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Als Dresden ein Licht aufging

August der Starke klaute die Idee in Leipzig, Johann Christoph von Naumann setzte sie um. Vor 275 Jahren starb der Hofarchitekt und erste Baupolizist.

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© Sven Ellger

Von Lars Kühl

Für seinen Größenwahn war August der Starke schon zu Lebzeiten berüchtigt. Ihm, so streitbar wie seine Persönlichkeit war, ist viel von Dresdens heutigem Ruhm als Barockperle zu verdanken. Doch es musste auch einen geben, der die irrwitzigen Ideen des Kurfürsten aufs Papier brachte und den vielen Bauvorhaben einen realen Rahmen gab. Dafür hatte er ab 1704 Johann Christoph von Naumann.

Schon ein Jahr, nachdem der gebürtige Dresdner (30. März 1664) als Ingenieur-Major in den sächsischen Dienst für den Kurfürsten und polnischen König getreten war, ging ihm ein Licht auf. Im wahrsten Wortsinn, denn August der Starke wollte, dass Dresden genauso hell leuchtete wie Leipzig. In der Handelsstadt brannte es nämlich schon seit 1702 nachts auf öffentlichen Straßen und Plätzen. Da durfte der Herrschaftssitz nicht nachstehen. Am 15. Januar 1705 verfügte der Kurfürst, was Naumann bis Ende März umsetzen ließ: 46 Laternen standen auf der Elb-, der heutigen Augustusbrücke, weitere 750 am Schloss und in der Altstadt. Täglich mussten spezielle Wärter die Lampen mit Rapsöl anzünden – bis ins frühe 20. Jahrhundert drehten sie ihre abendlichen Runden.

Die Einführung der Straßenbeleuchtung ist sicher ein Hauptverdienst von Naumann. Der heute weitgehend vergessene Architekt hat aber noch viel mehr geleistet und gilt zu Recht als Mitgestalter des Dresdner Barocks. Dabei hatte seine Karriere zunächst auf dem Schlachtfeld vor allem militärischen Glanz. Nach der Ausbildung im Artillerie- und Festungsbauwesen in seiner Heimatstadt suchte Naumann frühzeitig die Nähe zum sächsischen Hof. Den Kurprinzen Johann Georg IV., der später sächsischer Kurfürst wurde, begleitete er als 20-Jähriger für ein Jahr auf eine Bildungsreise durch Dänemark, Schweden, Holland und England. Danach zog es ihn mit den kaiserlichen Truppen wiederholt an verschiedene Fronten. In vielen Schlachten kämpfte Naumann in vorderster Reihe.

1686 war er zum Beispiel im Großen Türkenkrieg bei der Erstürmung der Festung Ofen dabei. Die ungarische Hauptstadt, muttersprachlich Buda und heute Teil von Budapest, war in osmanischer Hand. Als die Belagerer unter Herzog Karl von Lothringen die Mauern überwanden, stand der junge Capitain Naumann als einer der Ersten auf der Festung. Zwei Jahre später war er beteiligt, als Belgrad eingenommen wurde, auch bei den Belagerungen von Mainz und Namur (Belgien). Bei den Friedensverhandlungen mit den Türken in Karlowitz gehörte der Dresdner 1699 zu den Gesandten von Kaiser Leopold I. Die im Friedensvertrag festgelegten Grenzen zeichnete Naumann in Karten ein. Anschließend ließ er einige Türkenfestungen schleifen und errichtete darauf neue Bollwerke.

Im sächsischen Dienst zog es Naumann auch ab 1704 immer wieder in den Krieg. So besiegte er 1706 an der Seite russischer mit seinen kurfürstlichen Truppen als General-Quartiermeister von August dem Starken in der Schlacht bei Kalisch (Polen) die Schweden im Großen Nordischen Krieg. Zwei Jahre später kämpfte er unter dem Duke of Marlborough und Prinz Eugen in der Schlacht bei Oudenaarde (Belgien) im Spanischen Erbfolgekrieg.

Doch schon damals brachte sich Naumann in Friedenszeiten selbst die Grundlagen der zivilen Baukunst bei. 1707 unternahm der Autodidakt eine zweite Bildungsreise nach Holland, England und ins gelobte Architekturland Italien. Inzwischen hatte er sich ein solches Theoriewissen angeeignet, dass er das Bauwesen in vielen sächsischen Städten, aber auch in Polen, neu organisierte. Seine Richtlinien waren ein wichtiger Leitfaden bei der Neugestaltung des Neumarktes. Naumann war in Dresden unter anderem für die Umgestaltung des Komödienhauses zur katholischen Hofkapelle verantwortlich (1707 bis 1709, Stadtlexikon). Das Regimentshaus am Jüdenhof wird ihm ebenso zugeschrieben (1710) und auch das Gartenpalais für die Fürstin Teschen an der Friedrichstraße errichtete er (1728), aus dem erst das Palais Brühl, dann das Marcolini-Palais wurde, welches heute zum Krankenhaus Friedrichstadt gehört. Sein bedeutendstes Bauwerk steht aber auf dem Land: das später umgebaute Jagdschloss Hubertusburg bei Oschatz.

Bis zu seinem Tod vor 275 Jahren, am 8. Januar 1742, bleibt er August dem Starken und seinem Nachfolger als Hofarchitekt treu. 1733 wurde Naumann in den Adelsstand erhoben. Ein Jahr später zog er von der Frohngasse in das Döringsche Haus am Altmarkt. 1736 gab Naumann ein Standardwerk heraus: die „Architectura Practica“. Darin beschrieb er seine Sicht, wie sowohl Palaisbauten als auch bürgerliche Häuser zu errichten sind.

Als Direktor des von ihm selbst initiierten Bauamtes für Generalakzise wachte er ab 1711 darüber, wie staatliche Zuschüsse, vor allem bei Bürgerhäusern, sinnvoll eingesetzt wurden. Dabei erließ er auch mehrere Brandschutzordnungen. Damals brach viel häufiger und verheerender Feuer in den Städten aus. Es blieb ihm zeitlebens ein Anliegen, das Baugeschehen in Sachsen zu kontrollieren. Die moderne Baupolizei trat somit in Sachsen erstmals auf den Plan, heute besser als Bauaufsicht bekannt.