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Darum helfen wir Flüchtlingen

Das Kamenzer Toleranz-Bündnis wurde mit dem Bürgerpreis geehrt. Es engagiert sich für die in der Stadt lebenden Asylbewerber.

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© René Plaul

Von Frank Oehl

Einmal im Monat trifft sich in Kamenz das Bündnis für Humanität und Toleranz. Es ist eine bunte Truppe – aus Frauen und Männern, Älteren und Jüngeren, Bürgern und Behördenvertretern. Es wird als „Netzwerk“ gesehen, als „Schnittstelle“, als „Kümmerer-Kreis“. Je nachdem, denn all das trifft zu. Vor einigen Tagen wurde die Gruppe um Bündnissprecher Richard Boes mit dem Bürgerpreis des Freistaates Sachsen geehrt. Das hat für Schlagzeilen gesorgt, aber darum geht es nicht zuerst.

„Wir brauchen eine Willkommenskultur“, meinen die junge Bernadette Zeller vom Netzwerk für Jugendarbeit und die fast doppelt so alte Linken-Kreisrätin Regina Schulz. „Dafür brauchen wir die Bürgerschaft.“ Und aufgeschlossene Behörden. Beide sehen das Tole
„Wir brauchen eine Willkommenskultur“, meinen die junge Bernadette Zeller vom Netzwerk für Jugendarbeit und die fast doppelt so alte Linken-Kreisrätin Regina Schulz. „Dafür brauchen wir die Bürgerschaft.“ Und aufgeschlossene Behörden. Beide sehen das Tole © René Plaul
„Wir wollten einfach nicht wegschauen“ – das sagen der junge Internet-Spezi Michael Ehrlich und der doppelt so alte Jörg Stern, Lehrer im Lessinggymnasium. „Menschen, die zu uns kommen, brauchen unsere Hilfe.“Beide organisieren zum Beispiel die Kinderfest
„Wir wollten einfach nicht wegschauen“ – das sagen der junge Internet-Spezi Michael Ehrlich und der doppelt so alte Jörg Stern, Lehrer im Lessinggymnasium. „Menschen, die zu uns kommen, brauchen unsere Hilfe.“Beide organisieren zum Beispiel die Kinderfest © René Plaul
Ich kenne einen Asylbewerber (50) aus Afghanistan, der erst hier erfuhr, was Schule ist. Nach zehn Wochen schrieb er seinen Namen an die Tafel und brach in Tränen aus. Das hat auch mich sehr bewegt.“
Ich kenne einen Asylbewerber (50) aus Afghanistan, der erst hier erfuhr, was Schule ist. Nach zehn Wochen schrieb er seinen Namen an die Tafel und brach in Tränen aus. Das hat auch mich sehr bewegt.“ © René Plaul
„Ich habe mich in Kamenz engagiert, als die Rechtsextremen sogar auf dem Markt gegen Asylbewerber Front gemacht haben. Es war mir wichtig, denen etwas entgegenzusetzen. Jetzt will ich vor allem für junge Leute etwas organisieren. Es ist durchaus wichtig,
„Ich habe mich in Kamenz engagiert, als die Rechtsextremen sogar auf dem Markt gegen Asylbewerber Front gemacht haben. Es war mir wichtig, denen etwas entgegenzusetzen. Jetzt will ich vor allem für junge Leute etwas organisieren. Es ist durchaus wichtig, © René Plaul

Als sich das Bündnis 2011 formierte, gab es handfestere Gründe. In Kamenz kochten die Emotionen wegen des Asylheimumbaus am Flugplatz hoch. Die NPD machte Stimmung, sogar im Stadtrat und mitten auf dem Markt. „Da habe ich gemerkt, dass ich etwas tun muss“, sagt der Kamenzer Tilo Moritz. Und da kam die Initiative aus dem Lessinggymnasium gerade recht. Hier hatten sich Lehrer wie Richard Boes und Jens Krüger an die Spitze der Bewegung gestellt. Es ist eine von unten, mitten aus der Bürgerschaft. Auch das dürfte ein Grund dafür sein, dass sie so erfolgreich ist. Während die Rechtsextremen jetzt woanders ihre schlichten Antworten auf schwierige Fragen verbreiten und damit immer noch auf fruchtbaren Boden stoßen, läuft im Heim am Flugplatz längst der Alltag in der „Warteschleife Asyl“.

Für bessere Willkommenskultur

Auch Heimleiter Lutz Zistel gehört dem Bündnis an. „Es ist ein wichtiges Bindeglied“, sagt er. Noch so ein Begriff. Der Betreiber arbeitet im Auftrag des Landkreises und braucht die Zivilcourage der Kamenzer. Denn natürlich gibt es immer wieder mal Reibungspunkte im Haus, aber eines hat Zistel aus Erfahrung verinnerlicht: „Die Menschen bei uns wollen beschäftigt sein.“ Und gerade dabei helfen die Bündnismitglieder. Kinderfeste, Weihnachtsfeiern, Volleyballturniere, Graffiti-Workshops bilden den geselligen Teil. Aber es geht auch um Bildung – musische wie sprachliche. Der Deutschunterricht mit Lessing-Schülerinnen ist gefragt, auch, wenn er nach wie vor mehr nur geduldet, als von staatlicher Stelle gefördert wird. Als ob die Sprachbarriere nicht eine der größten Hemmnisse im akzeptierten Zusammenleben der Menschen – und sei es auf Zeit – darstellen würde. Dies ist auch für Linkenkreisrätin Regina Schulz oder Ausländerbeauftragte Anna Pietak-Malinowska ein Knackpunkt. Auf diese Weise kann keine „Willkommenskultur“ entstehen, sagen sie. Beide bohren seit Jahren dicke Bretter für menschenwürdige Verhältnisse in den Heimen. Und noch mehr für die dezentrale Unterbringung – nicht nur von Familien.

Hier sieht auch Bündnissprecher Richard Boes das nächste Aufgabenfeld. „Wir haben selbst in den Behörden einiges bewegt.“ Heute werde man als seriöser Partner wahrgenommen, der mahnt, aber nicht anklagt. Und auf den man sich verlassen kann. Und auch deshalb gab es jetzt den Bürgerpreis.