu sehen sind. Im vergangenen Jahr wurden nur 12  363 reine Elektroautos in Deutschland neu zugelassen – ein Anteil von 0,4 Prozent der insgesamt 3,2 Millionen Neuzulassungen. Daimler kam auf 1 161 neu registrierte E-Autos. Doch zehn Jahre später, 2025, soll jedes fünfte verkaufte Auto von Daimler ein Stromer sein. „Wir wollen dann 15 bis 20 Prozent unseres weltweiten Absatzes über rein elektrifizierte Fahrzeuge erzielen“, bekräftigte Entwicklungsvorstand Weber die Pläne seines Konzerns. Da seien die Plug-in-Hybride noch nicht einmal berücksichtigt. Volkswagen verfolgt Pläne in ähnlicher Größenordnung.

Mit „EQ“ hat Mercedes-Benz eine neue Produktmarke gegründet, die alle Aktivitäten in puncto Elektromobilität bündelt. Der Start des ersten EQ-Serienfahrzeugs mit einer Reichweite bis zu 500 Kilometern ist für 2019 angekündigt. Die Batterien kommen aus Kamenz. Bis 2025 sind im Pkw-Segment mehr als zehn Elektromodelle geplant. Jede Baureihe von Daimler, ob Pkw, Bus oder LKW, soll auch eine Elektro-Variante bekommen. Elektromobilität wird bei Daimler ganzheitlich gedacht, betonen die Manager beim Spatenstich mit Ministerpräsident Stanislaw Tillich.

Und das bedeutet, das neue Batteriewerk in Kamenz wird als -neutrale Fabrik errichtet. Ein Blockheizkraftwerk, stationäre Batteriespeicher und eine Photovoltaik-Anlage mit der Größe von zwei Fußballfeldern werden die Produktionsanlagen mit Solarenergie versorgen. Die Fabrik soll aber nicht nur Maßstäbe beim Einsatz grüner Produktionstechnologien setzen, sondern auch im Bereich Industrie 4.0, also bei der digitalen Vernetzung von Mitarbeitern, Robotern und Produkten. Doch der Automatisierungsgrad werde im zweiten Werk niedriger sein als im ersten, sagt Geschäftsführer Blome. „Wir haben festgestellt, dass wir bei den häufigen Produktwechseln schneller und flexibler sind, wenn wir unsere qualifizierten Werker einsetzen“, erklärt der Accumotive-Chef.