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Da Sammer wieder

Nach fast 64 Jahren kommt der frühere Fußballnationalspieler Klaus Sammer nach Stauchitz. Der Grund ist ein erfreulicher.

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© Sebastian Schultz

Von Jürgen Müller

Stauchitz. Es ist fast 64 Jahre her, dass Klaus Sammer das erste und vorerst letzte Mal in Stauchitz war. Und dennoch erinnert er sich an diesen 4. Juli 1954 so genau, als sei es erst gestern gewesen. Nicht, weil der schlaksige Junge mit Stahl Gröditz gegen Traktor Stauchitz in der C-Jugend spielte. Vielmehr ging es um die Zeit nach diesem Spiel. „Wir saßen gebannt in der „Alten Post“ und hörten Feindsender. Im Westradio wurde das WM-Finale zwischen Deutschland und Ungarn übertragen“, erinnert er sich. Deutschland gewann, wurde erstmals Fußball-Weltmeister. Laut jubeln durften die Nachwuchskicker aber nicht, schließlich hatte der „Klassenfeind“ gewonnen.

19 Europapokalspiele betritt Klaus Sammer (rechts) für Dynamo Dresden. Hier eine Szene aus einer Partie gegen Ajax Amsterdam.
19 Europapokalspiele betritt Klaus Sammer (rechts) für Dynamo Dresden. Hier eine Szene aus einer Partie gegen Ajax Amsterdam. © SZ/Archiv

Beinahe wäre der gebürtige Gröditzer gar nicht Fußballer, sondern Leichtathlet geworden. „Lass´ das mit dem Fußball, das wird sowieso nichts“, hatte man ihm geraten. Doch er blieb Fußballer und wurde etwas. Für Dynamo Dresden absolvierte er 183 Oberligapunktspiele und 19 Europapokalbegegnungen. In den Partien gegen Bayern München kam er jedoch nicht zum Einsatz. Trainer Walter Fritzsch zog den jungen Eduard Geyer vor. „In den beiden Spielen ist Uli Hoeneß dem Geyer viermal davon gelaufen, erzielte die entscheidenden Tore“, sagt er. Ihm wäre der Hoeneß nicht weggelaufen, ist er sicher.

Ungute Erinnerungen hat er auch an ein Oberligaspiel in Riesa. 1971 war das, Dresden verlor gegen Stahl mit 1:2. Sammer verursachte den entscheidenden Elfmeter. Mehr noch, weil er sich beschwerte, stellte ihn Schiedsrichter Rudi Glöckner vom Platz. Dem inzwischen Grauhaarigen stößt das noch heute bitter auf. „Ich habe den Gegenspieler überhaupt nicht berührt und vor allem Glöckner nicht beleidigt“, schwört er. Nach dem Platzverweis muss er nach Berlin zur Verhandlung. Die Rechtskommission will, dass er die Beleidigung gesteht. „Ich kann doch nicht etwas zugeben, was ich gar nicht getan habe“, sagt er. Und wird für sechs Wochen gesperrt.

Dass Klaus Sammer nach fast 64 Jahren wieder nach Stauchitz kommt, hat einen speziellen Grund. Er ist Beiratsmitglied im Enso-Nachwuchsförderpreis. Zum 16. Mal führt die Energieversorgung Sachsen Ost (Enso) diesen Wettbewerb durch. Prämiert werden Fußballvereine aus Ostsachsen, die sich in besonderem Maß für die Nachwuchsarbeit einsetzen und sich im Rahmen der diesjährigen Fußball-WM engagieren.

Zehn ostsächsische Vereine haben es in die Endrunde geschafft, dazu gehört der SV Stauchitz 47. Um sich persönlich ein Bild von deren Arbeit zu machen und über die finale Platzierung zu entscheiden, besucht der Fußball-Beirat einige Vereine. „Wir haben uns das fünfte Mal beworben und sind sehr froh, dass wir es diesmal in die engere Auswahl geschafft haben“, sagt Vereinschef Rüdiger Lorenz.

„Als kleiner Dorfverein arbeiten wir ausschließlich ehrenamtlich, holen Kinder und Jugendliche von der Straße“, sagt er. Rund 90 Kinder und Jugendliche zählt der Verein, der im Vorjahr sein 70-jähriges Bestehen feierte. Auch die Pflege der zwei Rasenplätzen und des Hartplatzes übernehmen die Vereinsmitglieder. Wegen der geburtenschwachen Jahrgänge gibt es derzeit keine B- und C-Jugendmannschaft, in allen anderen Altersklassen spielen aber Teams, beginnend mit der G-Jugend, wo Vier- bis Sechsjährige das Fußball-Einmaleins erlernen.

Der Verein sei so ziemlich die einzige Möglichkeit in der Gemeinde, einer sportlichen Bestätigung nachzugehen. Doch die Mitglieder kommen auch aus umliegenden Kreisen, was vor allem an der Randlage liegt. „Wir sind der Anlaufpunkt für die gesamte dörfliche Region hier“, sagt Lorenz, der auch Gemeinderat und stellvertretender Leiter der Stauchitzer Oberschule ist. In dieser Schule halten die Fußballer Ausschau nach Talenten, veranstalten Probetrainings. Wie lange die Nachwuchshoffnungen in Stauchitz bleiben, ist aber ungewiss. „Die Späher von Stahl Riesa und anderen Vereinen sind regelmäßig bei uns, das beginnt schon in der E-Jugend“, sagt Rüdiger Lorenz. Es sei schwierig für den Verein, über die Runden zu kommen. Das Sponsoring halte sich in Grenzen, zumal es in der Region kaum Großbetriebe gibt.

„Ich habe den Eindruck, dass uns der Deutsche Fußballbund als kleine Vereine im Stich lässt“, sagt er. Klaus Sammer widerspricht freundlich, aber energisch: „Nee, nee, deswegen bin ich ja heute auch hier. Ich komme ja auch vom Dorf, weiß wie schwierig es ist und bin trotzdem Nationalspieler geworden“, sagt er, der jeweils zehn Jahre als Nachwuchstrainer in Dresden und beim DFB gearbeitet hat. Als Jugendlicher war er auch mal als Schiedsrichter aktiv, hatte in Riesa seine Prüfung gemacht. „Pro Spiel gab es zwei Mark“, erinnert er sich.

Die Stauchitzer sind zu recht stolz auf ihre Nachwuchsarbeit. Jedes Jahr im Sommer gibt es ein Trainingscamp und einen Ausflug beispielsweise ins Tropical Island. Gemeinsam mit den Eltern der kleinen Kicker wird gegrillt. „Es ist ganz wichtig, dass wir die Eltern mit ins Boot holen, schließlich brauchen wir sie ja auch für Fahrten zu den Auswärtsspielen“, so der Vereinschef.

Als Klaus Sammer das letzte Mal in Stauchitz war, wurde Deutschland Fußball-Weltmeister. Bringt sein zweiter Besuch in der Gemeinde dem SV Stauchitz 47 den Titel? Bis zum 9. Juni müssen sich die Stauchitzer gedulden. Dann wird die Preisverleihung im Zentralgasthof Weinböhla stattfinden. Alle zehn ausgewählten Vereine erhalten Geldzuwendungen, je nach Platzierung zwischen 2 500 und 500 Euro.