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Das alte Fieber, es geht nie vorüber …

Als „Smaragd“ und „Madrigal“ haben Pirnaer Jungs ab Ende der 60er-Jahre Massen in die Tanzsäle gelockt. Jetzt packten sie die Instrumente wieder aus.

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© Daniel Förster

Von Marion Nagler

Pirna. Nach 41 Jahren standen sie sich wieder gegenüber, die Bärte ergraut, das Haar schütter. Aber von ihrem Schwung haben sie nichts verloren, die elf Musiker der einstigen Amateur-Band „Smaragd“, die später „Smaragd-Sextett“ und noch später „Madrigal“ hieß. In Pirna und Umgebung waren Smaragd und Madrigal Institutionen. Wer in den späten 1960er- und frühen 1970er-Jahren zum Schwof ging, kannte sie. Die Ära von Madrigal endete 1975 mit der Beginn der Armeezeit des damaligen Band-Chefs Gert Bräuer. Die Wege der Musiker trennten sich – und führten am 1. Oktober nach über vier Jahrzehnten in der Drogenmühle Heidenau wieder zusammen.

Das Smaragd-Sextett 1972 hinter dem Bühneneingang des Volkshauses in Pirna.
Das Smaragd-Sextett 1972 hinter dem Bühneneingang des Volkshauses in Pirna. © Repro: Daniel Förster
Die Gruppe Madrigal auf der Bühne des ehemaligen Jugendklubhauses „Hanno“ 1973.
Die Gruppe Madrigal auf der Bühne des ehemaligen Jugendklubhauses „Hanno“ 1973. © Repro: Daniel Förster
Auch sie war beim Wiedersehen dabei: Die mittlerweile 50 Jahre alte tschechische Jolana von Wolfgang Mix – gepflegt, poliert und spielfähig.
Auch sie war beim Wiedersehen dabei: Die mittlerweile 50 Jahre alte tschechische Jolana von Wolfgang Mix – gepflegt, poliert und spielfähig. © Daniel Förster

Sie haben das Musikmachen nicht verlernt: Jürgen Dittrich, Jürgen Held, Dietmar Lüttig, Andreas Mühle, Hans-Joachim „Seppi“ Staude, Wolfgang Mix, Frieder Stephan, Dieter Mehner, Joachim Schmidt, Gert Bräuer und Peter Schubert nahmen nach all den Jahren ihre Instrumente und spielten. „Es ist wie Fahrradfahren und das Beherrschen der Zehn-Finger-Tastatur beim Schreiben“, sagt Stephan Frieder. „Man verlernt es nicht.“ Zugegeben: Zu Beginn holperte es leicht, nicht jeder Ton landete dort, wo er hin sollte, und mit dem Gesang nach so langer Zeit war es auch nicht so ganz einfach. Aber das Wiedersehens-Improvisieren entwickelte sich immer melodischer. Aus allen Teilen Deutschlands hatte die Erinnerung an alte Band-Zeiten die Männer nach Heidenau geführt, nur einige waren der Region treu geblieben. Sogar eine der ersten E-Gitarren in rot, gepflegt und poliert, damals wohl in der CSSR erworben, hatten sie im Gepäck.

Beatles-Songs vom Jahrmarkt

Angefangen hatte alles 1965 mit musikbegeisterten Jugendlichen in der Goethe-Oberschule Pirna. Damals in der 7. Klasse wurde eine Jugendcombo gegründet und in Großmutters Wohnzimmer auf der Clara-Zetkin-Straße geprobt. Zu den ersten Musikern gehörten Wolfgang Mix, Hans-Peter Schubert und am Schlagzeug Jürgen Held. Förderung der jungen Talente nannte man es damals, und so folgte manche Ausbildung an den Einzelinstrumenten in Dresden. Sogar ein Foto aus einer SZ-Ausgabe von 1969 findet sich im Musiker-Archiv. Zu sehen auf der Aufnahme ist auch der ehemalige Leiter des Pionierhauses in Pirna, Fritz Rösler, als Musiklehrer. Die erste Soundanlage wurde von der Kreis-Bild-Filmstelle in Pirna ausgeliehen, große Unterstützung erfuhren die Jugendlichen auch von ihrem damaligen Physiklehrer Herrn Schubert.

Im Oktober 1970 wurde dann ganz offiziell das „Smaragd-Sextett“ gegründet: Lutz Werner, Achim Schmidt, Rainer Eckert, Dietmar Lüttig, Frieder Stephan und Gert Bräuer formten die Band, und nicht zu vergessen der Techniker Georg Siegmund, der heute in Karlsruhe lebt. Die ersten offiziellen Auftritte folgten, viele davon im Jugendklubhaus „Hanno“ und im Volkshaus. Aber auch auf der ersten Leistungsschau der Tanzmusik in Gorknitz spielte das Sextett auf, sogar Dresden, Cottbus, Karl-Marx-Stadt und Plauen, selbst an der Ostsee – wie in Sassnitz oder Binz. Smaragd wurde sogar einige Jahre von der Sängerin Sylvia Reif verstärkt.

Die Musiker waren jung, ungestüm und wussten genau, was die Leute hören wollten. Manchen Beatles-Song, der nicht im Radio gespielt werden durfte, schnappten die Musiker auf dem Jahrmarkt auf, wenn er dort an einem der Fahrgeschäfte lief. Sie hörten ihn sich so oft an, bis sie die Melodie nachspielen konnten. Das Publikum wusste das sehr zu schätzen. Den Kultur-Kontrolleuren vom Rat des Kreises allerdings hatten einige Konzerte zu viel Westduft. Es gab Spielverbot für ein Jahr. Diese staatliche Strafe und auch die Armeezeit einzelner Musiker überlebte die Band in ihrer ursprünglichen Besetzung nicht.

Auftritt als Damenkapelle

Aber es ging trotzdem weiter. 1973 gründete Gert Bräuer in Pirna mit einigen der alten Mannen „Madrigal“. Bestehend aus Frieder Stephan, Rainer Eckert, dem inzwischen leider verstorbenen Michael Hofmann, Hans-Jochim Staude – den viele als „Seppi“ kannten – und Gert Bräuer selbst. Die jungen Musiker entwickelten ihre eigene Bühnenshow, und so folgten erste Auftritte als „Damenkapelle“. In Kleidern der Landesbühne Sachsen fanden sie viel Anklang beim Publikum. Die Technik reifte aus, als die Pirnaer immer mehr Kontakte zu anderen Bands und Musikern in der DDR knüpfen konnten. So kehrte Gert Bräuer im Jahr 1973 aus dem Urlaub in Bulgarien mit der Zusage auf bessere Instrumente zurück. Er war dort Harry Jeske von den Puhdys begegnet. Dank dieses Kontakts konnte Madrigal die alte Puhdys-Anlage übernehmen. Die Puhdys hatten schon damals bessere Chancen, sich neue Instrumente und Technik zu besorgen. Auch von der Stern Combo Meissen sollen Instrumente nach Pirna gewandert sein.

Madrigal spielten 1974 in letzter Besetzung mit Frieder Stephan, Michael Hofmann, Seppi Staude, Dieter Mehnert und Gert Bräuer.

Nach dem ersten Wiedersehen haben sich die Freunde vorgenommen, ein weiteres Treffen im Jahr 2017 in Pirna in Angriff zu nehmen. Vielleicht reisen sie ein paar Tage eher an, proben, und laden die ehemaligen Fans in Pirnas Kleinkunstbühne Q 24 ein. Gesprochen wurde davon, und gut vorstellen können sie es sich auch.