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Damit die Milch sich lohnt

Milcherzeuger suchen Wege, um mehr Wertschätzung für das Lebensmittel zu erreichen. Auch in Großerkmannsdorf.

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© Thorsten Eckert

Von Irmela Hennig

Großerkmannsdorf. Für die Mission „Fairer Milchpreis“ hat sich Cindy Gröber von Großerkmannsdorf aus auf den Weg in den Norden des Landkreises gemacht. Nach Wittichenau. Die Prokuristin des Landwirtschaftlichen Unternehmens Großerkmannsdorf ist ja seit Jahren eine der eifrigsten Werberinnen für das Verständnis der Verbraucher für die Probleme der Milchbauern. Weit über tausend Milchkühe stehen bekanntlich in Großerkmannsdorf im Stall.

© Grafik: Gernot Grunwald

Ländliche Idylle also? Aber es ist eine Idylle, in der mit harten Fakten kalkuliert und mit konkreten Zahlen gerechnet werden muss. Deshalb der Weg nach Wittichenau, wo sich in der Krabat-Milchwelt im Ortsteil Kotten Milcherzeuger der Region treffen. 30,5 Cent bekommt Milchwelt-Geschäftsführer Tobias Kockert derzeit für den Liter Milch. Das ist mehr als die etwas über 21 Cent, die es auf dem Höhepunkt der Milchkrise im vergangenen Jahr zeitweise gab. Doch es ist immer noch nicht genug, um kostendeckend Milch zu erzeugen. 40 Cent etwa sollten es schon sein. „Wir liefern im Jahr rund drei Millionen Liter an die Molkerei und bekommen schon seit einer Weile zehn bis 15 Cent pro Liter weniger, als wir brauchen. Da können Sie sich selbst ausrechnen, wie viel uns entgeht“, sagt Tobias Kockert.

Auch Vertreter des Sächsischen Landesbauernverbandes sind zum Treffen gekommen. Nicht um zu klagen, sondern um gemeinsam zu überlegen, wie sie die „Wertschätzung für Lebensmittel verbessern können“. Dass dies geht, dass die Kunden tatsächlich bereit sind, mehr für Milchprodukte zu bezahlen, dafür hat die Krabat Milchwelt selbst ein gutes Beispiel zu bieten. Seit neun Jahren verarbeitet und verkauft das Unternehmen mit über 60 Mitarbeitern einen Teil seiner Milch selbst. Schwarzer Müller, Kreuzkümmel oder auch Knoblauch heißen die Käsesorten, die hier entstehen. Dazu kommen beispielsweise Joghurt und Butter. Vor allem im eigenen Hofladen und auf Wochenmärkten bringt der Betrieb diese Produkte unters Volk. Mit wachsendem Erfolg. Ebenso erfolgreich entwickeln sich die Führungen, sagt der Milchwelt-Chef. Zwei bis drei Gruppen pro Woche.

Hofladen in Erksdorf kommt an

Ein Fakt, der Cindy Gröber nicht verwundert: „Die Menschen wollen wissen, wie wir arbeiten“, weiß die Großerkmannsdorferin. Von den 25 000 in den Ställen am Bischofsweg gewonnenen Litern Milch am Tag wird ein Teil über den Hofladen verkauft. „Und das wird gut angenommen“, freut sich Cindy Gröber. Auch sie sieht den direkten Kontakt zu den Konsumenten als einen wichtigen Punkt, wenn es um die Zukunft der Unternehmen geht. Sie spricht aber auch wie einige andere Kollegen davon, dass man sich breit aufstellen müsse. Die Großerkmannsdorfer beispielsweise betreiben auch eine Biogasanlage. Die helfe, Schwankungen im Milchpreis abzufangen.

Bei der Krabat Milchwelt im Wittichenauer Ortsteil Kotten gibt es neben Biogas zusätzlich Photovoltaik auf den Dächern, Pflanzenproduktion und Getreideverkauf. Und auch hier holen sich Einheimische die Milch teils selbst ab. Für die immer mehr in Mode kommenden Milchtankstellen, bei denen Kunden sich am Automaten Milch in eine Flasche zapfen, sieht Tobias Kockert auf dem „platten Land“ wenig Chancen. „Dafür gibt es hier zu wenige Menschen.“

Sein Kollege Jens Hoffmann vom Wirtschaftshof Sachsenland in Chemnitz macht im städtischen Umfeld damit aber gute Erfahrungen. 1 500 Liter Milch werden auf die Weise jede Woche verkauft. Das sei zwar wenig bei einer täglichen Menge von 40 Tonnen. „Aber es sind 1 500 Menschen, die bewusst zu diesem Automaten kommen“, so Hoffmann. Über eigene Filialen vermarktet der Wirtschaftshof auch Fleisch und Wurst direkt an eine wachsende Stammkundschaft. Der Umsatz steige jährlich um drei bis fünf Prozent. Die Nähe zum Verbraucher suchen, vielfältig arbeiten.

Dazu rät auch die neue Sächsische Milchkönigin Anna Pabel. Die 23-Jährige ist gelernte Landwirtin und macht derzeit ihren Meister. Bei der Spreer Agrar und Service GmbH in Hähnichen bei Rothenburg/Oberlausitz ist sie Herdenmanagerin. 280 Kühe hat der Betrieb und ebenso viel Jungvieh. Auch hier hat die Biogasanlage in der Krisenzeit geholfen. Anna Pabel weiß jedenfalls, dass einige Unternehmen in schwierigen Situationen mitunter an der falschen Stelle sparen. Dann werden beispielsweise die Stunden von Kollegen gekürzt. Die Arbeit bleibe aber die gleiche. Oder man züchtet weniger Kälber. Das senke für den Moment die Kosten. „Macht sich aber ein paar Jahre später bemerkbar, weil sie dann fehlen“, so Pabel.

Landwirte wollen Preise erklären

Rund 700 Milchviehhaltungsbetriebe gibt es in Sachsen. Das sind etwa 70 weniger als noch vor einem Jahr. Sie konnten unter anderem den Preisverfall nicht mehr abfedern. Krabat-Milchwelt-Chef Kockert jedenfalls findet, der Politik fehlen die Ideen, um landwirtschaftlichen Betrieben sinnvoll zu helfen. Die wenigen große Handelsketten hingegen teilen den Markt unter sich auf und drücken die Preise. Zudem denkt er, Werbung über niedrige Preise sollte es nicht geben. Stattdessen solle die Qualität der Produkte im Mittelpunkt stehen.

Tobias Kockert glaubt, dass es gar nicht so sehr die Kunden seien, die unbedingt alles billig haben wollen. Man müsse ihnen die Preise nur richtig erklären. Eine Sicht, die viele der Milcherzeuger teilen. Und dafür wollen die sächsischen Landwirte nun Wege suchen. Zum Beispiel über Umweltbildung durch die Bildungsgesellschaft des Landesbauernverbandes. Auch über offene Höfe, bei Betriebsführungen, beim Kundenkontakt im Hofladen und natürlich auch auf dem Wochenmarkt.

Der Weg nach Wittichenau hat sich also gelohnt, ist Cindy Gröber zufrieden, als sie zurück in Großerkmannsdorf ist.