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Da liegt die Platte

Die eigene Wohnung plattgemacht: Was anderswo längst Realität ist, passiert nun auch in Löbau. Doch Blöcke haben auch Zukunft.

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© Rafael Sampedero

Von Gabriel Wandt

Es ist ein Bild, das vielen Menschen weh tut: In Löbau-Ost ist dieses Jahr der erste Plattenbau abgerissen worden. Und das war nur der Anfang. Das Viertel wird in den kommenden Jahren ziemlich grundlegend umgebaut. Für Löbau ist das kein Abschied von der Platte, sondern der ernsthafte Plan, das Quartier wieder lebenswerter und fröhlicher zu gestalten. Mit den bunten Fassaden von Grundschule und Kindergarten ist dem schon die Richtung gewiesen – auch wenn die Fassaden der Wohnblöcke nicht so quietschbunt werden, wie Wobau-Geschäftsführerin Andrea Heinke jüngst bei einer Einwohnerversammlung bemerkte.

Wo einst bunte Balkons grüßten, ist längst auch der Schutthaufen verschwunden. Jetzt befindet sich dort erst einmal eine braune Fläche. Doch bald sollen viel Grün und weitere Parkflächen die Blöcke ersetzen, die abgerissen werden sollen.
Wo einst bunte Balkons grüßten, ist längst auch der Schutthaufen verschwunden. Jetzt befindet sich dort erst einmal eine braune Fläche. Doch bald sollen viel Grün und weitere Parkflächen die Blöcke ersetzen, die abgerissen werden sollen. © Rafael Sampedero

Dass der Umbau von Löbau-Ost erst jetzt begonnen hat, kommt andererseits für etliche Leute auch reichlich spät. Seit Jahren schon gibt es Ideen, wie das Quartier umgestaltet werden könnte, immer wieder war das auch in Stadtverwaltung und der kommunalen Wohnungsbauverwaltung Thema. Der Startschuss folgte aus verschiedenen Gründen trotzdem nicht. In den vergangenen Jahren zwang dann das Geld die Beteiligten dazu, zu handeln. Die Kosten für den Leerstand, die die Wobau Jahr für Jahr aufbringen muss, stiegen auf hohe sechsstellige Werte. Zuvor gab es diese äußeren Zwänge lange nicht: Die vielen russischen Spätaussiedler, die dort lebten, durften lange Jahre nicht einfach umziehen. Als diese Regelungen entfielen, taten sie es doch – der Leerstand stieg massiv an.

Ein Vorteil des späten Reagierens ist vielleicht, dass Löbau nun Erfahrungen sammeln kann, wie andere Städte den Umbau ihrer Plattenbauviertel angegangen sind. Und davon gibt es reichlich. Die Kleinstadt Frankenberg bei Chemnitz hat ihr Plattenbauviertel gegenüber einer großen Militärkaserne bereits 2005 umgebaut. In Olbersdorf, Zittau und Görlitz laufen längst die Abrissprogramme. Görlitz hat 2012 mit dem Umbau des Wohngebiets Königshufen begonnen. Neben dem Abriss von Gebäuden wurden dort auch manche Blöcke stehen gelassen, die oberen Etagen entfernt und die unteren Wohnungen mit Vorgärten ausgestattet. Die Konzepte sind sehr unterschiedlich und müssen auf die jeweilige Stadt zugeschnitten werden.

Für Löbau hat Stadtplaner Volker Augustin diese Aufgabe übernommen. Er hat ein Bild von Löbau-Ost entwickelt, das viel Vorhandenes aufnimmt und das Quartier trotzdem deutlich verkleinert. Im Herbst haben er, Wobau-Chefin Heinke und der Löbauer Oberbürgermeister Dietmar Buchholz (parteilos) erstmals deutlicher als zuvor öffentlich skizziert, wohin die Reise gehen soll. Als unverrückbar gelten die Gebäude an den beiden großen Straßen im Quartier. Sie werden weitgehend stehen bleiben. Schrumpfen wird das Viertel vom Löbauer Berg aus. Wohnblöcke, die außen Richtung Berg oder Friedenshain stehen, sollen einer nach dem anderen weichen.

Das Gebäude Händelstraße 13 bis 19 hat dieses Jahr den Anfang gemacht. Als Nächstes folgt der Block Nummer 1-11. Im Januar 2017 bekommen weitere Mieter die Kündigung, wie sie vor einigen Wochen erfahren haben. Ende 2017 und 2018 sollen die nächsten Gebäude fallen.

So wird es voraussichtlich weitergehen bis ins Jahr 2022. Dann soll der millionenschwere Umbau des Wohngebiets abgeschlossen sein. Das sehen die aktuellen Pläne vor. Parallel saniert die Wobau ihre Häuser im Kern von Löbau. Für die Äußere Bautzner Straße ist in den nächsten Monaten damit zu rechnen, dass erste Wohnungsbesichtigungen möglich werden.

Dass sich Städte wie Löbau nicht vollständig von der Platte verabschieden werden, hat viele Gründe. Ein wichtiger ist der Aspekt des sozialen Wohnungsbaus. Städte, gerade im Osten der Republik, brauchen genügend Wohnungen mit überschaubaren Mieten und Zuschnitten, die auch von Arbeitsagentur und Jobcenter akzeptiert werden. Und während die Orte in der Oberlausitz schrumpfen, wachsen Städte wie Dresden deutlich – und setzen wieder auf Fertigteilhäuser: Im Dresdner Stadtteil Johannstadt werden vom Wohnungsbauunternehmen Vonovia derzeit zwar ebenfalls alte Plattenbauten abgerissen, sollen wegen der vielen Zuzüge nach Medienberichten aber bald wieder neue Gebäude errichtet werden. Prototypen existieren bereits im Ruhrgebiet – mit Holzbalken als tragenden Elementen, aber eben aus Modulen, die sich schnell und kostengünstig zu ganzen Häusern zusammensetzen lassen.