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Darf man Brot vom Vortag noch verkaufen?

Wegschmeißen, spenden oder gar zu Geld machen – die Görlitzer Bäcker sehen die Verwendung von alten Backwaren differenziert.

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Von Nicole Müller

Zupfkuchen, Überbackenes, Mailänder Baguette: Heute werden in Bäckereifilialen nicht nur Brot und Brötchen verkauft. Die Vielfalt im Regal gleicht einem Schlaraffenland, aus dem sich jeder ein Stück kaufen kann. „Wir stellen unser Angebot schon allein aus 30 Brotsorten zusammen“, sagt die gelernte Bäckerin Sigrid Nescholta. Da sei immer abends etwas dabei, was übrig bleibt.

Diese Überproduktion an Waren und Retouren am Abend macht vielen Bäckern zu schaffen. Nicht nur die Umsatzeinbuße schlägt zu Buche. Einige größere Filialketten, müssten für die Vernichtung der Backwaren zusätzlich spezialialisierte Entsorgungsunternehmen beauftragen, so ein Branchenkenner. Mit der gestrigen Eröffnung eines Geschäftes für den Verkauf nicht ganz frischer Backwaren in der Görlitzer Theaterpassage, wird der Umgang mit Altbackenem unter Teigprofis und ihrer Kundschaft kontrovers diskutiert.

„Der Konkurrenzkampf zwischen Handwerksmeistern und Billigketten ist groß“, sagt Innungsmeister Michael Tschirch. Viele Kunden arbeiten lange und wollen auch nach Feierabend noch ein vielfältiges Sortiment vorfinden. Mitunter müssten sich in größeren Einkaufszentren eingemietete Bäckereien vertraglich sogar dazu verpflichten, bestimmte Waren bis Ladenschluss vorrätig zu haben. „Ich kann glücklicherweise mein Sortiment frei planen“, sagt Tschirch. Seine Stammkundschaft könne er gut einschätzen. Dinge die dennoch nicht mehr verzehrt werden, müssten dann in die Biotonne wandern , so Tschirch.

Andere Bäcker in Görlitz suchen gezielt nach Weiterverarbeitungsmöglichkeiten. „Gutes zum halben Preis“ steht an einer Kiste der Filiale von Bäckerin Sigrid Nescholta. „Seit über einem Jahr haben wir dieses Angebot. Renter, Alleinerziehende und Harz IV-Empfänger freuen sich, dass sie so auch mal ein preiswerteres Stück Kuchen bekommen können“, erzählt die 57-Jährige. Der Rest, der dennoch übrig bliebe, ginge dann zurück ans Werk und würde weiter in der Tierfütterung genutzt.

Bei den Kunden kommt preisreduzierte Backware gut an. „Ich selbst nutze das Angebot gern. Man sollte Lebensmittel grundsätzlich achten“, sagt Kunde Ingo Ulrich. Auch die traditionellen Backstuben mit Verkaufsladen setzen auf ähnliche Aktionen. „Gerade viele Ältere können frisch gebackenes Brot nicht gut vertragen. Sie fragen gezielt nach Ware vom Vortag“, erklärt die Bäckereifachverkäuferin Kerstin Warnken.

Um nicht zu viel Brot, Brötchen und anderes zu produzieren backen viele Bäcker mehrmals am Tag. „Man kann nie so genau planen. Der Verkauf ist abhängig vom Wetter, Ferienzeiten und anderem“, meint die Bäckereifachverkäuferin Franziska Marschallek. Wir backen aber sogar Kuchen nach, wenn die Nachfrage besteht.

„Der Bedarf an Backwaren ist eigentlich immer da“, versichert Marion Bürger, stellvertretende Leiterin der Görlitzer Tafel e.V. Über zusätzlich eingehende Spenden würde sich die Einrichtung sehr freuen. Ein Herz für Sozialschwache hat zum Beispiel Bäckermeister Eckehard Raschke. „Wir bieten Vortagsbrot schon immer zum halben Preis an. Nicht verkaufte Produkte gehen an die Tafeln in Görlitz und Weißwasser“, berichtet er.

Aber es gibt auch andere Möglichkeiten karitativ zu wirken. „Wir geben unseren Kuchen an eine Einrichtung, die mit behinderten Menschen arbeitet“, erzählt die Verkäuferin Daniela Wähner. Sie fände es schade, wenn etwas weggeschmissen wird.