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Dachreiter mit extra Blitzschutz

Am Dach des Brockwitzer Kirchturms wird straff gearbeitet. Auch die Glocken werden sehnlichst erwartet.

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© Norbert Millauer

Von Ines Scholze-Luft

Coswig. Das bändergeschmückte Bäumchen auf dem Kirchturm-Giebel besagt: Der Rohbau ist fertig. Allerdings lässt sich von der Straße aus nicht erkennen, dass damit der sanierte Dachstuhl gemeint ist. Der verbirgt sich nämlich unter der Plane über dem Turm.

Seit dem Richtfest vergangene Woche ist nicht nur Pfarrer Matthias Quentin beruhigt über den Baufortschritt. Solange der Dachstuhl in Arbeit und das Dach offen war, bangten alle um das Kircheninnere. Schließlich befindet sich unten im Turm die Orgel. Doch saniert werden musste der Dachstuhl dringend. Dabei haben die Handwerker Intaktes wie die Außensparren am Giebel erhalten. Das Übrige wurde erneuert. Nicht wenig, sagt Statiker Gunter Lohse. Sehr viele kaputte Bauteile waren komplett auszutauschen.

Auf eine Entstehungszeit zwischen 1710 und 1760 datiert der Statiker den Dachstuhl. Eine Vermutung, denn speziell untersucht wurde das Nadelholz nicht. An dem aber auffiel, dass Hinweise auf geflößtes – eine damals häufige Transportmethode – Holz fehlen. Hätte es längere Zeit im Wasser gelegen, wäre es weniger von Schädlingen befallen, sagt der Experte.

Bei der Konstruktion haben die Handwerker an bewährte Traditionen angeknüpft. Keine industriemäßige Produktion, sondern richtige Zimmermannsarbeit. In drei Teilen vorgefertigt, mit dem Kran einzeln auf Höhe gebracht und montiert. Beim Auswechseln waren die Dachdecker eine große Hilfe, haben sie doch das Dach auch zwischendrin mit Folie abgedeckt, lobt der Pfarrer.

Zimmerermeister Holger Lange aus Memmendorf bei Freiberg nennt die Arbeiten etwas schwierig, auch durchs Wetter, eingedenk der Gewittergefahren der vergangenen Tage. Doch nun ist das Dach fast fertig. Demnächst wird das Giebelgebinde ausgemauert, Schalung und Dachziegel kommen drauf, Glockenstuhl und Dachreiter werden aufgearbeitet. Im Oktober könnte alles fertig sein, schätzt der Meister.

Was der Dachreiter dem Dachstuhl voraus hat: Er ist aus widerstandsfähigerem Holz, die tragenden Teile bestehen aus Eiche. Allerdings ist das Türmchen jetzt verletzlicher als auf seinem angestammten Platz oben auf dem Turm. Denn es musste abgenommen werden, steht neben der Kirche. Damit ihm dort nichts passiert, besitzt es jetzt einen extra Blitzschutz.

Pfarrer Quentin erwähnt es bei aller Freude über den fertigen Dachstuhl mit Nachdruck: Der Reiter, das Türmchen auf dem Turm, fehlt als Orientierung in der Landschaft, nicht nur den Brockwitzern. Denen aber wohl besonders seit dem Blitzeinschlag in der Nachbarschaft. Zwar ist der Schaden im wenige Meter von der Kirche entfernten Haus auf der Dresdner Straße wieder behoben. Was aber nichts an der offensichtlich weit verbreiteten Meinung ändert, mit dem Dachreiter sei auch der Blitzfänger verschwunden, der das Dorf behütet, sagt Pfarrer Quentin.

Wobei manchmal selbst ein Schutzzeichen Schutz braucht. Dem Vorgänger wurde ein Gewitter zum Verhängnis. Im Jahr 1761 hat ein Blitz tatsächlich den Dachreiter zerstört, sagt Kirchenführerin Dorothee Simon. Sie weiß, Blitzschutz ist ein Thema spätestens seit 1882, als es um die Brandversicherung ging. Kürzlich war der Fachmann aus Riesa da, hat überprüft, ob der bestehende Blitzschutz noch wirkt, hat das große Gerüst am Turm geerdet, ebenso das kleine um den Dachreiter.

Auf dessen Rückkehr in luftige Höhe müssen die Brockwitzer jedoch noch warten. Etwas schneller haben sie möglicherweise die Uhr zurück. Momentan liegt das Uhrwerk noch gut verstaut auf dem Dachboden überm Kirchenschiff. Das bedeutet: Neben dem Dachreiter als Landmarke fehlt auch die zeitliche Orientierung durch Uhr und Glocken.

Letztere wurden inzwischen im Glockenschweißwerk im niederländischen Asten repariert, sagt Statiker Gunter Lohse. Die eine hat einen neuen Schlagring – der Bereich, wo der Klöppel aufschlägt. Bei der anderen ist die Krone wieder komplett. Gunter Lohse freut sich, dass mit der Reparatur alles geklappt hat und hofft, die beiden Glocken bald daheim zu haben.

Auch Pfarrer Quentin möchte ihren Klang spätestens im September wieder hören. Er hofft, dass bis dahin weiteres Spendengeld fließt. Was die Spender bisher beisteuerten, reicht noch nicht aus, um fehlende Fördermittel auszugleichen. 170 000 Euro kosten die Arbeiten am Turm. Dazu kommen 26 000 Euro für das Geläut. Vom Denkmalamt gibt es 29 000 Euro an Fördermitteln, 15 000 Euro weniger als erwartet. Diese Lücke muss der Bauherr, die Kirchgemeinde Brockwitz-Sörnewitz, schließen.

Informationen zu Spendenmöglichkeiten gibt es im Brockwitzer Pfarramt, Telefon 03523 71744.

Die Kirche Brockwitz ist montags bis freitags von 10 bis 12.30 Uhr geöffnet, bis zum 29. September. Auch außerhalb dieser Zeiten sind Führungen möglich. Näheres und Anmeldung:Telefon 0171 4644977