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Das dritte Leben der Bienertmühle beginnt

Lange schien der verlassene Komplex an der Weißeritz verloren. Nun ist er gerettet. Und wird vielseitig genutzt.

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© René Meinig

Von Annechristin Bonß

Freital/Dresden. Erst hielt der König in Plauen Einzug. Dann kam der zweitreichste Mann nach dem König – der Großindustrielle Bienert. Und nun ziehen Kreative, Gewerbe und Neuplauener in die Bienertmühle. An dem historischen Gebäudekomplex an der Weißeritz sollen in diesem Jahr alle Arbeiten beendet sein. Nur noch ein kleines Stück der Fassade zum Hof hin ist derzeit eingerüstet. Dort, wo es zuletzt die Sackreinigung der Mühle gegeben hatte, gehen die Arbeiten nun voran und es sind bereits Verträge für eine neue Tierarztpraxis und zwei Eigentumswohnungen unterzeichnet. Damit ist das nach der Wende verfallende Ensemble gerettet.

Die Geschichte: Wie Plauen eine Hofmühle bekam

In diesem Jahr gibt es für die Mühle ein Jubiläum. Vor 450 Jahren haben die Wettiner den Komplex gekauft und zur Königlich Sächsischen Hofmühle gemacht. Damit beginnt das erste Leben der Mühle. Entlang der Weißeritz siedelte sich schon früh viel Gewerbe und Produktionen an. Plauen und Löbtau profitierten davon. 1872 kaufte der Großindustrielle Gottlieb Traugott Bienert die Mühle. In den kommenden Jahren baute er den Komplex stetig aus. Er galt nicht nur als zweitreichster Mann nach dem sächsischen König. Das zweite Leben der Mühle begann. Bienert wurde auch als Wohltäter und Unterstützer des Stadtteils bekannt. Doch seine guten Taten nützten wenig. 1972 wurde der Betrieb enteignet. 1991 schließlich liefen die Maschinen der Mühle zum letzten Mal. Das Ensemble verfiel. Bis 2002 Carsten Hoffmann mit seiner Bauplanungsfirma den Komplex übernahm und ihn seitdem als freier Unternehmer entwickelt und revitalisiert hat. Damit beginnt das dritte Leben der Mühle.

Die Villa: Wohninvestor rettet das verloren geglaubte Juwel

Wo Bienert einst lebte und auf sein Reich blickt, sind heute Familien eingezogen. Lange hat kaum jemand in Plauen daran geglaubt, dass die Villa an der Südseite des Mühlenkomplexes gerettet werden kann. Wer im Erdgeschoss nach oben blickte, konnte den Himmel sehen. Ein Riss zog sich einmal vom Boden bis zum Dachgeschoss. Nach 20 Jahren Leerstand war kaum etwas von der Villa geblieben. Ende 2015 begann schließlich die Rettung. Die Dresdner Immobilienfirma Palasax hat darin zehn Wohnungen mit Größen zwischen 40 und 160 Quadratmetern geschaffen und diese verkauft. Nun sind die Mieter eingezogen.

Das Bürohaus: Gewerbe und Firmen profitieren voneinander

Das Gebäude direkt an der Straße Altplauen ließ Bienert als seine erste Bäckerei bauen. Er wollte das Mehl, das er produzierte, gleich selbst verarbeiten. Später gab es in dem Bau einen Speicher, dann eine Kantine. Heute gehört das Gebäude einem Privatinvestor. Carsten Hoffmann hat die Bewirtschaftung übernommen. Es war der ersten Teil des Ensembles, der nach 2002 wieder vermietet werden konnte. Zwischen 5 und 7 Euro kostet der Quadratmeter – ein moderater Preis für eine Gewerbeimmobilie. Freie Flächen gibt es darin nicht mehr. Die Vielfalt der Mieter ist groß: Bioladen, Modellwerkstatt, Yoga-Zentrum und ein Call Center. Im Innenhof gibt es einen großen Druckexperten.

Die Mieter profitieren von den Standortvorteilen. Die Haltestellen für Bus und S-Bahn sind vor der Tür. Untereinander profitieren die Firmen voneinander. Die Mitarbeiter gehen zum Mittag in den Bioladen. Wer Pläne ausdrucken lassen will, der findet einen Ansprechpartner hinter der Nachbartür. „Der Name ist unser Vorteil“, sagt Carsten Hoffmann. Wer zur Bienertmühle will, der braucht im Taxi keine Adresse nennen. Das gefällt auch den Kunden von den Gewerbeleuten.

Der Mühlenkomplex: Wohnen und Arbeiten hinter historischer Fassade

In der eigentlichen Mühle wird gewohnt und gearbeitet. Mischerei, Roggen- und Weizenmühle, Mühlenmagazin, Remise und Maschinenhaus sind saniert und ausgebaut. An der Seite zur Weißeritz hin wird jetzt gewohnt. Mehrere Eigentümergemeinschaften haben hier investiert. Vorn an der Straße Altplauen betreibt Carsten Hoffmann das Museum Hofmühle. Teile der alten Mühltechnik sind dort noch zu besichtigen. An der Gebäudeseite zum Hof hin sind Büros und Gewerbeflächen entstanden. Im alten Mühlenmagazin sind acht Stellplätze und vermietete Lagerräume entstanden. Freie Flächen zum Mieten gibt es derzeit nicht.

„Wenn jetzt noch die Straßenbahn hier fahren würde“, sagt Carsten Hoffmann. Die Linie 5 von der Johannstadt nach Plauen soll direkt an der Mühle enden. Lange schon wird dies geplant. Wann die Pläne Realität werden, bleibt abzuwarten. Aufwerten würde es den Standort, sagt er. Eine schöne Vision für das dritte Leben der Bienertmühle.