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Dahoam is daheeme

Die Oberlausitzer Wirtschaft wirbt händeringend um abgewanderte Fachkräfte. Für sie geht es um Heimat und Familie – aber auch ums Geld.

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© Carmen Schumann

Von Sebastian Kositz

Bautzen. Ohne Familie, ganz weit weg. Für drei Jahre wird das schon gehen, sagte sich Doreen Bozek. Das ist inzwischen 20 Jahre her. Von Hoyerswerda zog sie damals nach Bayern. In ihrer Heimat hatte die junge Frau vergeblich nach einem Ausbildungsplatz in der Tourismusbranche gesucht. Sie entschied sich, zu gehen. So wie viele andere junge Leute. Doreen Bozek absolvierte im Süden der Republik zunächst eine Ausbildung zur Hotel- und später zur Reiseverkehrskauffrau. Zurückgekehrt ist sie nie.

Kein Job, keine Perspektive. Scharenweise haben die Menschen seit dem Mauerfall die Region verlassen. Doch inzwischen sprechen die Vertreter der Interessensverbände der Wirtschaft und die Politiker sogar von einer Zeitenwende. „Wir hatten nie so viele offene Stellen“, bestätigt Steffen Sievers von der Arbeitsagentur in Bautzen. Deswegen wollen die Kreisverwaltung und die Wirtschaft gemeinsam möglichst viele Menschen wieder nach Hause locken – und riefen dazu vor drei Jahren auch die Fachkräftebörse „Wiederda“ ins Leben.

Seit 2014 laden das Kreisentwicklungsamt, die Industrie- und Handelskammer sowie die Handwerkskammer stets zwischen Weihnachten und Neujahr zur Fachkräftebörse ein. Der Termin ist nicht zufällig gewählt. Denn um die Weihnachtszeit weilen viele, die einst die Region verließen, bei ihren Familien in der Heimat. So wie Doreen Bozek. Und sie möchte gern bleiben. Nach 20 Jahren in der Ferne zieht es sie zurück. Auf der „Wiederda“ im Bautzener Landratsamt sucht sie am Dienstagvormittag nach freien Stellen im Tourismus, will Kontakte knüpfen. Sogar ihre Bewerbungsunterlagen hat sie in einer kleinen Mappe dabei.

Mit Sohn fehlt die Familie

In Bayern ist Doreen Bozek angekommen. „Es lief immer ganz gut“, sagt sie. Der leichte bayrische Akzent ist nicht zu überhören. Im Job ist sie erfolgreich, sammelt Erfahrungen. Der weite Weg bis nach Hoyerswerda zur Familie hatte zunächst weniger gestört. Inzwischen hat sie allerdings einen kleinen Sohn. „650 Kilometer bis zur Oma – das ist dann schon etwas viel“, sagt Doreen Bozek. Vor allem dann, wenn Oma beim Kleinen kurzfristig einspringen muss.

Die Vertreter der Wirtschaftskammern können keine Zahlen nennen, wie erfolgreich die Börse in den vergangenen beiden Jahren lief, wie viele Rückkehrer tatsächlich auf diesem Weg einen neuen Job in der alten Heimat gefunden haben. Aber: 2014 waren es gerade einmal zwölf Unternehmen, die an der Messe überhaupt Interesse gezeigt hatten. Am Dienstag bauten derweil über 60 Firmen ihre Stände auf – und lockten zehnmal so viele Besucher an.

Gut gemischtes Publikum

Die Börse richtet sich ungeachtet ihres Namens nicht nur an mögliche Rückkehrer. Auch jene, die derzeit noch immer täglich aus der Region weite Wege zu einem anderen Arbeitsort pendeln oder die, welche einfach nur einen Job in der Region suchen, sind willkommen. Entsprechend gut gemischt ist auch das Publikum, das sich zwischen den Ständen hindurchdrängelt. „Das ist fifty-fifty“, erklärt Victoria Thunig von der Personalabteilung des Automatisierungsspezialisten ATN Hölzel aus Oppach. Bereits vor einem Jahr war die Firma, die sowohl Ingenieure als auch Mitarbeiter für die Fertigung sucht, bei „Wiederda“ vor Ort – mit zufriedenstellendem Ergebnis.

Zunächst gehe es auch einfach nur darum, Kontakte zu knüpfen. Genau das hat Doreen Bozek an diesem Vormittag bereits getan. Nach nur einer halben Stunde hat sie das Interesse von drei Unternehmen geweckt, die nun auf eine E-Mail von ihr warten. Seit April sucht sie in der Heimat, bislang jedoch erfolglos. Dabei gibt es offene Stellen. In einem Reisebüro hätte sie sofort anfangen können – für 8,50 Euro die Stunde, Mindestlohn. Dass sie Abstriche am Gehalt machen muss, weiß Doreen Bozek. Und auch, dass die Lebenskosten in ihrer alten Heimat niedriger sind. „Aber ich muss davon auch meine Lebensunterhaltskosten bestreiten können“, sagt sie.

Tatsächlich ist das Thema Lohn an den Ständen oft eine wichtige Frage. Dass das Gehalt in der Region deutlich niedriger ist als in Süd- und Westdeutschland, bestreitet niemand. Stattdessen verweisen die Vertreter aus den Kammern und die Spitze der Kreisverwaltung auf die sogenannten weichen Faktoren und Rahmenbedingungen. Günstiges Bauland, ausreichend Kitaplätze und Schulen fallen Landrat Michael Harig (CDU) sogleich als Schlagworte ein. Und der Trumpf Familie, den alle Verantwortlichen noch einmal ausdrücklich betonen. Dennoch, so mahnt dann zumindest Sachsens Arbeitsstaatssekretär Stefan Brangs (SPD), müsse die hiesige Wirtschaft auch bereit sein, für gute Leute gutes Geld zu bezahlen.

Ob Doreen Bozek demnächst „Wiederda“ rufen wird, bleibt noch abzuwarten. Ihren Lebenspartner aus Bayern will sie selbstverständlich mitbringen. Auch er braucht dann aber erst einmal eine Arbeit.