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Country Roads in Cossebaude

Linda Feller, ein Star in der deutschen Country-Szene, ist in Dresden heimisch geworden. Ein Hausbesuch.

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© ven Ellger

Von Henry Berndt

Was haben Linda Feller und die Hunderasse Bolonka Zwetna gemeinsam? Sie waren ab Mitte der 80er in der DDR populär. Und: Sie haben auch heute noch jede Menge Fans. Aufgeregt läuft Mimi durch den Vorgarten. Sie hat Cliff, den Dackel aus der Nachbarschaft, erspäht, der gerade auf seiner Gassirunde die Straße hochkommt. Als sich ihre Nasen am Gartentor treffen, tanzen die Schwänze vor Freude. „Es ist ihr erster Verehrer hier oben“, sagt Linda Feller, bevor sie ihre flauschige Hundedame wieder nach drinnen ins Warme bittet. Bolonka Zwetna ist russisch für „buntes Schoßhündchen“. Jemand, mit dem man zwanghaft zwei Oktaven höher spricht.

Linda Feller 1985
Linda Feller 1985 © Archiv
Linda Feller: „Frischer Wind“, Maniamusic, 16,99 Euro
Linda Feller: „Frischer Wind“, Maniamusic, 16,99 Euro © Maniamusic

Seit etwas mehr als einem Monat wohnen Linda Feller, ihr Mann Andreas und Mimi jetzt hier oben in den Bergen über Cossebaude. Vom Dachgeschoss aus hat man einen wunderbaren Blick hinüber nach Radebeul. Auf dem Weg zum Fenster muss man sich aber den Weg an jeder Menge Fitnessgeräten vorbeibahnen, die gerade noch aufgebaut werden. Im Treppenhaus stehen noch ein paar gepackte Kisten. Die Fotos aber hängen alle schon. Im Treppenaufgang fand die große Dolly Parton ihren Platz. Mit Autogramm. Es stammt von 1998, als Linda Feller in die legendäre Grand Ole Opry nach Nashville eingeladen wurde. Als erste deutsche Sängerin.

Insgesamt siebenmal gewann die 50-Jährige zwischen 1992 und 2006 den deutschen „Country-Oscar“ als beste Sängerin, verliehen von der German American Country Music Federation. Die Gala dazu kam früher im MDR. Seit etwa zehn Jahren gibt es die allerdings nicht mehr, genauso wie die Federation. Die Preise haben trotzdem einen Ehrenplatz in der Glasvitrine in Linda Fellers Wohnzimmer bekommen. „Es war immer schwer, Countrymusik in Deutschland populär zu machen“, sagt sie. Und tatsächlich ist das nicht vielen gelungen in den letzten Jahrzehnten. Überlegen wir mal: Truck Stop sicher, Gunther Gabriel, zuletzt natürlich The BossHoss, in jedem Fall aber auch Linda Feller, die 1966 in Thüringen als Uta Weitzel geboren wurde.

Ihren ersten Auftritt hatte sie 1985 in der Talentshow „Sprungbrett“ mit Muck alias Harmut Schulze-Gerlach. Mit 19 sang sie dort „Ich bin klein, mein Herz ist rein“, so hoch, wie man sonst nur mit Schoßhündchen redet. Die Resonanz war grandios. Ein Jahr später wurde sie durch Zufall Sängerin von Country Co., DER Institution in der deutschen demokratischen Countrymusik. Die Band brauchte dringend eine Solostimme, um ihr Album im Studio fertigstellen zu können. Innerhalb einer halben Stunde sang Linda für sie „Apple Jack“ von Dolly Parton ein – und blieb im Team. Nach zwei Jahren mit fast täglichen Auftritten durfte sie 1988 zu einem Festival in die Schweiz ausreisen – und blieb im Westen. In der DDR wurde ihre Existenz daraufhin im wahrsten Sinne gelöscht, inklusive Konto und Lebensversicherung.

Der Name der Rose

Musikalisch machte Linda Feller nun allein weiter und hat seitdem einen künstlerischen Output, der seinesgleichen sucht. Fast 40 Platten hat sie seit 1990 herausgebracht. In der kultigen RTL-Show „Kilometer 330“ mit Moderator Jonny Hill war sie Stammgast. Ihr größter Hit bis heute, der bei keinem Auftritt fehlen darf: „Andere Mütter haben auch ein schönes Kind“. Die aktuellste Scheibe kam vergangenes Jahr raus: „Frischer Wind“ hört sich wieder mehr nach Country an, der zuletzt immer stärker hinter dem Schlager verschwunden war. Auf dem Cover sitzt Linda Feller auf einer Harley und sieht aus wie 25. Was soll’s, das gehört zum Geschäft. Einen Motorradführerschein hat sie ja auch nicht, überlegt aber gerade ernsthaft, ob sie den nicht noch machen sollte.

Andererseits ist sie ja froh, jetzt neben der Arbeit ein bisschen mehr Zeit für sich und ihre Familie zu haben. Bis vor Kurzem wohnten sie noch in Weixdorf in einem Haus mit 1 600 Quadratmeter großem Grundstück. „Da stand sicher eine Million Bäume drauf“, sagt sie. „Blätter und Eicheln ohne Ende.“ Das ständige Gekehre nervte sie. Außerdem war Schimmel im Keller. Hier in Cossebaude begnügt sie sich mit einem kleinen Vorgarten, hat nur einige Pflanzen mitgenommen, die ihr wichtig sind. Vor allem die Linda-Feller-Rose, die ein Fan eigens für sie gezüchtet hat.

Mit Andreas Schmid, dem früheren Chef der Dresdner Wasserwacht, ist Linda Feller inzwischen seit acht Jahren zusammen. 2015 heirateten sie. Tochter Eileen aus einer früheren Partnerschaft ist heute 28, ihr Enkel 3. Linda Feller wirkt wie ein glücklicher Mensch. Ihre weißen Zähne strahlen, genauso wie ihre blauen Augen, die sie vergangenes Jahr endlich operieren lassen hat. Bis dahin hatte sie auf einem Auge minus 8 Dioptrien, auf dem anderen minus 4. „Ich war praktisch halb blind, mein Leben lang.“ Selbst ihren Mann hat sie bis dahin kaum erkennen können. Die gute Nachricht: Sie mag ihn immer noch. Heute will er sich um den kaputten Kühlschrank kümmern, winkt noch beim Gehen. „Mach’s gut, Schnucki, du hast dir ja gar kein Brot gemacht“, ruft Linda besorgt. Zum Abschied gibt es noch ein Küsschen.

Ansonsten verschwendet sie allerdings keinen Gedanken an Abschied. Ganz im Gegenteil. 2018 soll die nächste Platte folgen. Ihre treusten Fans lechzten nach Nachschub. Schon diesen Juni wird sie wieder im MDR zu sehen sein, an der Seite von Uta Bresan. Live ist sie auf Stadtfesten und in Theatern unterwegs, gern auch mal in einem Pflegeheim. „Ich liebe es, meinem Publikum in die Augen schauen zu können“, sagt sie. „Und das geht jetzt ja noch viel besser.“ Vor allem beim Autogramme schreiben, wenn die Fans sanft ihre Hand nehmen, und ihr für die zwei schönen Stunden danken. Dann ist die Dolly Parton des Ostens für einen Moment wieder die Kleine aus der „Sprungbrett“-Show.