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Das Bier muss weg

In der Halbzeitpause kennen die meisten Dresdner Fußballfans nur ein Ziel. Das lässt sich am Wasserverbrauch ablesen.

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© Sven Ellger

Von Nora Domschke

Auf diesen Sonnabend haben die Dresdner seit Tagen hingefiebert: Deutschland steht im Viertelfinale der Europameisterschaft. Für den Einzug ins Halbfinale muss Jogis Elf Italien bezwingen – eine spannende Angelegenheit, die wohl kein eingefleischter Fußballfan verpassen will. Spätestens ab 21 Uhr werden die Straßen leer gefegt sein. Dresdens Wasserwerker können den Spielbeginn indes ziemlich genau an ihren Verbrauchswerten ablesen.

Ob beim Public Viewing im Biergarten oder vor dem Bildschirm daheim: Sobald das Spiel läuft, geht kaum jemand auf die Toilette, zum Duschen oder gießt gar seine Blumen. „Dann sinkt der Wasserverbrauch im Räcknitzer Hochbehälter deutlich ab“, erklärt Carola von Grot von der Drewag. Es ist das größte Reservoir in der Stadt und versorgt rund 200 000 Menschen. Ein Blick auf das letzte Deutschland-Spiel im Achtelfinale am vergangenen Sonntag gegen die Slowakei bestätigt: Ab 18 Uhr sinkt die Zahl der verbrauchten Liter Wasser pro Stunde von etwa 850 000 ab und pegelt sich während der ersten Halbzeit bei 600 000 Litern ein. Pünktlich zum Halbzeitpfiff nach circa 45 Minuten schnellt die Kurve nach oben und erreicht den Spitzenwert von 1,2 Millionen Liter pro Stunde. Denn nach dem einen oder anderen Bierchen oder Wein stürmen die Fußballfans die Toiletten.

Weil sich beim Public Viewing mitunter lange Schlangen bilden, schafft’s nicht jeder Fan pünktlich zum Anpfiff der zweiten Halbzeit zurück vor die Leinwand. „Deshalb sinken die Werte wieder langsamer ab“, sagt von Grot. Kurz vor dem Abpfiff sind es dann nur noch rund 500 000 Liter, die stündlich aus dem Hochbehälter abfließen – absolutes Tief in den frühen Abendstunden. Als der Schlusspfiff ertönt, steigt der Verbrauch erneut rasant an, erreicht allerdings nicht mehr den Spitzenwert. Vielleicht wird der deutsche Sieg gefeiert oder über Spielzüge gefachsimpelt – ganz so eilig ist der Gang zur Toilette offenbar nicht für jeden Dresdner.

Insgesamt wurden am vergangenen Sonntag rund 104 Millionen Liter Wasser aus dem Räcknitzer Reservoir benötigt. Das ist vergleichsweise wenig und kann am Ferienbeginn oder am Regen gelegen haben. Zwei Tage zuvor, am 24. Juni, waren es etwa 132 Millionen Liter. Es war ein sehr heißer Freitag. Beete und Balkonpflanzen mussten bewässert, Planschbecken befüllt werden. „Außerdem gehen bei diesen Temperaturen sicherlich viele Dresdner zweimal am Tag Duschen “, vermutet die Drewag-Expertin. Obwohl 132 Millionen Liter Wasser am Tag schon ein ganz ordentlicher Wert ist, geht noch mehr: An einem heißen Junitag im vergangenen Jahr flossen 150 Millionen Liter durch die Leitungen. Durchschnittlich liegt der Wert an einem Sommertag bei 120 Millionen Liter.

An diesem Sonnabend drückt auch Carola von Grot die Daumen für die deutsche Nationalelf. Allerdings nicht vor dem Monitor im Coschützer Wasserwerk, sondern wie Tausende andere Dresdner beim Public Viewing. Die 39-Jährige ist schon gespannt, welche Kurve sie am Montag an ihrem Arbeitsplatz erwartet.

„Wenn die Spiele wie jetzt erst 21 Uhr beginnen, wird noch deutlicher, wie sich die Europameisterschaft auf den Wasserverbrauch auswirkt.“ Dann sind die Blumen meist gegossen, viele haben schon geduscht, wer nicht Fußball schaut, liegt vielleicht sogar schon im Bett. Dann sorgen vor allem die Fußballfans für das Rauschen in den Rohren. Angst, dass das Wasser ausgeht, muss indes kein Dresdner haben. „Die Hähne werden nicht plötzlich trocken sein.“ Die Drewag ist auf solche Schwankungen im Verbrauch gut vorbereitet, wie schon die Weltmeisterschaft vor zwei Jahren gezeigt hat.