Merken

Das abgehängte Dorf

In Reichenau stagniert der Straßenbau. Ist nur der schwache Personalbestand auf der Baustelle ein Grund?

Teilen
Folgen
NEU!
© Matthias Schumann

Von Ina Förster

Seit 15. Februar wird in Reichenau gebaut. Die Anwohner und die Gemeinde Haselbachtal freuten sich anfangs natürlich: Endlich kommt die oft geflickte Holperpiste durch den kleinen Ort weg. Die Staatsstraße 104 hatte es auch bitter nötig, beschaute man sich das geflickte, teilweise in sich gesunkene Pflaster. Dieses führte allerdings unter anderem an frequentierten Stellen wie der Naturbühne Reichenau vorbei. Selbige hatte es in dieser Saison also nicht leicht. Vor allem die Zuschauer, die hinfinden wollten. Natürlich gab es ausgeschilderte Umleitungen. Den Aufführungen tat das Ganze jedoch etwas Abbruch. Das sei aber zu verschmerzen gewesen, zumal man sich darauf einrichtete.

Nun ist das versprochene halbe Jahr Straßenbau allerdings schon über einen Monat überschritten. Und noch ist kein Ende abzusehen. Das Dorf ist schon etwas abgehängt vom normalen Geschehen. Die Anwohner des langgezogenen Ortes am Bach Pulsnitz haben es nicht leicht. „Das beginnt bei den Mülltonnen, die weit geschleppt werden müssen, und hört bei der verlegten Bushaltestelle auf, die vor allem für ältere Leute schlecht erreichbar ist“, sagt Bärbel Fuchs. Die teilweise arg engen Zufahrtswege zu den Grundstücken seien mittlerweile ebenfalls stark mitgenommen. Habe man an einigen Stellen Gegenverkehr, dann kann man nur für Hunderte Meter den Rückwärtsgang einlegen, damit es überhaupt weiter geht. „Vor allem für viele Frauen ist das früh auf dem Weg zur Arbeit eine Angstsituation“, sagt die Anwohnerin. Und spricht da vielen Nachbarn aus dem Herzen. Natürlich habe die kaputte Straße Priorität. Aber langsam regt sich Unmut, weil man vor allem auch nicht immer Bauarbeiter vor Ort sieht. Dieses Problem herrscht aktuell bei mehreren Straßenbauprojekten der Region. Woran liegt die Stagnation aber in Reichenau? Auf Nachfrage beim Amt für Straßenbau und Verkehr in Dresden, welches Träger der Baumaßnahme ist, gab es Antworten.

Grundwasserstand machte Probleme

„Schon mit Beginn des Kanalbaus traten erhebliche Probleme mit dem hohen Grundwasserstand auf, welche aus der Planung so nicht erkennbar waren. Auftraggeber war hier die Ewag Kamenz“, so Isabel Siebert, Sprecherin des Landesamtes. Am 16. März wurde deshalb festgelegt, die Arbeiten in diesem Teilabschnitt einzustellen und im übrigen Baufeld weiterzuführen. „Die erhoffte Absenkung des Grundwasserstandes im Frühjahr trat allerdings nicht ein, deshalb gab es die Festlegung, eine geschlossene Wasserhaltung aufzubauen.“ Das war am 18. Mai. Doch nun mussten erst Angebote eingeholt werden und erforderliche Genehmigungen. Mitte Juni wurde die Wasserhaltung aufgebaut und im Juli in Betrieb genommen. „Der Kanalbau im ersten Teil konnte weitergehen“, so Siebert.

Telekom-Kabel als Dämpfer

Glücklicherweise konnten andere Arbeiten derweil erledigt werden, wie Kanalbauarbeiten. Außerdem wurde die Baufreiheit für den Straßenbau geschaffen und parallel durchgeführt. „Ab 31. August bestand dann auch Baufreiheit für den Straßenbau im ersten Teil, und man begann, weiterzuarbeiten.“ Doch es folgte der nächste Rückschlag: Die Baufirma informierte das Landesamt am 7. September darüber, dass die Telekom ihre Kabelanlagen, nicht wie in der Planung angenommen im künftigen Gehweg verlegt hatte, sondern im Bereich von Bord, Rinne und Einläufen. „Noch am gleichen Tag erfolgte durch uns eine Aufforderung an die Telekom zur Umverlegung auf einhundert Meter Länge. Man sagte uns einen Verlegetermin ab Mitte September zu. Diese Zusage konnte aber von der durch die Telekom beauftragten Tiefbaufirma nicht gehalten werden“, so Isabel Siebert. Die Verlegearbeiten wurden nun erst Montag dieser Woche aufgenommen und müssten aktuell eigentlich bald erledigt sein. Hofft man. Das Ganze tat dem ohnehin verzögerten Zeitplan nicht gut. Erfreulicherweise konnten wenigstens der Straßenunterbau sowie der Gehwege-Bau im baufreien Teil fertiggestellt werden. Teilweise schon einschließlich bituminöser Schichten. Doch ist der Vorwurf ganz von der Hand zu weisen, dass die Baustelle augenscheinlich oft verwaist steht? Oder früher Feierabend herrscht? „Der Auftragnehmer für das Gesamtbauvorhaben wurde aufgefordert, bis zur nächsten Bauberatung ein Konzept zur Fertigstellung vorzulegen und den derzeitig schwachen Personalbestand auf der Baustelle aufzustocken. Ein konkreter Fertigstellungstermin kann deshalb zurzeit noch nicht genannt werden“, so Isabel Siebert.

Beschaut man die Baustellen in der Region, sieht die Lage brenzlig aus. Der Brückenbau zwischen Koitzsch und Königsbrück ist bereits verschoben worden, weil Reichenau als Umleitungsstrecke fungieren sollte. Auch in Steina wird immer noch gebaut – mit Verzögerungen. Durch die Stagnation auf allen Strecken muss auch die Hauptstraße in Friedersdorf warten.